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Zukunft der Industrie? Sigmar Gabriel und BDI-Präsident Ulrich Grillo bewundern einen humanoiden Roboter.
© dpa

Bündnis für Industrie: Die neue konzertierte Aktion

Jetzt geht es los: Das Bündis "Zukunft für Industrie", vor anderthalb Jahren gegründet, startet mit einer großen Konferenz in Berlin.

Berlin - Den Hinweis auf den „früheren Hausherrn Karl Schiller“ ließ sich Matthias Machnig natürlich nicht entgehen, als er am Donnerstagvormittag im Bundeswirtschaftsministerium die erste Konferenz des Bündnis „Zukunft der Industrie“ eröffnete. Einer der Motoren dieser Veranstaltung ist Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig, und indem er an Schiller und die konzertierte Aktion aus dem Jahr 1967 erinnerte, hob er das Industriebündnis der Gegenwart auf ein Bedeutungsniveau, das es sich erst noch verdienen muss. Das zeigt schon die Entwicklungsphase: Vor anderthalb Jahren kamen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Industriepräsident Ulrich Grillo und der damalige IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel auf die Idee einer Partnerschaft zum Wohle des verarbeitenden Gewerbes. Mehr als ein Dutzend Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind inzwischen dabei, und am Ende einer zähen „Selbstverständigung“ (Machnig) stand jetzt die erste große Konferenz im Wirtschaftsministerium. Weitere sollen folgen. Dazu gibt es diverse Arbeitsgruppen und eine Werbekampagne, mit der die Akzeptanz in der Bevölkerung für industrielle Belange gefördert werden soll.

Das „20-Prozent-Klimaziel darf nicht wichtiger sein als das 20-Prozent-Industrieziel“, betonte Sigmar Gabriel. Derzeit hat die Industrie in Europa einen Anteil von 15 Prozent an der Wirtschaftsleistung, in Deutschland sind es 22 Prozent – und die wackeln. SPD-Chef Gabriel warnte seine Parteikollegin Barbara Hendricks, die als Umweltministerin eine Klimaschutzplan 2050 entwerfen will. Er werde aufpassen, „dass das kein Plan wird, der einen Beitrag zur Deindustrialisierung leistet“, sagte der Wirtschafts- und Energieminister und warnte vor einer „politisch motivierten“ Diskussion über den Ausstieg aus der Kohle.

Ein großes Thema in vielen Industriebetrieben sind die Strompreise. Produktionsbetriebe, die viel Strom verbrauchen, investieren nicht mehr in Deutschland. Die befürchtete Deindustrialisierung gibt es bereits, darauf wiesen Grillo und die Gewerkschaftschefs Hofmann (IG Metall) und Michael Vassiliadis (IG BCE) hin. BDI-Präsident Grillo zufolge leidet die europäische Industrie noch immer unter den Folgen der großen Wirtschaftskrise 2009 – auch deshalb, weil es keine Energiepolitik „aus einem Guss“ gebe. Ebenso wie seine Bündnispartner aus den Gewerkschaften warb der Industrielle Grillo für ein ausgeglichenes Verhältnis bei Vorgaben des Klimaschutzes und überhaupt in der Regulierung. Beispielsweise sei die Autoindustrie „auf Kurs“, um das Ziel von durchschnittlich 95 Gramm CO2/Kilometer bis 2020 zu erreichen. Weitere CO2-Reduzierungen, wie sie derzeit diskutiert würden, seien aber ohne Elektroautos nicht zu erreichen. Und die Elektromobilität wiederum komme nicht in Schwung ohne öffentliche Anschubförderung. In diesem Jahr werde sich entscheiden, ob die Bundesrepublik ein Leitmarkt werde für Elektroautos inklusive Batteriefertigung, sagte Hofmann. Und 2016 werde sich auch entscheiden, ob die Stahlindustrie in Europa eine Zukunft habe.

Der Regulierungsrahmen sowie die „vierte industrielle Revolution“, wie der Metaller Hofmann die Effekte der Digitalisierung auf alle Lebens- und Arbeitsbereiche umschrieb, beschäftigen die Bündnispartner am intensivsten. Doch das überragende und in alle Politik- und Wirtschaftsbereiche ausstrahlende Thema der Industriekonferenz war die Situation der EU. Ein funktionierender Binnenmarkt bleibe die wichtigste Voraussetzung für ein prosperierendes Europa, meinte Grillo mit Blick auf neue Grenzkontrollen. Vassiliadis meinte, Deutschland habe in den vergangenen Jahren Vertrauen verloren in der EU, und das nationale Industriebündnis könne womöglich helfen, die Bundesrepublik und ihre EU-Parter wieder enger zusammenzuführen. Dem Gewerkschafter schwebt ein „soziales Davos“ vor, ein EU-weites Treffen von Arbeitgebern, Verbänden und Gewerkschaften, zu dem das Bündnis für Industrie einladen könnte, um „ein Signal zu setzen“. Alfons Frese

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