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Abschied vom Schokoherz von Air Berlin
© Alban Grosdidier/dpa

Wettbewerbsexperte zu Air Berlin: „Die Preise dürften steigen“

Nach der Insolvenz von Air Berlin rechnet der Wettbewerbsexperte Daniel Zimmer mit teureren Flugtickets. Im Interview kritisiert er die Parteinahme der Politik für die Lufthansa.

Herr Professor Zimmer, es sieht derzeit so aus, als ob die Lufthansa größere Teile von Air Berlin übernehmen wird. Wäre das eine gute oder eine schlechte Lösung?

Wettbewerbsrechtler beurteilen das nicht pauschal, sondern immer mit Bezug auf bestimmte Märkte. Bei einer Fusion von Fluggesellschaften wird eine sehr detaillierte Analyse vorgenommen, es wird Strecke für Strecke geprüft. Die Europäische Kommission hat das 2013 im Fall der angestrebten Fusion der irischen Fluggesellschaften Ryanair und Aer Lingus vorgemacht. Auf mehr als 40 Strecken hätte der Zusammenschluss zu Wettbewerbsproblemen geführt, deshalb wurde die Fusion untersagt.

Das heißt, die Lufthansa dürfte keine Strecken übernehmen, auf denen sie dann ein Monopol hätte?

Ein Monopol wollen Wettbewerbshüter nach Möglichkeit vermeiden. Die zuständigen Behörden, das kann die EU-Kommission sein oder die nationalen Kartellbehörden, werden einem Monopol nicht zustimmen.

Ist es möglich, dass jetzt am grünen Tisch Vereinbarungen über die Übernahme von Air Berlin getroffen werden, die die Wettbewerbsbehörden dann später aufheben?

Unternehmen melden oft sehr weitreichende Fusionsvorhaben an. In vielen Fällen werden diese Pläne dann im Zuge von Gesprächen mit der zuständigen Behörde modifiziert. Die Unternehmen verhandeln mit der Behörde über Auflagen, etwa die Frage, welche Vermögenswerte sie veräußern müssen, um Wettbewerbsprobleme auszuräumen. In gravierenden Konstellationen kann es sein, dass die Behörde auf einer Veräußerung schon vor Durchführung der Fusion besteht. Manchmal reicht es aber auch, wenn das nach dem Vollzug des Zusammenschlusses passiert.

Viele große Wettbewerber haben Interesse – Lufthansa, Easyjet, Ryanair, Condor. Wenn die zum Zuge kommen, werden die Ticketpreise steigen?

Wenn Wettbewerb entfällt, steigen oft die Preise. Bisher war Air Berlin auf vielen Strecken der Hauptkonkurrent der Lufthansa und hat dieser mit niedrigen Preisen das Leben schwer gemacht. Wenn die Lufthansa Strecken von Air Berlin übernehmen würde, entfiele diese Konkurrenz und damit ein Grund dafür, niedrige Preise zu setzen.

Wettbewerbsexperte Daniel Zimmer: Die Lufthansa verliert ihren größten Konkurrenten.
Wettbewerbsexperte Daniel Zimmer: Die Lufthansa verliert ihren größten Konkurrenten.
© Doris Spiekermann-Klaasl

Die Politik hat sich für die Lufthansa starkgemacht. Ist das ungehörig?

Ich finde das problematisch. Einige Politiker in Deutschland haben eine verhängnisvolle Nähe zu den Leitungen großer Unternehmen. Das führt dazu, dass diese Politiker Einflüsterungen ausgesetzt sind, vor allem wenn sie unsicher und fachlich nicht ganz so beschlagen sind. Das Bundesverkehrsministerium stand ja schon früher unter dem Verdacht, die Lufthansa zu bevorzugen.

Was meinen Sie?

Denken Sie an den Streit, ob Air Berlin zusammen mit Etihad Flüge im Rahmen eines sogenannten Codesharing durchführen durfte. Minister Dobrindt hat hier lange auf die Bremse getreten, zum Schaden von Air Berlin. Air Berlin hat letztlich vor Gericht gesiegt, hatte aber mehrere Jahre in Unsicherheit gelebt. Für Etihad war es bestimmt nicht aufbauend zu sehen, wie die Regierung das Investment einer ausländischen Gesellschaft erschwert.

Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl will Air Berlin als Ganzes übernehmen und hat sich anfangs missachtet gefühlt. Wäre Wöhrl aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ein guter Kandidat und hätte er das Potential, Air Berlin dauerhaft profitabel zu betreiben?

Genau das müssen sich die Wettbewerbsbehörden auch fragen. Wöhrl wäre aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ein geeigneter Käufer, wenn er den Wettbewerb beleben könnte. Aber die Behörden müssen natürlich die wirtschaftliche Situation des Betreffenden anschauen. Wie ernst das Angebot von Wöhrl ist, kann ich aus der Distanz nicht beurteilen.

Wer ist für den Fall Air Berlin eigentlich zuständig: die EU-Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden?

Es gibt ein Prinzip: Entweder ist die Kommission zuständig oder die nationalen Behörden. Brüssel ist zuständig, wenn die beteiligten Unternehmen weltweit Umsätze von mehr als fünf Milliarden Euro haben und mindestens zwei von ihnen in der EU jeweils 250 Millionen Euro umsetzen. Würde Lufthansa Air Berlin als Ganzes übernehmen, wäre das ein Fall für Brüssel. Die Unternehmen können aber, beraten durch Rechtsanwaltskanzleien, einen Fall auch so designen, dass nur Unternehmensteile übertragen werden und so die nationalen Wettbewerbsbehörden zuständig wären.

Also das Bundeskartellamt.

Man sollte nicht nur auf Deutschland schauen. In Österreich besteht eine ähnliche Situation. Hier ist die Air Berlin-Tochter Niki eine starke Konkurrentin der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines. Wenn Lufthansa Niki übernähme, gäbe es von österreichischen Flughäfen aus auf vielen Strecken keinen Wettbewerb mehr.

Was wäre für die Unternehmen einfacher: Wenn Brüssel oder die nationalen Behörden zuständig wären?

Ein Verfahren in Deutschland könnte aus Sicht der beteiligten Unternehmen einen Vorteil haben: Hier gibt es die Möglichkeit, dass das Wirtschaftsministerium eine Übernahme, die das Bundeskartellamt untersagt, per Ministererlaubnis möglich macht. Es würde mich nicht wundern, wenn in den Kanzleien, die die Unternehmen in Sachen Air Berlin beraten, bereits darüber nachgedacht wird.

Das Interview führte Heike Jahberg

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