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Frustriert sei er nach dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 gewesen, sagt Sir Richard Branson.
© picture alliance / dpa

Milliardär Branson über den Klimawandel: "Die Herausforderung ist größer als jeder Krieg"

Der britische Milliardär Sir Richard Branson ruft im Tagesspiegel-Interview die deutsche Industrie zum "Krieg gegen den Klimawandel" auf. Außerdem versucht er, zu erklären, wie sich sein Engagement mit seiner Rolle als Airline-Besitzer verträgt.

Sir Richard Branson, würden Sie sich ein Haus kaufen, das auf einer unterirdischen Kohlendioxid-Blase steht?

Ja, sofern ich den Eindruck hätte, dass es sicher ist.

Hierzulande gibt es Proteste gegen die CCS-Technologie. Sind wir zu ängstlich?

Ein Bedürfnis nach Sicherheit ist völlig normal, wenn neue Technologien aufkommen. Aber vor mehr als einhundert Jahren wollten Menschen auch nicht über U-Bahn-Tunneln leben, vor 30 Jahren hatten wir Bedenken bei Mikrowellen, vor 20 waren es die Handymasten. Jedenfalls scheint mir, nach allem, was ich gelesen habe, CCS sicher zu sein.

Nun hat man sich auf ein Gesetz geeinigt, das es Unternehmen erlaubt, in begrenztem Umfang CO2 einzulagern. Bisher will das aber keiner. Wäre das etwas für Sie?

Ich habe den Wettbewerb „Virgin Earth Challenge“ gestartet, um gleich einen Schritt weiterzugehen und Unternehmer zu motivieren, Lösungen zu finden, wie man CO2 sogar wiederverwenden kann. Ich bin sicher, dass einige unserer Finalisten auf Basis des neuen deutschen Gesetzes ihr Glück versuchen werden.

Sie haben die Initiative „Carbon War Room“ gegründet. Klingt nicht besonders freundlich.

Die Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, sind größer als jeder Krieg. Und wie in Kriegszeiten braucht man eine Einrichtung, die wir im Englischen „War Room“ nennen, wo die besten Köpfe mithelfen, die Schlachten zu schlagen. Daher haben wir die Initiative gegründet – und so getauft.

Was war der Anlass?

Der Klimagipfel von Kopenhagen 2009. Ich war frustriert, dass die Unternehmen nicht wirklich eingebunden waren. Natürlich muss Politik Rahmenbedingungen setzen, aber am Ende können nur die Unternehmen den CO2-Ausstoß senken. Sie sind es ja, die das Zeug produzieren. Sie werden den Ausstoß aber nur senken, mit der Aussicht, damit einmal Geld zu verdienen. So ist die Welt nun mal.

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Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen Sie Deutschland, Mitte der 1990er Jahre. Damals haben Konzerne wie Bosch, Siemens und Krups erkannt, dass es einen Markt für energiesparende Geräte gibt. Entsprechend haben sie ihre Produktion ausgerichtet. Heute ernten sie die Früchte – mit dem Verkauf der effizientesten Haushaltsgeräte der Welt.

Das hat Sie inspiriert?

Jedenfalls habe ich mich jahrelang gefragt, wie man die grüne Wirtschaft ankurbeln kann und warum es so lange dauert. Wir haben mit vielen Unternehmern gesprochen. Alle sagten: Es ist nicht die Politik, auch nicht die Technologie, es ist der Markt! Dort müssen Hemmnisse abgebaut werden, um Kapital zu technischen Lösungen fließen zu lassen. Da setzen wir an. Wir wollen Nachfrage generieren. Also identifizieren wir nicht nur Technologien, sondern suchen auch nach neuen Finanzierungsmodellen.

Wie konkret?

Beispiel Flugbenzin: Da ist die erste Markthürde, dass Airlines gar nicht wissen, was es an Biotreibstoffen gibt. Also werden sie ihn auch nicht im großen Stil kaufen. Unser Carbon War Room schließt diese Informationslücke. In einem zweiten Schritt entwickeln wir Finanzierungsmodelle. Konkret konnten wir mit Banken und Baufirmen Lösungen ausarbeiten, mit denen man in Florida Gebäude im Wert von rund 650 Millionen Dollar energetisch saniert hat.

Wer steckt hinter Ihrer Organisation?

Carbon War Room ist eine nicht-kommerzielle Clean-Tech-Initiative von Virgin Unite, dem gemeinnützigen Zweig der Virgin-Gruppe. Wir haben acht Gesellschafter, die alle Unternehmer sind wie ich. José María Figueres, der ehemalige Präsident von Costa Rica, führt die Geschäfte. Wir haben Teams in Washington, New York und London.

Wie der Klimawandel noch aufzuhalten ist und was das mit der Luftfahrt zu tun hat

Sie laden bald zu einer Konferenz in Berlin. Warum ausgerechnet hier?

Die Veranstaltung Creating Climate Wealth ist eher ein Workshop, bei dem die Teilnehmer mitmachen sollen. Dort wollen wir gemeinsam neue Geschäftsmodelle entwickeln. Berlin war die Wiege des neuen Unternehmergeistes während der industriellen Revolution, also ab den 1880er Jahren in Deutschland. Damals erfanden Pioniere wie Siemens und Bosch die bis dato bekannte Wirtschaft neu! Diesen Geist wollen wir neu beschwören. Konzerne wie Siemens, Bosch und BASF sind heute Technologieführer. Ich hoffe, dass sie mit uns an den großen Lösungen mitarbeiten, um den weltweiten Krieg gegen den Klimawandel zu gewinnen.

Sie loben 25 Millionen Dollar Preisgeld für Vorschläge zur CO2-Einsparung aus. Was für welche sind bisher eingegangen?

Mit dem Preis suchen wir nach nachhaltigen, aber auch skalierbaren Lösungen, mit denen man CO2 aus der Luft holen oder den Ausstoß vermeiden kann. Da gibt es schon jede Menge Konzepte. Uns interessieren aber auch die Altlasten. Nun haben wir eine Liste von 2600 eingereichten Konzepten auf die elf vielversprechendsten reduziert. Da geht es etwa um Biokohle, Bioenergie mit CO2-Bindung, direkte CO2-Bindung aus der Luft, Weidenwirtschaft oder die Reaktion bestimmter Mineralien mit der Luft.

In Europa haben wir doch ein Emissionshandelssystem. Langt das nicht?

Wie immer bei politischen Konzepten, liefert es den Rahmen. Immerhin. Aber dadurch wird nicht der Ausstoß einer einzigen Tonne CO2 vermieden. Wir wollen den nächsten Schritt gehen, Geschäftsmodelle entwickeln, die so ein System überflüssig machen.

Warum wollen Sie ein funktionierendes System abschaffen, bevor es überhaupt in Amerika oder Asien installiert wurde?

Weil es nur ein Konzept ist, wir aber viele Konzepte brauchen. Von Politikern, Unternehmern, Gründern. Wir wollen nicht tonnenweise CO2 reduzieren, sondern millionentonnenweise. Wie wir beim Klimagipfel 2009 erlebt haben, hat die Botschaft vom Klimawandel bei Bürgern und Unternehmen nicht verfangen.

Glauben sie ernsthaft, dass der Klimawandel noch aufzuhalten ist?

Ich bin Optimist. Ich glaube, dass der menschliche Erfindungsgeist allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz eine Lösung bringen kann. Aber ich glaube auch, dass wir das Ganze besser koordinieren müssen, also die besten Köpfe aus Wirtschaft, Finanzwelt, Technologie und Wissenschaft zusammenbringen müssen.

Wie verträgt sich Ihr Engagement mit Ihrem Luftfahrtgeschäft?

Vor sieben Jahren haben wir uns entschieden, die Gewinne aus unserem Transportgeschäft in die Suche nach regenerativen Kraftstoffen zu stecken – und das während der schwersten Krise in der Luftfahrtgeschichte, die vielen Airlines hohe Verluste beschert hat. Dennoch konnten wir mehr als 300 Millionen Dollar in einige Biosprit-Firmen investieren – und eben den genannten Ideenwettbewerb.

Wann wird das erste Flugzeug ohne Kerosin fliegen?

Bisher wurden nur zwei Sorten für den Einsatz zertifiziert – als 50-Prozent-Verschnitt mit konventionellem Kerosin. So ein Prozess dauert Jahre. Insofern wird der erste Flug ohne fossiles Kerosin noch einige Zeit dauern. Allerdings werden immer mehr Airlines das tanken, was die Preise drücken wird.

Agro-Kraftstoffe sind umstritten, weil sie Lebensmitteln Konkurrenz machen.

Wie gut oder schlecht Biosprit ist, hängt natürlich davon ab, aus welchen Stoffen er hergestellt wird. Fortschrittliche Technologien nutzen nicht-essbare Pflanzen oder solche, die auf nicht landwirtschaftlich nutzbaren Flächen angebaut werden. Es ist extrem wichtig, dass wie klar zwischen Erzeugungsformen unterscheiden.

Und wie macht man das?

Zum Beispiel, indem wir nur mit erneuerbaren Kraftstofferzeugern zusammenarbeiten, die von unabhängigen und glaubwürdigen Zertifizierern testiert worden sind. So betreiben wir etwa ein Internetportal für Produzenten und Verbraucher. Dort findet man nur Firmen, die ihren Kraftstoff nicht hauptsächlich mit Biomasse gewinnen – sondern etwa aus Abfällen von Stahlhütten oder Hausmüll. Einige arbeiten sogar an einer direkten Wandlung von Solarenergie in Flüssigkraftstoffe. Wir nennen das Solar-Sprit.

Womit beschäftigen Sie sich eigentlich derzeit am meisten?

Rund drei Viertel meiner Arbeitszeit mit meiner Non-Profit-Organisation Virgin Unite und einigen Organisationen, denen ich beim Aufbau geholfen habe. Neben dem Carbon War Room unterstütze ich auch aktiv die Organisationen The Elders („Die Ältesten“, gegründet von Nelson Mandela, Anm.), die Ocean Elders und die Global Drug Commission. Diese drei Gruppen gehen die größten Probleme der Welt an: Frieden und Aussöhnung, den Schutz der Ozeane und eine überfällige Neujustierung der Debatte um den Krieg gegen die Drogen.

Und was ist Ihr nächstes Abenteuer?

Ich habe gerade mit meinem Sohn Sam und meinen Neffen im Kitesurfen den Ärmelkanal überquert und bin stolz, sagen zu dürfen, dass Sam den Geschwindigkeitsrekord gebrochen hat. Ich war am nächsten Tag dran und habe es - trotz ziemlich heftiger Winde und hoher See – als älteste Person geschafft und habe immerhin den Rekord gebrochen. Nun, wo ich wieder halbwegs abgetrocknet bin, plane ich die nächste Herausforderung. Diesmal wieder mit meiner Familie und irgendeinem Berg vielleicht.

Das Interview wurde schriftlich geführt. Die Fragen stellte Kevin P. Hoffmann

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