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Lebensmittel im Müll. Die Deutschen werfen viele Waren voreilig weg.
© dpa

Lebensmittel: Die große Verschwendung

Jedes Jahr landen in Deutschland rund 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Vieles davon könnte man noch verzehren. Warum gehen wir so achtlos mit dem Essen um? Und was können und sollten wir ändern?

Eine gigantische Zahl: Jedes Jahr landen in Deutschland geschätzte 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Genug, um damit den Müggelsee zu füllen. Oder täglich, zwei Wochen lang, das Berliner Olympiastadion. Während andernorts auf der Welt Hunger herrscht, wirft pro Jahr jeder Deutsche Lebensmittel im Wert von rund 330 Euro in den Müll – viele Packungen noch originalverpackt und ungeöffnet.

Filme wie „We Feed the World“ oder der kürzlich angelaufene „Taste the Waste“ prangern die massenweise Verschwendung von Nahrungsmitteln an, aber auch die Politik hat das Thema inzwischen entdeckt. Am vergangenen Donnerstag erklärte die EU-Kommission, dass sie gegen die Lebensmittelverschwendung kämpfen wolle. Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordert ein Umdenken. „Wir können uns das Wegwerfen nicht länger leisten“, mahnt die CSU-Politikern. Das sei nicht nur ein ökonomisches oder ökologisches, sondern auch ein moralisches Problem. Als Mitstreiter hat Aigner Deutschlands prominentesten Restaurantkritiker, Christian Rach, gewonnen. „Wir schwelgen im Überfluss, und wir wertschätzen das einzelne Produkt nicht mehr“, kritisiert der Sternekoch.

ESSEN IST BILLIG

Dass es an der Wertschätzung für Lebensmittel fehlt, liegt nicht zuletzt daran, dass Milch, Saft, Fleisch oder Käse hierzulande außergewöhnlich billig sind. In keinem anderen Land gibt es so viele verschiedene Discount-Märkte wie in Deutschland. Die Discounter legen die Preise vor, andere Supermarktketten versuchen mitzuhalten. Konsequenz: Im Durchschnitt geben die Deutschen gerade einmal elf Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus, bei einem Single-Haushalt sind das 157 Euro im Monat, vier Personen kommen auf 467 Euro. Zum Vergleich: Bei Italienern gehen im Schnitt 19 Prozent des Einkommens für Lebensmittel drauf, in Frankreich 15 Prozent.

WAS BILLIG IST, IST NICHTS WERT

Das Problem: Was billig ist, landet auch schneller im Mülleimer – oder bei den Tafeln, die Bedürftige unterstützen. Eintausend Tonnen Lebensmittel erhält allein die Berliner Tafel im Monat von den Handelsketten. 660 Tonnen davon werden an die rund 125 000 Bedürftigen verteilt, der Rest ist wirklich Abfall und landet im Müll. Doch die Menge schrumpft. „Die Händler haben durch uns bemerkt, wie viel sie verschwenden“, sagt eine Sprecherin der Berliner Tafel. Nun würden die Lebensmittelketten gezielter disponieren und weniger Frischware einkaufen, berichtet die Sprecherin. Zudem habe sich auch die Einstellung des Handels gegenüber dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) geändert. „Es gibt kaum noch Supermärkte, die Produkte vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum wegwerfen. Die Sachen werden bis zuletzt angeboten, notfalls zu reduzierten Preisen“, heißt es bei der Berliner Tafel. Auf gerade einmal ein bis zwei Prozent beziffert der Handel selbst den Schwund, der der Branche durch abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdaten entsteht (siehe Interview).

HALTBAR ODER NICHT?

Anders die Verbraucher: Rund 84 Prozent der Bürger werfen Lebensmittel in den Müll, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Ware verdorben ist. Das ergab eine Umfrage des Bundesverbraucherministeriums. Oft landet Essen unnötigerweise in der Mülltonne. Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nur eine Garantie des Herstellers, dass das Produkt „unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften behält.“ So steht es in der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Das heißt: Auch nach der Frist kann das Lebensmittel weiterhin verzehrt werden, man muss halt probieren, ob es noch in Ordnung ist. Anders sieht die Sache aus, wenn die Ware mit einem Verzehrdatum versehen ist, wie das bei leicht verderblichen Lebensmitteln wie Hack- oder Geflügelfleisch der Fall ist. Nach Ablauf des Verzehrdatums heißt es: Finger weg!

EINKAUFEN MIT PLAN

Aber was kann man sonst noch tun, um weniger Lebensmittel zu verschwenden? 19 Prozent der Verbraucher gaben in der Umfrage des Verbraucherministeriums zu, dass sie zu große Packungen kaufen oder zu viele Waren in ihren Einkaufswagen packen. Das Ministerium empfiehlt daher, vor dem Einkauf genau zu kontrollieren, was man noch zu Hause hat und was man wirklich braucht. Das klingt banal, kann aber helfen, Geld und Ressourcen zu sparen. Wer in der Kantine isst, braucht weniger Vorräte im Kühlschrank. Auch der Kauf von Großpackungen lohnt sich nicht, wenn ein Teil später im Müll landet. Wenn wirklich mal was übrig bleibt, sollte man versuchen, aus den Resten Leckeres zu kochen, empfiehlt das Ministerium.

Kochen ist ein Thema für sich. Heute wissen viele nicht mehr, wie das geht. Auch das ist ein Problem. Sternekoch Rach möchte daher möglichst schon die Kinder am Herd sehen. „Wir brauchen nicht für alle Integralrechnung“, gibt er zu bedenken, „wohl aber eine Ernährungslehre“.

Jana Gioia Baurmann, Heike Jahberg

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