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Bei Pop- und Rockkonzerten hat Eventim eine große Marktmacht.
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Rock- und Popkonzerte: Die Macht von Eventim ist nicht jedem geheuer

Mittlerweile hat der Erfolg des Tickethändlers Eventim sogar das Kartellamt auf den Plan gerufen: Das Unternehmen verkauft nicht nur Konzertkarten, es hat auch Veranstalter gekauft und betreibt die großen Bühnen. Diese Marktmacht missfällt einigen.

Es sind große Namen, die man im Umfeld des Tickethändlers CTS Eventim findet. Edmund Haug etwa. Der Ex-Chef von IBM Deutschland leitet heute den Aufsichtsrat von Europas größtem Verkäufer von Konzert-, Theater- und Sporttickets. Ihm zur Seite stehen zwei Männer, die sich in der Medienwelt einen Namen gemacht haben: Bernd Kundrun, Ex-Vorstandschef von Gruner & Jahr, und Jobst W. Plog, der frühere Intendant des Norddeutschen Rundfunks. So viel Prominenz für einen Kartenverkäufer?

Doch Eventim ist weit mehr als das. Deshalb untersucht jetzt auch das Bundeskartellamt die Marktmacht des Konzerns und seines größten Aktionärs und Chefs Hans-Peter Schulenberg. Über 100 Millionen Veranstaltungstickets vermarktet das Bremer Unternehmen jedes Jahr europaweit. Egal ob Konzert, Show oder Theater, an Eventim kommt man nicht vorbei. Auch wer online Karten für Hertha BSC, Alba, die Berlin Volleys oder die Eisbären ordert, landet bei Eventim und zahlt – etwa bei Hertha – dafür ein bis zwei Euro mehr für das Ticket. Eventim vermarktete die Fußball-WM in Deutschland, ein „Sommermärchen“ mit Schattenseiten. Die Staatsanwaltschaft München prüft Korruptionsvorwürfe.

Die Geschäfte laufen gut für Eventim

Eventim verkauft aber nicht nur Tickets. Mit zahlreichen Übernahmen hat Hans-Peter Schulenberg einen Konzern aufgebaut, der das Veranstaltungsgeschäft rundum organisiert. Eventim mietet große Hallen wie die Lanxess-Arena in Köln und die Waldbühne in Berlin. Die KPS-Gruppe, die ebenfalls von Schulenberg geleitet wird, ist sogar Eigentümerin des Tempodroms in Berlin. An der Hallenmiete wird verdient. Aber das Geschäft ist noch größer. Denn Eventim ist auch noch Veranstalter, ein Geschäft, das Schulenberg mit der Übernahme zahlreicher Konkurrenten wie Marek Lieberberg oder Semmel Concerts ausgebaut hat. Die Geschäfte laufen gut. Gut 628 Millionen Euro Umsatz hat der Konzern 2013 – neuere Zahlen gibt es nicht – gemacht, 2007 waren es nur 384 Millionen. Das Ergebnis vor Steuern hat sich von 2007 bis 2013 mit fast 104 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Der Grund: Veranstaltungen ziehen. Sie waren schon immer die größte Einnahmequelle von Musikern und in Zeiten zurückgehender CD-Verkäufe sind die Auftritte sogar noch wichtiger geworden, meinen viele. Zahlen des Bundesverbandes der Musikindustrie zeigen, dass sich die Umsätze aus CD-Verkäufen seit dem Höhepunkt im Jahr 1997 von 2,3 Milliarden Euro auf etwa eine Milliarde im Jahr 2013 mehr als halbiert haben. Zwar wird argumentiert, dass dafür Streamingdienste wie Spotify oder steigende Downloadzahlen den Künstlern neue Einnahmequellen bescheren. 2013 lagen die Umsätze von Streaming-Diensten jedoch nur bei 68,1 Millionen und die der Musikdownloads bei 257,7 Millionen. Fehlende Erlöse aus CD-Verkäufen kann das nicht kompensieren. Ohnehin verdienen Musiker in Deutschland nach Zahlen der Künstlersozialkasse durchschnittlich nur etwa 12 000 Euro im Jahr.

„An Eventim kommt in der Branche kaum einer vorbei.“

Auf die Erlöse aus ihren Konzerten sind die Musiker also dringend angewiesen. „Weil sich Eventim vor allem im Pop- und Rockbereich über Jahre ein Monopol zusammengeschustert hat, haben sich die Bedingungen für Künstler und Konzertveranstalter aber verschlechtert“, sagt Berthold Seliger. Er ist Tourneeveranstalter aus Berlin und veranstaltet Touren für Künstler wie die Punk- und Rockmusikerin Patti Smith oder die französische Band Bratsch. Seliger sagt: „An Eventim kommt in der Branche kaum einer vorbei.“

Das liegt vor allem daran, dass Eventim nicht nur ein horizontales Monopol hat und in Deutschland 80 Prozent aller Eintrittskarten für Pop- und Rock-Konzerte verkauft. „Weil Eventim auch Veranstalter geschluckt hat, Bühnen betreibt und 14 der 20 größten Festivals in der Hand hat, besitzt das Unternehmen auch ein vertikales Monopol“, meint Seliger. Er als Tourneeveranstalter vertritt normalerweise auch die Interessen der Künstler. „Wenn Marek Lieberberg, der von Eventim gekauft wurde, ein Konzert veranstaltet, wird er keine Allianz mit den Künstlern gegen Eventim formen oder klare Kante zeigen. Das ist schließlich alles eins.“ Durch seine marktbeherrschende Stellung drücke Eventim Künstlern und kleineren Veranstaltern „katastrophalen Bedingungen“ auf, sagt Seliger. Eventim weist solche Vorwürfe zurück. „Unlautere Methoden wenden wir nicht an“, sagte ein Sprecher.

Im Klassikbereich ist der Einfluss geringer

Dass sich das Kartellamt nicht früher intensiv mit Eventim auseinandergesetzt hat, kann daran liegen, dass der Marktanteil des Unternehmens am gesamten Ticketverkauf geringer ist als im Rock- und Popbereich. Bei Klassikkonzerten etwa hat Eventim einen weit kleineren Einfluss. Das Unternehmen tritt bei Orchestern wie den Berliner Philharmonikern nicht als Verkäufer auf, sondern nur als Provider der Software. Das heißt, die Eintrittskarten werden direkt vom Orchester an den Kunden verkauft, ohne dass Eventim eine Vorverkaufsgebühr kassiert. Allerdings bezahlen die Orchester Geld für die Bereitstellung des Verkaufssystems an Eventim. Die Summe bemisst sich nach der Menge der umgesetzten Tickets, bewegt sich pro Karte aber nur im Centbereich.

Tourneeveranstalter Seliger hat einen Weg gefunden, um mit Eventim umzugehen. Zwar muss er dem Unternehmen gezwungenermaßen ermöglichen, seine Tickets vor Ort zu verkaufen. Aber im Netz werden seine Tickets exklusiv von dem Eventim-Konkurrent Ticketmaster vertrieben. Der hat auch einen Bundesligisten unter Vertrag: die Berliner Füchse.

Mitarbeit: Frederik Hanssen

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