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Schiene gegen Straße - lange stand die Bahn unter einem besonderen Schutz, doch seit Anfang 2013 spürt sie die wachsende Konkurrenz der Fernbusse.
© dpa

Interview mit Verbandschef Steinbrück: "Die Fernbuspreise sind am unteren Limit"

Wolfgang Steinbrück, Präsident der Busunternehmer, über die Konkurrenz der Fernbusse, den Angriff der Post und neue Haltestellen.

Herr Steinbrück, der Wettbewerb bei Fernbussen wird immer härter. Wann gibt es die ersten Pleiten?
Seit der Marktöffnung zu Jahresbeginn hat sich die Zahl der Buslinien deutschlandweit verdoppelt auf rund 160. Weitere 60 stehen vor der Genehmigung. Uns ist auch klar, dass dieser Markt nicht unbegrenzt viel hergeben wird. Die Preise reichen ja niemandem zum Leben. Der Mittelstand beobachtet ganz genau, wer alles durchhalten wird.

Ist das also nur ein Strohfeuer?

Derzeit kaufen sich die Anbieter Marktanteile. Aber die Fahrgastzahlen steigen, die Auslastung der Busse liegt branchenweit bei etwa 40 Prozent. Das ist schon ordentlich.

Aber erst ab 50 Prozent gilt eine Linie als profitabel.

Ja, das kommt hin. Aber es gibt noch Nischen. Der Verbraucher profitiert von der Konkurrenz. Dass die Preise spürbar weiter sinken, glaube ich nicht – sie sind vielerorts bereits am unteren Limit. Da ist nicht mehr viel Luft. Aber das Niveau wird sehr moderat bleiben, und zwar auf Dauer.

Wie kommt man in den Markt?

Es gibt drei Modelle: Startups betreiben eine Buchungsplattform und beauftragen Busfirmen mit den Fahrten. Andere haben sich zusammengeschlossen und bedienen Strecken. Wieder andere, so wie ich, fahren auf eigene Rechnung und nutzen eine gemeinsame Buchungsplattform.

Demnächst wollen Post und ADAC landesweit antreten. Haben Sie Angst?

Für den Mittelstand wird das auf jeden Fall schwierig. Die werden mit Kampfpreisen kommen, und zwar flächendeckend – die bestellten 200 Busse könnten für einige Dutzend Linien reichen. Das macht uns große Sorgen.

Warum?

Bestehende Linien werden unter Beschuss geraten. Ich finde das problematisch: Die Post, die zu Teilen dem Staat gehört, nutzt ihre Monopolgewinne, um erfolgreiche Mittelständler aus dem Markt zu drängen. Von Chancengleichheit kann man da nicht sprechen. Wir werden sehr genau aufpassen, wie Post und ADAC agieren.

Inwiefern?

Beide kaufen zwar Busse auf eigene Rechnung, beauftragen aber Subunternehmer mit den Fahrten. Es darf nicht dazu kommen, dass kleine Firmen von großen Unternehmen ausgebeutet werden können. Das kennt man ja aus dem Paketgeschäft – viele der Lkw-Firmen, die für Global Player gefahren sind, gibt es heute nicht mehr. Wenn kleine Unternehmen an die Wand gespielt werden, muss die Politik dem Einhalt gebieten.

Die Bahn macht Ihnen keine Sorgen?

Die Bahn hat uns zugesagt, nicht aggressiv zu expandieren. Nur dort, wo das Schienennetz Lücken hat, soll es IC- Busse geben. Wir freuen uns, wenn die Bahn den Mittelstand einbezieht.

Wer fährt mit dem Bus?

60 Prozent der Kunden sind junge Leute, meist preissensible Studenten. Die kommen nicht von der Bahn, sondern haben bislang Mitfahrzentralen genutzt. 40 Prozent sind Senioren, die sich eine längere Strecke mit dem Pkw nicht mehr zutrauen.

Gibt es einen Wettbewerb um Qualität?

Die Standards sind überall hoch. Die meisten Busse sind mit zwei Fahrern bestückt angesichts der langen Strecken, es gibt Snacks und Getränke. Bei den meisten wird das Gepäck vom Personal verstaut, bei einigen müssen allerdings die Fahrgäste selber ran.

Das Image des Busses war bislang ein wenig schmuddelig.

Das geht zurück auf Werbe- und Verkaufsfahrten oder schwarze Schafe in der Branche. Durch die Liberalisierung haben wir einen Image-Schub bekommen. Ein Bus ersetzt 30 Pkws. Mit einem Dieselverbrauch von 1,3 Litern pro Person und 100 Kilometer ist er das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Bei neuen Motoren nach Euro-6-Norm ist die Luft am Auspuff sauberer als die, die vorne angesaugt wird.

Beim Tüv fällt jeder siebte Bus mit erheblichen Mängeln durch.

Das muss man einordnen. Ein Prüfer stellt schon einen erheblichen Mangel fest, wenn ein Blinker nicht funktioniert, der nächste übersieht eine defekte Leitung und stellt keine Mängel fest. Bei meinen knapp 60 Bussen wüsste ich nicht, dass da mal einer beim Tüv durchgefallen wäre. Die Vorschriften sind strikt: Einmal im Vierteljahr muss jeder Bus zur Untersuchung, einmal im Jahr ist eine Hauptuntersuchung fällig.

Der ZOB in Berlin muss erweitert werden

Die Politik muss den Mittelstand schützen, meint Wolfgang Steinbrück.
Die Politik muss den Mittelstand schützen, meint Wolfgang Steinbrück.
© Doris Spiekermann-Klaas

Angeblich beschäftigen einige Firmen ausländische Fahrer zu Niedriglöhnen. Wissen Sie etwas darüber?

Wir haben schnell gemerkt, dass man keine exquisiten Leute bekommt, wenn man nur Dumpinglöhne zahlt. Die Kunden sind zwar preisbewusst, aber auch sehr sensibel. Wenn ein Fahrer nicht freundlich ist, sind die sofort weg. Die Stundenlöhne liegen bei zehn bis 15 Euro, und es ist immer noch schwer, dafür gutes Personal zu finden. Ich habe Ende Mai zehn spanische Fahrer eingestellt, natürlich zum gleichen Lohn wie hier, weil ich einfach kein anderes Personal gefunden habe.

Wie streng sind die Kontrollen?

Das Bundesamt für Güterverkehr ist oft auf Autobahnparkplätzen oder Raststätten unterwegs. Das finde ich gut, wir brauchen einheitliche Standards. Nach sechs Tagen Arbeit muss es mindestens 24 Stunden Pause geben. Dank der elektronischen Fahrtenschreiber ist transparent, wie lange jemand am Steuer sitzt – Manipulationen sind da nicht möglich.

Wieso müssen Eisenbahn und Lastwagen Maut zahlen, Fernbusse aber nicht?

Weil der Bus so umweltfreundlich ist. Und mit der Öko- und der Mineralölsteuer sind wir schon genug belastet.

Die zahlt die Bahn auch.

Uns schmerzt die Belastung deutlich mehr. Ohnehin bekommt die Bahn eine Reihe von Subventionen und Zuschüssen vom Bund, die darf sich nicht beklagen.

Wie wird sich das Angebot in Berlin entwickeln?

Berlin ist Deutschlands größte Stadt, hier tummelt sich jeder, der im Fernbus-Markt aktiv ist. Jetzt werden zunehmend mittelgroße Städte ans Netz angebunden – Hannover, Leipzig, Dresden, Frankfurt am Main, das Ruhrgebiet. Zusätzlichen Bedarf gibt es noch bei kleineren Städten, die nicht nahe einer Autobahn liegen. Allerdings müssen viele Städte dringend mehr für ihre Busstationen tun.

Wieso?

Der ZOB in Berlin funktioniert gut, muss aber erweitert werden, weil er aus allen Nähten platzt. Viele Städte lehnen Haltestellen in der Innenstadt ab und wollen die Busse vor den Toren der City lassen. Das bringt natürlich nicht viel. Die Leute müssen ja umsteigen können in die Bahn, oder aus dem Umland die Haltestelle überhaupt erreichen.

Woran liegt das?

Die Städte scheuen den Bau neuer Haltestellen, weil ihre Kassen leer sind. Sie verlangen, dass wir selbst für Abhilfe sorgen. Das wäre absurd – dann könnten ebenso gut Air Berlin und die Lufthansa den BER bauen. Die Städte müssen umdenken – durch eine Anbindung an das Busnetz kommen ja Leute in die Stadt, die sonst nicht kommen würden. Elektronische Anzeigen, eine Besetzung rund um die Uhr, Barrierefreiheit – solche Standards brauchen wir. Bund, Länder und Kommunen dürfen sich nicht aus der Verantwortung zurückziehen.

Muss es eine zusätzliche Haltestation im Ostteil Berlins geben?

Finde ich nicht. Bei zwei Haltepunkten in einer so großen Stadt verliert ein Bus enorm viel Zeit, wenn er beide ansteuert, etwa eine Stunde. Das wäre schwierig für unser Personal, und viele Fahrgäste wären auch nicht eben begeistert.

Die Politik hat die Fahrgäste nur mit sehr übersichtlichen Passagierrechten ausgestattet. Muss man hier nachbessern?

Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Bus den Fahrplan wegen Staus nicht einhalten kann. Die meisten Unternehmer einigen sich dann aber ohne Streit mit dem Kunden und spendieren ihnen etwa günstige Tickets für die nächste Fahrt. Da brauchen wir keine Intervention des Gesetzgebers. Man darf ja nicht vergessen, dass die Wirtschaftskraft unserer Unternehmen nicht unendlich ist.

Zur Person

Der Unternehmer

Wolfgang Steinbrück (59) besitzt ein Bus-Unternehmen in Gotha mit rund 60 Fahrzeugen und 110 Beschäftigten. Er hat die Firma 1977 von seinen Großeltern übernommen und ist inzwischen auch im Fernbus-Markt aktiv. Zugleich ist Steinbrück Präsident des Bundesverbandes Deutscher Omnibus-Unternehmen, in dem rund 3000 Betriebe der Branche organisiert sind.

Der Markt

Seit Anfang 2013 ist der Fernbus-Markt liberalisiert. Zuvor gab es Begrenzungen, um die Eisenbahn vor Konkurrenz zu schützen. Nur der Verkehr von und nach Berlin war wegen der Teilung auch für Busunternehmen geöffnet. Die Liberalisierung hat binnen kurzer Zeit einen heftigen Konkurrenzkampf entstehen lassen. Derzeit ist noch offen, wie viele Firmen das durchhalten können.

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