Streit der Bahn-Gewerkschaften: Die GDL will reden – jetzt droht die EVG mit Streik
Eine Ende des Tarifkonflikts bei der Bahn ist nicht in Sicht. Nach 75 Stunden Streik will die Lokführergewerkschaft GDL verhandeln - doch die konkurrierende EVG ist "bereit zu kämpfen".
Erst streiten sich zwei, und dann freut sich nicht mal der Dritte. So verfahren ist die Lage im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn: Während sich der Staatskonzern und die Lokführergewerkschaft GDL kommende Woche zu neuen Gesprächen treffen wollen, meldet nun die größere Konkurrenz-Gewerkschaft EVG Vorbehalte an. „Die EVG wird an keinen Tarifverhandlungen teilnehmen, die das Ziel haben, Tarifkonkurrenz im Unternehmen DB AG festzuschreiben“, sagte der Vorsitzende Alexander Kirchner am Mittwoch. Seine Gewerkschaft kämpfe seit Jahrzehnten für das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – dieses Ziel sei so wichtig, „dass wir bereit sind, dafür auch zu kämpfen“.
Das ist eine kaum verhohlene Streikdrohung. Hintergrund ist, dass die Bahn die GDL zu Gesprächen ohne Vorbedingungen eingeladen hat – was bedeutet, dass man sowohl über Lokführer als auch über Zugbegleiter reden will. Bislang war für die Bahn Voraussetzung für derlei Gespräche, dass die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten gleich geregelt werden, egal welcher Gewerkschaft sie angehören. Tarifkonkurrenz könnte die Belegschaft spalten und die Lohnkosten in die Höhe treiben – deshalb sollten GDL und EVG ein Verfahren finden, das die Zuständigkeit regelt.
Die GDL hatte diese Bedingung als „Tarifdiktat“ und Einschränkung der Grundrechte kritisiert. Mit dem Verzicht auf eine schriftliche Erklärung zur Tarifeinheit wolle man die Gesprächsbereitschaft der GDL nach dem jüngsten, 75-stündigen Streik nutzen, sagte eine Bahn-Sprecherin. Man halte aber daran fest, keine unterschiedlichen Regelungen für eine Berufsgruppe vereinbaren zu wollen. Bis zu den Gesprächen in der kommenden Woche werde es keine Streiks geben, hieß es derweil bei der GDL. Die Hoffnung der Bahn ist, mit den Gewerkschaften Vereinbarungen zu treffen, nach denen beide ihre Eigenständigkeit wahren, die aber mit Blick auf die Arbeitsbedingungen weitgehend identisch sind. Die EVG indes verlangt, die Tarifeinheit zu wahren – also pro Betrieb nur ein Abkommen zu schließen, das für alle Beschäftigten gilt. Man werde an Gesprächen nur teilnehmen, wenn sich alle Beteiligten dazu bekennen, sagte Kirchner.
Derweil wird der Richtungsstreit innerhalb der GDL schärfer. Nachdem Manfred Schell, bis 2008 Vorsitzender, seinen Nachfolger Claus Weselsky scharf kritisiert hatte, brachte dieser einen Ausschluss Schells ins Spiel. „Wenn seine Ortsgruppe einen Antrag stellt, ihn rauszuwerfen, werden wir im Vorstand bestimmt nicht dagegen sein“, sagte er der „Zeit“. „Unsere Leute wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben.“ Schell kritisiert, dass Weselsky die GDL in eine Sackgasse manövriert habe. Carsten Brönstrup