TTIP: Die Ernährungsindustrie schwört auf Freihandel
Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA polarisiert. Umweltschützer, Gewerkschaften und Politaktivisten sind dagegen, die deutsche Ernährungsindustrie aber setzt große Hoffnungen in TTIP und geißelt "anti-amerikanische Stereotype".
TTIP und kein Ende. Die einen wollen das geplante Freihandelsabkommen zu Fall bringen, bevor es überhaupt einen Vertrag gibt. Anderen kann es gar nicht schnell genug gehen, das Abkommen abzuschließen Dazu gehört die deutsche Ernährungsindustrie. Mit über 500 000 Beschäftigten und knapp 6000 Betrieben ist sie der viertgrößte Industriezweig in Deutschland. Jeder dritte Euro wird bereits im Ausland verdient, und es soll noch mehr werden, sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BVE. Ein Weg dahin: das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. Schon heute sind die Vereinigten Staaten nach China der zweitwichtigste Exportmarkt außerhalb der Europäischen Union. Mit dem Freihandelsabkommen würden die USA für die deutschen Lebensmittelhersteller noch interessanter, meint der BVE und verweist auf eine neue, repräsentative Umfrage unter 400 Mitgliedsunternehmen. Danach erwarten 47 Prozent der Firmen höhere Exporte, besonders die Produzenten von Backwaren und Molkereiprodukten versprechen sich einiges von der neuen Handelsfreiheit - die andere verhindern möchten.
Bürgerinitiative gegen TTIP
So bereiten 109 Organisationen aus 17 EU-Ländern derzeit ein Bürgerbegehren gegen die Freihandelsabkommen zwischen EU und USA (TTIP) sowie EU und Kanada (CETA) vor. Die europaweite Unterschriftensammlung soll im September beginnen. Die Verbände verlangen, das Verhandlungsmandat für TTIP aufzuheben und das schon ausverhandelte CETA nicht zu verabschieden. Sie befürchten „Gefahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, etwa durch die geplanten Investor-Staat-Schiedsverfahren, und die Aushöhlung von Umwelt- und Verbraucherstandards. Die internationalen Verhandlungen kritisieren sie als höchst intransparent.
Für eine europäische Bürgerinitiative sind mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Ländern nötig. Die EU-Kommission ist nicht verpflichtet, dem Anliegen nachzukommen, sie muss sich aber ausführlich damit befassen und ihre Entscheidung für oder gegen das Begehren begründen. Zu dem Bündnis der Kritiker gehören unter anderem Attac, Campact, „Mehr Demokratie e.V.“, der Naturschutzbund Deutschland, der BUND und das Umweltinstitut München. Auch „Brot für die Welt“, der Deutsche Kulturrat, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und weitere Organisationen in Deutschland haben sich angeschlossen.
"Anti-Amerikanische Stereotype"
In der Ernährungsindustrie kann man das nicht nachvollziehen. "Die Vorteile geraten aus dem Blick", sagte BVE-Hauptgeschäftsführer Minhoff am Dienstag in Berlin. Den Kritikern unterstellt der Ex-Journalist "anti-amerikanische Stereotype". Denn anders als behauptet, würden europäische Verbraucherschutzstandards nicht gesenkt. Und auch die umstrittenen Investitionsschutzabkommen stören die Branche nicht. Es existierten bereits über 100 solcher Abkommen, heißt es beim Verband, bisher hätten deutsche Firmen damit keine Probleme gehabt. Beim BVE sieht man vor allem Chancen. Der Abbau von Bürokratie würde vor allem den kleinen und mittleren Firmen helfen, ihre Exporte auszuweiten. Mehr Wachstum, mehr Innovationen, neue Arbeitsplätze, das verspricht sich die Ernährungsindustrie von TTIP. "Doppelkontrollen bei der Zulassung von Betrieben entfallen", schwärmt Stefanie Lehmann, Außenhandelsexpertin des Verbands, "auch die Kennzeichnungen werden leichter". Heute müssten deutsche Unternehmen teilweise bis zu 50 unterschiedliche Etiketten drucken, wenn sie ihre Waren in den USA verkaufen wollen. Für Fleischproduzenten gelten noch weitere Hindernisse. Kein Wunder, dass sich über ein Drittel der Fleisch- und Wurstproduzenten steigende Exporterlöse erhoffen, wenn TTIP in Kraft treten sollte.
Vor Importen aus den USA haben die deutschen Lebensmittelfirmen keine Angst. Deutschland ist einer der härtesten Märkte auf der Welt, meint Lehmann, wer sich hier bewährt, kann auch gegen die Konkurrenz aus den USA bestehen. Auch Kritik am Verhandlungsstil der EU-Kommission will der BVE nicht zulassen. Von Geheimverhandlungen könne keine Rede sein, meint Minhoff: "Völkerrechtliche Verträge werden doch auch sonst nicht öffentlich auf dem Alex verhandelt." mit epd