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Vom Amt in den Kurs. Manche Fortbildungen werden Arbeitslosen von Arbeitsagentur oder Jobcenter finanziert – wie die neue Weiterbildung zum Naturschutzgebietsbewirtschafter in der Kyritz-Ruppiner Heide – dem ehemaligen Bombodrom .
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Weiterbildung für Arbeitslose: Die Rückkehrer

Mehr als 300 000 Arbeitslose haben im vergangenen Jahr eine Zusatzqualifizierung oder Umschulung genutzt, um wieder einen Job zu finden

Chia-Samen kann man ins Müsli geben. Oder für ein Getränk quellen lassen. Die Samen der Pflanze aus Mexiko versorgen Veganer mit Omega-3-Fettsäuren. All das wusste Añes Martinez noch nicht, als sie ihren Job als Leiterin einer Buchhandelskettenfiliale verlor. Heute hat sie nach gut einem Jahr Arbeitslosigkeit wieder einen Arbeitsplatz – weil sie solche Einzelheiten über Ernährung in einer Weiterbildung zur Kauffrau im Einzelhandel für Naturkost gelernt hat. Sie arbeitet seit kurzem in einer Filiale einer großen Naturkostkette in Berlin. Fragen zu Chia-Samen muss sie Kunden besonders häufig beantworten .

Als Añes Martinez mit Anfang 50 arbeitslos wurde, kam ihr schnell die Idee, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben. Bei einer Buchhandelskette wollte sie nicht wieder anheuern – bei den meisten Filialisten werden eher Leute entlassen als eingestellt. Sie hatte keine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht, sondern war als Quereinsteigerin in die Branche gerutscht. Für die Idee zur Umschulung kann sie jede Menge Gründe aufzählen – persönliche und wirtschaftliche: „Ich war schon seit längerer Zeit ein Biomensch. Kurz zuvor hatte ich wegen einer Krankheit meine Ernährung komplett umgestellt. Der Einzelhandel gefiel mir immer noch gut. Ich wollte aber gern etwas verkaufen, das den Menschen gut tut. Im Bioladen hat man ein gutes Gewissen bei der Arbeit. Ich habe das Gefühl, dass ich die Erde, die wir ja unseren Kindern überlassen werden, dadurch ein kleines bisschen besser mache.“

Ihr bestes Argument ist aber wohl: Die Biobranche boomt. „Ich bin ja in einem Alter, in dem es nicht mehr so einfach ist, einen neuen Job zu finden“, sagt Martinez. Sie hatte sich aber informiert, dass das in der Biobranche anders ist. Viele Arbeitgeber schätzten die Erfahrung älterer Arbeitnehmer, sagt sie. „Mein berufliches Ziel ist, eine Filiale in der Biobranche zu leiten. Doch das geht nicht einfach mal so. Dafür braucht man tatsächlich eine Zusatzqualifikation.“ Übers Internet fand sie die passende Fortbildung beim Forum Berufsbildung in Berlin. Gemeinsam mit einem Berufsberater des Weiterbildungsanbieters formulierte sie einen Antrag an die Agentur für Arbeit, damit diese die Kosten für den Lehrgang übernähmen.

Weiterbildung erhöht Chance auf Arbeitsplatz

„Grundsätzlich erhöht eine Weiterbildung für Arbeitslose die Chance auf einen Arbeitsplatz“, sagt Paul Ebsen von der Agentur für Arbeit. Mehr als 300 000 Arbeitssuchende hätten sich zwischen November 2012 und Oktober 2013 beruflich weitergebildet. 47 Prozent davon seien sechs Monate später sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Insgesamt 65 Prozent der Teilnehmer sind sechs Monate nach der Weiterbildung aus der Arbeitslosenstatistik verschwunden. Was mit den knapp 20 Prozent passiert ist, die die Differenz ausmachen – das werde nicht erfasst, sagt Ebsen. Gründe könnten der Beginn einer Selbstständigkeit sein, aber auch Schwangerschaft, Elternzeit oder Renteneintritt.

Arbeitslose mit einem höheren Bildungsgrad würden häufig von sich aus auf die Berater der Arbeitsagentur zugehen und eine Weiterbildung vorschlagen, sagt Ebsen. „Akademiker brauchen meist Zusatzqualifikationen, um sich erfolgreich bewerben zu können.“ Bei weniger gebildeten Arbeitslosen – die in der Mehrzahl sind – seien es aber meist die Berater der Arbeitsagentur oder des Jobcenters, die eine Fortbildung vorschlügen. „Im ungelernten Bereich ist eine Weiterbildung besonders wichtig“, sagt Ebsen. Etwa, um den Schulabschluss nachzuholen. „Oder wenn die Arbeitssuchenden seit Jahren nicht ihrem im gelernten Beruf gearbeitet haben. Etwa ein Bäcker, der zehn Jahre als Helfer in der Industrie gearbeitet hat und jetzt eine Umschulung zum Industriemechaniker machen möchte – das würden wir begrüßen.“

Im Naturkostladen
Im Naturkostladen
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Ganz anders war das bei Añes Martinez’ Idee, Naturkostfachfrau zu werden. Sie bekam eine Absage für die Finanzierung von der Agentur für Arbeit. „Es hieß, diese Weiterbildung würde für mich eine Dequalifizierung bedeuten, weil ich ein Diplom in Verwaltungswissenschaft habe“, sagt sie und klingt auch heute noch etwas fassungslos. „Ich solle mich doch einfach so als Filialleiterin und Personalfachkauffrau bewerben. Darin hatte ich vor langer Zeit mal eine Fortbildung besucht.“ Sie schrieb also unzählige Bewerbungen – einige Male wurden die Absagen begründet: „Mit einem Mangel an Fortbildung in der jüngeren Vergangenheit.“

Schließlich entschloss sie sich, es irgendwie zu versuchen, die Umschulung selbst zu zahlen. „Ich hatte eine kleine Abfindung bekommen, als ich meinen Job verlor. Aber das reichte nicht wirklich. Ich zog in eine kleinere Wohnung und jobbte am Ende der Ausbildung neben dem Unterricht schon in Teilzeit in dem Biosupermarkt, in dem ich heute Schichtleiterin bin.“ Das bedeutete eine Sechs-Tage-Woche für sie. Doch das nahm sie gern in Kauf: „Meine Weiterbildung hat es mir erlaubt, schnell in diese Position zu kommen.“ Sie hofft, in absehbarer Zeit Filialleiterin zu werden und dann sogar mehr zu verdienen als in ihrem alten Job im Buchhandel.

Defizite suchen per Kurs

Arbeitssuchende würden nicht gefördert, wenn der angestrebte Lehrgang „nicht zur Berufsbiographie passt und wenn der Beruf regional nicht gebraucht wird“, sagt Paul Ebsen von der Agentur für Arbeit. „Und wenn ich gute Aussichten habe, dass jemand vermittelt werden kann, werde ich keine Förderung genehmigen. Manchmal stellt man allerdings erst im Lauf der Zeit fest, dass es ein Defizit gibt.“ Dann könne der Berater den Arbeitssuchenden „in einen Kurs stecken, um zu sehen, wo die Defizite liegen.“ Dabei handelt es sich um so genannte Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. „Diese Maßnahmen können dazu dienen, die Stärken und Schwächen herauszuarbeiten“, sagt Ebsen. Solche Maßnahmen würden kaum von Arbeitssuchenden selbst vorgeschlagen. Auch Andrea Funke (Name geändert) wäre nie von selbst darauf gekommen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen. Die Anglistin bezog eineinhalb Jahre Arbeitslosengeld II. Das war nach ihrem Master-Abschluss, als sie sich für ein Stipendium für ihre Promotion bewarb. „Die Berater beim Jobcenter haben nicht verstanden, dass so etwas eine gewisse Zeit dauert“, sagt die Mittdreißigerin, die ihren Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen möchte. „Irgendwann bekam eine Beraterin Panik und schickte mich zu der Maßnahme mit mehreren Kursen: Bewerbungstraining, Webdesign und Englisch waren dabei. Im Nachhinein war das eigentlich eher komisch. Da saß ich mit Leuten in einem Englisch-Sprachkurs, die keinen geraden Satz in der Fremdsprache herausbrachten.“ Die Anglistin ließ sich öfter von anderen in die Anwesenheitsliste eintragen und arbeitete stattdessen in der Universitätsbibliothek an dem Entwurf für ihre Doktorarbeit. Hört man sich unter Akademikern, die mal eine Weile Hartz-IV bezogen haben, um, ist ihre Geschichte kein Einzelfall. Sie sagt aber: „Da waren viele Leute mit mir in den Kursen, für die mir das ganz sinnvoll schien. Die hatten nach langen Jahren Arbeitslosigkeit nicht mehr genug Selbstvertrauen, um sich zu bewerben.“

Integrationskurs
Integrationskurs
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Auch das Forum Berufsbildung, bei dem Añes Martinez ihre Umschulung zur Naturkostfachfrau machte, hat ähnliche Kurse im Angebot. Sie richten sich hauptsächlich an Langzeitarbeitslose. „An Menschen, die ganz große Problem haben, in den Job zu kommen. Menschen, die jahrelang nicht mehr früh aufgestanden sind“, sagt Sabine Taubenheim vom Forum Berufsbildung. „Die meisten finden es am Anfang komisch – es ist ein bisschen wie therapeutische Behandlung. Wir erzielen damit große Erfolge.“

Umschulung zum Immobilienkaufmann ist Erfolg versprechend

90 Prozent Vermittlungsquote könne das Forum Berufsbildung vorweisen. Insgesamt 21 verschiedene Umschulungen gibt es dort. Rund 1500 Teilnehmer sind zurzeit eingeschrieben – fast alle sind arbeitssuchend. Besonders Erfolg versprechend sei die Umschulung zum Immobilienkaufmann. „Die bringt Sie sofort gut in den Job“, sagt Sabine Taubenheim. „Und alles im Steuerbereich.“ Die Arbeitsagentur fördere etwa gern Umschulungen im Pflegebereich, etwa die Fortbildung zur Betreuungsassistentin für demenziell Erkrankte. „Wenn man das nervlich verkraften kann, hat man gute Jobchancen.“

Auf Arbeitssuche
Auf Arbeitssuche
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Auch die Fortbildungsreihe „Marktplatz Arbeit“ sei erfolgreich: Sie sei dazu gedacht, eher gering qualifizierte Arbeitslose wieder in die Arbeitswelt zu integrieren: „Dabei geht es in einem ersten Schritt darum, den Selbstwert zu steigern. Und wir haben ein großes Netzwerk von Firmen und können die Arbeitssuchenden den Arbeitgebern aus einer anderen Perspektive vorstellen.“ Die Arbeitgeber kommen aus Branchen, in denen Personal dringend gebraucht werde: Sicherheit, Reinigung, Hauswirtschaft und Einzelhandel. Viele Teilnehmer würden nach einem Praktikum übernommen. „Wir begleiten die Teilnehmer aber auch weiter, wenn sie einen Job gefunden haben.“

Andrea Funke, die inzwischen ihre Promotion abgeschlossen, aber noch nicht an der Uni untergekommen ist, hat nach einer erneuten – diesmal fachlich passenden – Weiterbildung einen Job gefunden: Sie gibt jetzt Integrationskurse für Migranten an einer Sprachschule. Ihr Ziel, an der Uni zu lehren, will sie weiter verfolgen.

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