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Die Finanztransaktionssteuer schafft keine Finanzstabilität, sagt Hans Reckers.
© Doris Spiekermann-Klaas

Öffentliche Banken: "Die Grenze der Belastbarkeit ist in Sicht"

Hans Reckers kennt Finanzministerium und Kanzleramt von innen. Inzwischen ist er Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Öffentlicher Banken. Mit dem Tagesspiegel spricht er über Schuldenkrise und Regulierung.

Herr Reckers, die Politik verliert offenbar die Geduld mit den sparunwilligen Griechen. Kann man das Land pleitegehen lassen?

Eine Pleite wäre ein schwerer Einschlag in die Finanzmärkte. Sowohl Griechenland als auch einige andere EU-Staaten müssen jetzt ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Kreditwürdigkeit wiedergewinnen. Das wird ein langer Weg, die Sanierung ist aber die einzige Option.

Ist Griechenland ein Fass ohne Boden?

Nein. Bei einer Sanierung, ob bei einem Staat oder einem Unternehmen, wird es immer zunächst schwieriger, bevor es wieder aufwärtsgeht. Durch harte Sparmaßnahmen fällt natürlich Nachfrage aus, die Wirtschaft schrumpft. Doch eines Tages wird das Land einen stabilen Boden erreichen, wachsen und damit auch wieder wettbewerbsfähig und kreditwürdig werden.

Könnten die deutschen Banken eine Pleite Griechenlands verkraften?

Griechenland ist doch nur ein Teil eines größeren Problems. Andere EU-Länder haben ja auch Probleme, sich auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren. Eine Staatspleite Griechenlands könnte allerdings eine unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen. Daran kann niemand Interesse haben, bei allen berechtigten Forderungen an die Adresse der Griechen.

Muss es im Herbst ein drittes Rettungspaket geben?

Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland und andere EU-Länder schon jetzt mit riesigen Summen helfen – aus den Hilfsprogrammen, den Rettungsfonds und den Forderungen im Rahmen des Zahlungsverkehrs. Die Grenze der Belastbarkeit ist in Sichtweite.

Wäre es nicht sinnvoll, statt immer neuen Rettungspaketen eine Pleite zu riskieren und Banken, die daraufhin in Schieflage geraten, zu verstaatlichen?

Nach dem europaweiten Stresstest für die Banken müssen die Institute ihr Eigenkapital um 115 Milliarden Euro erhöhen. Damit leistet die Branche schon eine Menge. Würde ganz Südeuropa angesteckt, hätten wir dennoch eine andere Situation.

Hätte ein solches Szenario auch Folgen für die Realwirtschaft?

Zum Teil gibt es die bereits. Das Wachstum in vielen Ländern ist deutlich zurückgegangen, in einigen schon ins Minus. Deutschland steht vergleichsweise gut da, weil unsere Industrie sehr wettbewerbsfähig ist und die Regierung eine solide Finanzpolitik betreibt.

Ist es richtig, dass die Europäische Zentralbank mit ihren Anleihekäufen die angeschlagenen Länder stützt?

Anleihekäufe sind eine Möglichkeit im Instrumentenkasten der Notenbanken. Es ist eine unerfreuliche, aber unvermeidliche Maßnahme. Es wäre unverantwortlich, wenn sich die Notenbanken überhaupt nicht an der Krisenbewältigung beteiligten.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält es nicht für die Aufgabe der Zentralbank, die Staatsfinanzen zu sanieren.

Damit hat er vollkommen recht. Es ist aber durchaus Aufgabe der Zentralbank, für Finanzstabilität zu sorgen. Das erfordert in Krisenzeiten ungewöhnliche Maßnahmen. Die Notenbank entscheidet darüber unabhängig, aber in Kooperation mit den Regierungen. Und wir sollten froh darüber sein, dass wir diese Form der Kooperation haben.

Was billiges Geld und eine Transaktionssteuer anrichten können

Die EZB überschwemmt daneben die Banken mit billigem Geld. Kann das immer so weitergehen?

Billiges Geld ist ein großes Problem. Solange wir nicht aus der Krise heraus sind, brauchen wir billiges Geld, um eine Kreditklemme zu vermeiden und die Liquidität der Märkte zu erhalten. Aber das kann keine Geldpolitik auf Dauer sein.

Wie lange werden wir sie noch brauchen?

Das ist nicht absehbar. Sowohl manche Staaten als auch die Privathaushalte einiger Länder müssen erst wieder kreditwürdig werden. Dabei müssen wir darauf achten, dass sich durch das billige Geld keine neue Vermögensblase aufbaut wie vor der Krise im US-Immobilienmarkt.

Um Finanzkrisen zu vermeiden, will die Regierung jeden Akteur und jedes Finanzprodukt regulieren. Hat sie Erfolg?

Ich finde, man ist da schon weit gekommen, wenn auch noch nicht alles umgesetzt ist. Allein auf der G-20-Ebene gab es ja etwa 40 wichtige Punkte. Ein neuer und besserer Ordnungsrahmen für das Finanzwesen zeichnet sich ab. Man muss aber aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Die Regulierung darf die Banken nicht erdrücken.

Inwiefern?

Jede neue Regel muss mehr Stabilität für das Bankenwesen bringen und nicht nur mehr Bürokratie schaffen. Richtig sind höhere Eigenkapitalvorschriften oder mehr Transparenz. Aber die Finanztransaktionssteuer halte ich für falsch. Da geht es allein um höhere Einnahmen für den Staat, nicht um den Schutz vor Krisen.

Die Steuer soll hoch spekulative Geschäfte eindämmen. Ist das falsch?

Auch spekulative Geschäfte können sinnvoll sein. Sie zeigen, wie der Markt bestimmte Risiken einschätzt und welche Preise dafür aufgerufen werden.

Bei der Finanztransaktionssteuer sind die Briten der größte Bremser. Sind Sie darüber froh?

Die Briten sind zu Recht gegen eine Finanztransaktionssteuer. Sie achten stark auf die Interessen ihres Finanzplatzes. Davon können wir Deutsche ein Stück weit lernen. Die Politik muss stärker darauf achten, dass die besondere Drei-Säulen-Struktur im deutschen Bankensystem bei der Regulierung stärker beachtet wird.

Wird durch die höheren Eigenkapitalanforderungen die Kreditvergabe zurückgehen?

In manchen Bereichen ja. Ich glaube nicht, dass wir eine generelle Kreditklemme bekommen, aber die Anschlussfinanzierungen für manche Finanzierungsformen zum Beispiel in der Projektfinanzierung werden nicht einfach sein.

Vor der Staatsschulden-Krise standen die Landesbanken am Pranger, weil sie durch Spekulationen Milliardenverluste eingefahren haben. Sind Sie froh, dass nun alle über Griechenland reden?

Die Debatte folgt den Problemen. Die öffentlichen Banken stehen mittlerweile erheblich besser da. Die landeseigenen Förderbanken sind derzeit gefragt und tragen mit ihren Förderprogrammen zur Stabilisierung der Wirtschaft bei. Und die Landesbanken stehen schon wieder sehr viel besser da.

Es hieß lange, die Landesbanken haben kein Geschäftsmodell, allenfalls zwei bis drei seien nötig.

Diese Einschätzung ist falsch. Denn in Sachen Fusionen ist bei den Landesbanken bereits viel passiert. Die Landesbanken haben zudem ihre Risikoaktiva reduziert, ihre Bilanzen zurückgeführt und sich neu aufgestellt. Dass ihre Geschäftsmodelle tragfähig sind, hat die EU-Kommission bestätigt. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Landesbanken rund ein Viertel der Mittelstands- und Unternehmensfinanzierung in Deutschland tragen.

Weitere Fusionen wird es also nicht geben?

Das ist schwer abzuschätzen. Man kann das nicht ausschließen, aber kurzfristig ist kein weiterer Schritt absehbar.

Das Gespräch führten Carsten Brönstrup und Carla Neuhaus.

Hans Reckers (58) ist seit August 2011 Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), der die Landes- und Förderbanken vertritt.

Der gebürtige Emsländer arbeitete nach dem Jurastudium im Bundesfinanzministerium und im Bundeskanzleramt. Unter Georg Milbradt (CDU) war er Staatssekretär im sächsischen Finanzministerium.

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