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Ab nach Malle. Deutsche Urlauber am Strand an der Plaja de Muro im Norden der Mittelmeerinsel Mallorca.
© picture alliance / dpa

Kayak-Chef im Interview: „Die Deutschen bleiben eher im Land“

Reisesuchmaschinen-Chef Stefan Petzinger über Zika und Terror, den Kampf um Talente und warum Berlin nicht Silicon-Valley ist.

Von Maris Hubschmid

Von Expedia über Ab-in-den-Urlaub bis Fluege.de: Man muss nicht den Eindruck haben, es gäbe zu wenig Reiseportale in Deutschland. Wieso braucht es da noch Kayak, Herr Petzinger?

Wir haben keine eigenen Angebote wie Expedia, sondern sind ein Service, der das Netz nach Reiseangeboten durchsucht. Wir sehen uns als Technologieunternehmen, das im Reisebereich tätig ist. Wir entwickeln Filter und Planungstools. Dabei beschränken wir uns nicht auf einen Aspekt, sondern decken neben Flügen Hotels, Mietwagen, Pauschalreisen und neuerdings auch Ferienhäuser ab.

Auch Trivago und Opodo sind sogenannte Metasuchmaschinen. Sie haben 2010 Swoodoo gekauft. Greifen letztlich nicht alle auf die selben Daten zu?

Ja und nein. Geschwindigkeit spielt eine große Rolle – wir fragen die Preise in Echtzeit ab. Eventuelle Mehrkosten für Kreditkartengebühren rechnen wir direkt mit ein, wenn Sie den Filter dementsprechend einstellen. Wir arbeiten mit den Daten also noch weiter, um sie besser nutzbar zu machen. Was Sie bei Swoodoo und Kayak finden ist grundsätzlich das gleiche, nur anders aufbereitet, das stimmt.

Weshalb haben Sie die Seiten nicht zusammengelegt?

Darüber haben wir immer wieder nachgedacht. Kayak ist international der größere Name, aber die Deutschen sind nicht so leicht umzugewöhnen. Anders gesagt: Sie sind sehr loyal, wenn man sie einmal begeistert hat. Wir müssen hier sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen als anderswo, um die Leute zu kriegen. Swoodoo liegt deutlich vorne. Ich denke, es ist Platz für beide Seiten.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?

Das basiert auf zwei Säulen: Zum einen können Reiseanbieter bei uns Anzeigen schalten und das sehr gezielt. Zum anderen bekommen wir Provisionen, wenn wir Traffic auf andere Seite lenken. Den Löwenanteil unserer Anfragen machen Flüge aus, mehr Geld verdienen wir aber mit Hotels. Die Marge ist bei Mietautos am höchsten.

Immer wieder gibt es Studien, die feststellen, dass man mit einem Gang ins Reisebüro doch besser beraten ist als bei der Online-Buchung.

Online-Reisebuchung macht nicht immer Spaß. Es gibt Zeitlimits, manchmal verliert man den Überblick, manche sind vielleicht überfordert von diesem Angebot. Im Reisebüro gibt es Spezialisten, das Internet gibt einem die Chance, selber zum Spezialisten zu werden. Ich glaube, es kommt darauf an, wie sehr man an die Hand genommen werden möchte. Im Reisebüro würden sie einem nicht sagen: Warte noch zwei Wochen, dann ist es erfahrungsgemäß günstiger. Wir machen das, weil wir den besten Service bieten wollen.

Trotz diverser Regulierungsversuche klagen immer noch viele Verbraucher über versteckte Kosten bei der Flugbuchung. Wie verlässlich sind Preise bei Ihnen?

Wir tun, was in unserer Macht steht. Wir sprechen mit Partnern und nehmen sie in die Pflicht: Wir brauchen korrekte Angaben. Sonst leidet unsere Glaubwürdigkeit. Wir testen auch selber. Unser Dilemma ist: Wir wollen ja auch das gesamte Angebot abbilden, und das ist nicht mehr erfüllt, wenn wir bestimmte Provider ausschließen.

Man kann bei Ihnen auch nach Bewertungen filtern. Wie zuverlässig ist das?

Da greifen wir auf drei Sorten von Daten zu. Der größte Unterschied zum Beispiel zu Tripadvisor ist: Dort kann jeder Bewertungen abgeben. Bei uns nur Leute, die tatsächlich da waren – also Reisende, die über uns gebucht haben. Wir lassen auch Bewertungen von Booking.com und Rankings von Trustyou einfließen, die arbeiten genauso.

Zika-Virus, Terrorismus – wo kann man überhaupt noch hinreisen?

Wir haben schwierige Zeiten. Auch die schwachen Börsen verunsichern viele. Wir wissen nicht, worauf wir zusteuern. All das schafft einen Trend zu mehr Sicherheitstourismus. Ägypten etwa, an sich ein großes Reiseland der Deutschen, ist zur Zeit wieder schwierig. In der Folge bleiben die Deutschen eher im Land. Die Flugsparte ist allgemein schwächer in diesem Jahr.

Wo die Berliner Urlaub machen

Im Kampf um die besten Mitarbeiter setzt Kayak-Manager Stefan Petzinger in Berlin auf Massagen, Gratis-Bier und Zuschüsse für Reisen.
Im Kampf um die besten Mitarbeiter setzt Kayak-Manager Stefan Petzinger in Berlin auf Massagen, Gratis-Bier und Zuschüsse für Reisen.
© Mike Wolff

Kayak ist in mehr als 30 Ländern aktiv. Inwieweit unterscheidet sich der deutsche Reisemarkt von anderen?

Es gibt grundsätzlich viel mehr Autotourismus als anderswo. Und der Deutsche ist ein Planer: sicherheitsorientiert, preisgetrieben, ein absoluter Frühbucher. Das hat auch mit den Rahmenbedingungen zu tun: Hier muss man sich in großen Unternehmen Anfang des Jahres schon für die Ferien eintragen, weiß spätestens im Januar, wohin es gehen soll. Die Spanier dagegen sind berüchtigte Spätbucher. Und der amerikanische Reisemarkt, wo wir zuhause sind, funktioniert nochmal komplett anders als der europäische.

Inwiefern?

Dort haben die Menschen viel weniger Urlaub, deswegen machen sie seltener interkontinentale Reisen – viele Amerikaner haben gar keinen Reisepass. Dafür fahren sie acht bis zehnmal im Jahr für ein paar Tage weg, zum Beispiel um die weit verteilte Familien zu besuchen. Die USA sind ein Flugland. Den Sommerurlaub in unserem Sinne gibt es nicht. Sehen Sie dagegen nach Frankreich: Da liegt von Mitte Juli bis Mitte August das ganze Land lahm. Auch die Deutschen setzen hier klar ihre Priorität. So viele Sommerurlaube hat man im Leben nicht. Da kommt es vielen auch nicht so sehr auf den Euro an, wichtig ist, dass man das richtige findet.

Großstadtverliebt. Berliner fliegen am liebsten nach New York.
Großstadtverliebt. Berliner fliegen am liebsten nach New York.
© AFP

Wie reist der Berliner?

Berlin ist eine der wichtigsten Regionen für uns. Berliner sind insgesamt mobiler, reisen auch viel geschäftlich. Privat fliegen sie seltener nach Malle als der Durchschnittsdeutsche. New York, Chicago und Bangkok sind die beliebtesten Ziele.

Sie sitzen auf Bergen von Daten. Was machen Sie damit?

Wir nutzen sie, um zu sehen, wie viel Geld wir wo verdienen – ansonsten werten wir nicht sehr viel aus, da gibt es sicher noch Potenzial, um unsere Dienstleistung zu verbessern. Was wir schon jetzt machen ist, dass wir Kunden passende Ergebnisse anhand ihrer vorherigen Suchen präsentieren.

Warum haben Sie Berlin als Standort für Ihr Technologiezentrum gewählt?

Ein Grund ist, dass es großes Technologie-Talent in Osteuropa gibt. Nach Berlin ist es von dort nicht weit, hier ist man noch in Europa, die Stadt ist lebendig und die Visa-Situation günstig. Und verglichen mit den örtlichen Gehältern zahlen wir gut.

Sie beschäftigen vor allem Software-Entwickler und Analysten. Genau die suchen auch andere – Zalando sitzt direkt gegenüber. Finden Sie genug Leute?

Der Konkurrenzkampf ist wahnsinnig. Vierteljährlich schreibt uns unser Leiter der Technologieabteilung aus Cambridge eine Mail, um uns daran zu erinnern, dass unsere oberste Priorität das Rekrutieren ist. Wir tun unglaublich viel für unsere Mitarbeiter, und das müssen wir auch: Unsere Philosophie ist „People, Produkt, Profit“ – also zuerst die Mitarbeiter, dann das Produkt und erst dann der Gewinn. In keinem anderen Unternehmen, in dem ich vorher war, wurde das so gelebt. Ich glaube, es gibt mehr Zalando-Mitarbeiter, die sich bei uns bewerben als umgekehrt.

Womit locken Sie?

Das fängt bei alltäglichen Dingen an: Es gibt eine üppige Frühstücksbar, an der sich jeder kostenlos bedienen kann, genau wie bei Getränken. Dreimal die Woche lassen wir Profis aus der Markthalle neun kommen und für uns kochen. Wir bieten hier kostenlose Yoga-Stunden und Massagen an und schreiben Reisestipendien unter Mitarbeitern aus, bei denen die Gewinner zu einer Trend-Destination reisen um wie Reiseblogger Recherchen durchzuführen. Wer drei Jahre bei uns ist, bekommt 3000 US-Dollar extra für eine private Reise. Die Fluktuation ist bei uns deutlich niedriger als im Branchenschnitt – sie liegt bei knapp 13 Prozent.

Tut die Stadt Berlin genug, damit sich die Szene hier entfalten kann?

Es gibt in Berlin ziemlich wenig eigene Technologie-Talente, es ist kein Zufall, dass von unseren 140 Mitarbeitern nur 25 Deutsche sind. Aber so eine Basis aufzubauen dauert Jahre. Alle reden von Berlin als neuem Silicon-Valley, aber ehrlich gesagt, sehe ich hier noch nicht viele ernstzunehmende Akteure, die auch international relevant sind. Zalando gehört sicher dazu, und wir wollen uns als ein weiterer etablieren. In Irland passiert wirklich was. Dublin hat eine sehr vielversprechende Start-up-Szene. Aber Berlins Pluspunkt sind die niedrigen Lebenshaltungskosten und die Internationalität. Berlin gehört sicher zu den internationalsten Städten Europas mit London und Amsterdam, nur die sind viel teurer.

Wie bewusst haben Sie sich für den Standort Friedrichshain entschieden?

Wir haben von Mitte ostwärts gesucht. Unsere Mitarbeiter sind im Schnitt zwischen 25 und 30 Jahre alt und bevorzugen diese Kieze. Gerade weil die meisten von weiter weg kommen, müssen wir alles dafür tun, dass sie sich wohl fühlen und ihnen eine Heimat bieten. Wir wollen auch, dass sie schnell Freunde finden: Also gibt es jeden Freitag ab fünf ein Bier für alle, einmal monatlich größere Events und unsere Bonusausschüttung beruht auf einem Teamscore: Wie hilfreich bin ich anderen? Insgesamt herrscht bei uns ein sehr undeutsches Arbeitsklima. Ich würde sagen: Das ist unser Vorteil.

ZUR PERSON
Stefan Petzinger, 42, ist einer von zwei Geschäftsführern bei Kayak in Deutschland. Seit Januar 2014 verantwortet er Marketing und Markenstrategie in Europa. Petzinger kommt aus der Werbebranche. Der gebürtige Münchner war zuletzt für die Agentur Leo Burnett in Shanghai tätig. Er ist verheiratet und lebt in Charlottenburg. Mit ihm sprach Maris Hubschmid.

DIE SUCHMASCHINE
Kayak, 2004 in Stamford (USA) gegründet, ist die weltweit führende Reisesuchmaschine. Jedes Jahr bearbeitet sie mehr als eine Milliarde Suchanfragen auf lokalen Websites in über 30 Ländern und 18 Sprachen. Zum Unternehmen gehören neben der Seite www.kayak.de auch www.swoodoo.com und die österreichische Plattform www.checkfelix.com. Weltweit beschäftigt Kayak 450 Mitarbeiter. Die Europa-Zentrale befindet sich in Zürich. 2013 eröffnete Kayak sein Technologiezentrum am Postbahnhof in Berlin-Friedrichshain.

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