Position: Die Ministererlaubnis für Edeka schadet den Verbrauchern
Edeka darf Kaiser’s Tengelmann übernehmen: Eine Entscheidung, die negative Auswirkungen für den Verbraucher hat, sagt Tomaso Duso.
Gut ein halbes Jahr nach dem Nein des Bundeskartellamts hat nun Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel entschieden. Der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka wird eine Ausnahmegenehmigung mit Auflagen erteilt. Die vom Minister verhängten Auflagen zielen ausschließlich darauf ab, alle Tengelmann-Arbeitsplätze zu sichern. Wettbewerbskriterien und damit Konsequenzen für die Verbraucher spielen keine Rolle.
Ausbleiben von Effizienzgewinns, Beseitigung des Wettbewerbs
Die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers, die Fusion zu genehmigen, ist aus Wettbewerbssicht jedoch außerordentlich problematisch.
Die rein politische Natur der Entscheidung zeigt sich auch an ihrem Widerspruch zum Rat und der Expertise des Bundeskartellamts und der Monopolkommission sowie vieler Wettbewerbsexperten. Der größte Anlass zur Sorge ist, dass die von Minister Gabriel angeordneten Auflagen die potenziellen negativen Wirkungen der Fusion auf den Wettbewerb überhaupt nicht berücksichtigen und diese vermutlich noch verschlimmern.
Aus wettbewerbspolitischer Sicht hätte man erwartet, dass Edeka verpflichtet wird, einige Filialen an Dritte zu veräußern, und zwar genau in den Märkten, in denen die Überschneidungen zwischen Edeka und Tengelmann besonders groß sind. Genau das Gegenteil ist nun der Fall. Die Auflage, alle Arbeitsplätze zu erhalten, erzwingt die Erhaltung aller Filialen. Die Folge ist das Ausbleiben von möglichen Effizienzgewinnen bei gleichzeitiger Beseitigung des Wettbewerbs.
Geringeren Produktauswahl für den Verbraucher
Dass die Übernahme der Kaiser’s-Filialen durch Edeka den Wettbewerb auf zahlreichen ohnehin schon stark konzentrierten regionalen Märkten erheblich einschränkt, ist relativ unumstritten. Betroffen wären Gebiete in Berlin, München und Oberbayern sowie Nordrhein-Westfalen. Obwohl man die zu vereinfachte Vorgehensweise des Bundeskartellamts bei der Marktabgrenzung durchaus infrage stellen kann, ist nach heutigem Kenntnisstand in einer Reihe von Märkten mit höheren Preisen und einer deutlich geringeren Produktauswahl für die Verbraucher zu rechnen. Dies hat eine neue Studie für die niederländische Wettbewerbsbehörde gezeigt, an der das DIW Berlin mitgewirkt hat. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass die Fusion der beiden Unternehmen wettbewerbliche Probleme auf den Beschaffungsmärkten zur Folge hat.
Gabriels Entscheidung, insbesondere die von ihm vorgeschlagenen Auflagen, berücksichtigen diese Probleme nicht. Es wird nun ein Zusammenschluss, den die Wettbewerbshüter untersagen wollten, ohne wettbewerbspolitisch relevante Auflagen genehmigt. Es ist besonders bedenklich, dass die von Gabriel vorgeschlagenen Auflagen potenziell weitere negative Folgen für die Verbraucher mit sich bringen. Erstens wird Edeka verpflichtet, ineffiziente Strukturen künstlich zu erhalten. Die potenziellen Effizienzgewinne der Fusion, die zu erwarten gewesen wären – Tengelmann ist der wahrscheinlich ineffizienteste Einzelhändler in Deutschland –, werden daher zulasten der Verbraucher gemindert. Zweitens schützen die von Wirtschaftsminister Gabriel angeordneten Auflagen Edeka für eine lange Zeit vor potenziellen Wettbewerbern, die einige der Filialen hätten übernehmen können, da Edeka diese Filialen in diesem Zeitraum nicht an Dritte veräußern darf.
Arbeitsplatzverlust nur aufgeschoben
Schließlich ist auch das Argument des Bundeswirtschaftsministers nicht schlüssig, dass die rund 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s nur durch einen Zusammenschluss mit Edeka erhalten werden können: Edeka war nicht das einzige Unternehmen, das Interesse an der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann gezeigt hat. Rewe hat vor einigen Wochen erneut ein Angebot vorgelegt. Auch andere Wettbewerber hätten zumindest einen Teil der Filialen übernommen. Hätte der Minister die Fusion nicht genehmigt, wären alternative, für die Verbraucher sicherlich bessere Zusammenschlüsse möglich gewesen, die den Erhalt von Arbeitsplätzen genauso ermöglicht hätten.
Schlussendlich wird das Problem potenziell verlorener Arbeitsplätze nur verschoben. Langfristig steht fest: Edeka wird an den unrentablen Standorten nicht festhalten wollen. Spätestens in fünf Jahren werden diese Arbeitsplätze höchstwahrscheinlich ohnehin verloren gehen. Es bleibt festzustellen, dass diese politische Entscheidung kein Glanzstück der deutschen Wettbewerbspolitik ist, da sie Verbrauchern schadet und Arbeitnehmern nur kurzfristig hilft.
Professor Tomaso Duso ist Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Tomaso Duso