Wirtschaft: Die IG Metall in der Isolation
Analyse der Niederlage um die 35-Stunden-Woche/Kritik an Klaus Zwickel und westdeutschen Betriebsräten: Innere Konflikte haben Streikbewegung geschwächt
Berlin (alf). M it einer Mischung aus internem Streit und externen Einflüssen erklärt die IG Metall die Niederlage im Arbeitskampf um die 35Stunden-Woche in Ostdeutschland. Das politische Umfeld habe sich nach dem Scheitern des Bündnisses für Arbeit, den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen sowie der Agenda 2010 so verändert, dass eine „derartige Isolierung der IG Metall“ erfolgt sei. In einer Analyse der Tarifauseinandersetzung heißt es, „die Stimmungsmache gegen die IG Metall nahm während des Tarifkonflikts erheblich zu“.
Die Verfasser der Studie um den designierten IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters räumen ein, „bezüglich der wirtschaftlichen Situation eingeplanter Kampfbetriebe ist es zu Fehleinschätzungen gekommen“. Am selbstkritischsten äußern sich die Gewerkschaftsstrategen über die Einbeziehung des Dresdner Unternehmens Federal Mogul in den Streik. Das sei ein „strategischer Fehler“ gewesen: „Diese problematische Entscheidung hat den Charakter des Arbeitskampfes in einer entscheidenden Phase verzerrt“. Bei Federal Mogul hatte die Geschäftsführung arbeitswillige Mitarbeiter mit einem Hubschrauber über die Streikposten hinweg in den Betrieb fliegen lassen. Obwohl nach Angaben der IG Metall gut zwei Drittel der Federal-Mogul-Belegschaft Mitglied in der Gewerkschaft sind, war die Streikbereitschaft gering; die Streikposten bedurften der Unterstützung durch westdeutsche Metaller.
An mehreren Stellen artikuliert der Bericht des für Tarifpolitik zuständigen Vorstandsbereichs Kritik am ehemaligen Gewerkschaftsvorsitzenden Klaus Zwickel. So habe der von Zwickel initiierte „Strategiewechsel zur Agenda 2010“ während des Arbeitskampfes „zu organisationsinternen Konflikten über die sozialpolitische Strategie“ geführt und dadurch den Arbeitskampf erschwert. Auch habe Zwickel zu verantworten, dass das Tarifgebiet Berlin-Ost und Brandenburg später als ursprünglich geplant in den Arbeitskampf einbezogen wurde, um die seit längerem streikenden Sachsen zu unterstützen und den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen.
„Keine Täuschung“
Ferner wird Zwickel vorgeworfen, wenige Stunden nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen von einer „historischen Niederlage“ gesprochen zu haben. Dadurch sei die Möglichkeit „erschwert“ worden, in den größten Streikbetrieben wie VW Sachsen und dem ZF Getriebewerk Brandenburg einen Haustarif abzuschließen. Und schließlich nimmt die Streikanalyse Stellung zu Zwickels Vorwurf, der Vorstand der Gewerkschaft sei bei der Änderung der Streikstrategie „getäuscht“ worden. Dabei geht es um die Frage, ob der Streikleiter der IG Metall, Hasso Düvel, streikbedingte Arbeitsausfälle in westdeutschen Unternehmen bewusst herbeigeführt habe. Vor allem bayerische BMW-Werke waren durch den Ausfall von Getriebelieferungen aus Brandenburg betroffen, einige Zehntausend BMWler mussten eine Woche kurzarbeiten. Das hatte zu heftiger Kritik westdeutscher Autobetriebsräte an der Streikstrategie geführt. „Die offenkundigen inneren Konflikte in der IG Metall haben zu einer relevanten Schwächung der Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit in einer schwierigen Streik- und Verhandlungssituation beigetragen“, heißt es in der Analyse. Alles in allem sei „das Bild der gespaltenen IG Metall entstanden“.
Die Spaltung der Organisation wurde vertieft und der Machtkampf an der Spitze eskalierte, als Zwickel nach der Niederlage Düvel und Peters Täuschung vorwarf, weil der Vorstand von den beiden Streikverantwortlichen nicht richtig informiert worden sei über einen Wechsel in der Streikstrategie und die Auswirkung auf Westfirmen. In einem chronologischen Abriss versuchen nun die Verfasser der Analyse zu belegen, dass der Vorstand, aber auch Funktionäre in den von Fernwirkung betroffenen Bezirken und Betrieben rechtzeitig informiert worden waren. „Eine Täuschung der Organisation hat während der Tarifbewegung im Osten nicht stattgefunden“, heißt es.
Zwickel, der zehn Jahre die IG Metall führte, war vor wenigen Wochen zurückgetreten, nachdem er es nicht geschafft hatte, seinen designierten Nachfolger und Widersacher Peters zum Rücktritt zu bewegen. Am kommenden Wochenende wird vermutlich Peters auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt zum ersten und der Stuttgarter IG-Metall-Chef Berthold Huber zum zweiten Vorsitzenden gewählt.
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