Zukunft der Bahn: Die Politik muss jetzt die Weichen stellen
Der Rücktritt von Rüdiger Grube ist eine Zäsur, die die Politik als Chance begreifen sollte. Wer Chef wird, ist wichtig. Noch wichtiger ist, dass die Bundesregierung ihre diffusen Ansagen in Bahnpolitik übersetzt. Ein Kommentar.
Wenn Konzerne sich erneuern, finden sie klingende Namen dafür: Daimler sparte sich „Fit for Leadership“, Air Berlin startete eine „Turbine“, Volkswagen beschwört seit Dieselgate ein neues „Together“. Die Deutsche Bahn hält es schlicht: „Zukunft Bahn“ heißt ihr Programm für mehr Qualität und Kundenfreundlichkeit. Inzwischen wäre man im Bahn-Tower wohl schon froh, wenn es nur um Qualität ginge, denn seit Montag hat der Schienenkonzern ein ganz anderes, größeres Problem: Der jähe Rücktritt von Rüdiger Grube stürzt die Bahn in ein Führungschaos. Dies schnellstmöglich vor der Bundestagswahl zu beenden, scheint am Tag danach kaum möglich. Nach dem Paukenschlag stehen alle ratlos da. „Zukunft Bahn“? Welche Zukunft? Welche Bahn?
Es ist nicht so, als hätte Grube in fast acht Amtsjahren überzeugende Antworten gegeben. Das kann man ihm vorwerfen: Er war zu sehr Manager im Tagesgeschäft, er war zu angepasst, zu wenig Visionär. Doch die großen Zukunftsfragen hätte selbst der Leib-und-Seele-BahnChef nicht anpacken können, und wenn, dann mit dem Risiko, die größte Erwartung des Eigentümers zu enttäuschen: Ruhe bei der Bahn zu garantieren. Grube war klug genug, sich mit der Politik nicht zu überwerfen. Nun ging seine Karriere dennoch unschön zu Ende – fast tragisch.
Hartmut Mehdorn war vorgestern
Es bleibt die Identitätskrise der Bahn. Die Regierung hat sie noch verschärft, weil ihr Verkehrsminister – wie so oft unverbindlich – durchblicken ließ, dass der Konzern kein Gewinnmaximierer sein müsse. Das ist eine Binsenwahrheit: Subventionen halten die Bahn und ihr Netz seit Bundesbahn-Zeiten am Leben. Kein Mensch kommt heute auf die Idee, dass die Bahn mit ihrer gigantischen, maroden Schienen- und Gebäude-Infrastruktur „fit“ saniert werden könne, um Renditen wie ein Autobauer abzuwerfen. Hartmut Mehdorn war vorgestern.
Doch Alexander Dobrindts Einlassung wirkte nicht inspirierend, sondern wie ein Prellbock für die bisherige Bahnpolitik: Soll die Bahn nicht mehr als globaler Transport- und Logistikkonzern glänzen, der in 130 Ländern vertreten ist und die Hälfte seines Umsatzes (40 Milliarden Euro) im Ausland erzielt – zu großen Teilen als Lkw-Spediteur auf der Straße? Soll die Eisenbahn sich doch vielleicht mehr der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Heimat widmen, mit freundlicher Unterstützung des Steuerzahlers? Alte Fragen, auf die die Politik keine Antworten gab.
Grubes Strategie ging in die richtige Richtung
Rüdiger Grube machte immerhin das Beste daraus: Er propagierte die Bahn als pünktlichen, komfortablen, umweltfreundlichen, preiswerten und vernetzten Mobilitätsdienstleister. Die Eisenbahn in Deutschland, das „Brot- und-Butter-Geschäft“, erklärte er zur Chefsache, und die Digitalisierung. Gewiss viel Wort-Klimbim für eine späte Erkenntnis, die Umsetzung lief schleppend – aber sie lief. Die Bahn ist pünktlicher, komfortabler, häufig preiswerter und mit kostenlosem W-Lan vernetzter geworden. Baustellen gibt es immer noch genug, die größten im Güterverkehr.
Grubes Abgang ist eine Zäsur, die die Politik als Chance begreifen sollte, ihre diffusen Ansagen in Bahnpolitik zu übersetzen. Wer Chef wird, ist wichtig. Noch wichtiger ist aber, dass die neue Bundesregierung dem staatlichen Mobilitätsdienstleister ein Profil vorgibt, Ziele definiert, Weichen stellt. Wie diese Reform, dieser Masterplan auch heißen mag – er sollte der Bahn eine Zukunft geben.