TGV: Die Concorde auf Schienen wird 25
Das technikverrückte Frankreich feiert den 25. Geburtstag des TGV. Der Hochgeschwindigkeitszug hat die staatliche Bahngesellschaft in Frankreich gerettet und macht den Airlines Konkurrenz.
Paris - Als der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV vor 25 Jahren seine Jungfernfahrt antrat, wäre das beinahe eine peinliche Vorstellung geworden. An einem Berg zwischen Lyon und Paris drehten die Räder wegen strömenden Regens plötzlich durch, der Zug schaffte die Steigung nur mit Ach und Krach. Der zur Einweihung mitreisende Staatspräsident François Mitterrand merkte angeblich nichts. Und nach den holprigen Anfängen ist der TGV für die Staatsbahn SNCF zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte geworden.
Der Eisenbahner-Sohn Mitterrand, der an jenem 22. September 1981 erst wenige Monate Präsident war, zeigte sich begeistert von der neuen Technik, die noch seine Vorgänger auf den Weg gebracht hatten. Nach der Fahrt mit Höchsttempo 260 kündigte er umgehend neue Strecken in den Westen und Norden des Landes an und versprach der Eisenbahn "eine neue Jugend". Die war auch dringend nötig. Die SNCF verlor stetig Fahrgäste, die lieber Autobahnen und Fluglinien als die überalterten und langsamen Züge nutzten. "Ohne den TGV gäbe es die SNCF nicht mehr", war sich der bis zum Juli amtierende Bahn-Chef Louis Gallois sicher.
So wurde der TGV - ausgeschrieben: train à grande vitesse (Zug mit hoher Geschwindigkeit) - nach dem Überschalljet Concorde ein weiteres High-Tech-Projekt Frankreichs, in das der Staat Milliarden steckte. Ein Jahrzehnt vor dem deutschen InterCity Express (ICE) entstand nach und nach ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das heute 1540 Kilometer misst und mit Strecken nach Amsterdam, Brüssel, London, Köln und Genf längst die Grenzen Frankreichs hinter sich gelassen hat.
Von Paris nach Straßburg in 2 Stunden
Lange Zeit war den geschwindigkeitsbesessenen Franzosen allerdings die Technik wichtiger als der Komfort. Es dauerte Jahre, bis die Alstom-Ingenieure das Problem der Vibrationen in den Griff bekamen, die Schreiben während der Zugfahrt unmöglich machten. Die lange spartanisch anmutenden Innenräume verschwanden erst in den neuen TGV-Generationen. Für den Ost-TGV, der ab Juni 2007 die Fahrzeit zwischen Paris und Straßburg von vier auf zwei Stunden und 20 Minuten verkürzen soll, bemühte die SNCF Stardesigner Christian Lacroix, um den Wagen endlich modischen Chic zu geben.
Heute schickt die SNCF jeden Tag 650 TGV auf die Reise, pro Jahr zählt sie hundert Millionen Fahrgäste. Mit Tempo 300 brausen die Züge durch Frankreich. Anders als der ICE blieb der TGV von Katastrophen wie dem Zugunglück von Eschede mit mehr als hundert Toten verschont. Der Ost-TGV soll im Regelbetrieb Tempo 320 schaffen. Und zwischen Paris und Lyon werden bereits 360 Sachen getestet.
Starke Konkurrenz für die Luftfahrt
Damit soll der TGV den Airlines auf den Mittelstrecken weiter Passagiere abnehmen. "Jedes Mal, wenn der TGV unter die Schwelle von drei Stunden kommt, gewinnt er gegenüber dem Flugzeug Marktanteile", sagte die neue Bahn-Chefin Anne-Marie Idrac diese Woche. Das bestätigt Air France: Die Fluggesellschaft rechnet damit, dass sie durch den Ost-TGV eine halbe Millionen Kunden im Jahr verlieren wird. Air-France-Chef Jean-Cyril Spinetta schimpft deshalb über die staatlichen Subventionen für das Projekt und droht selbst mit dem Gang auf die Schiene. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass es nach der Liberalisierung des Bahnverkehrs im nächsten Jahrzehnt TGV-Züge "in den Farben von Air France" geben werde, sagte er Ende März. Schließlich sei ein TGV ja auch nur "ein Flugzeug, das rollt".
Die SNCF setzt beim Ausbau jetzt vor allem auf Europa. Mit der Trasse für den Ost-TGV sollen Frankfurt und Stuttgart nur noch rund drei Stunden und 45 Minuten von Paris entfernt sein statt bisher sechs. Anfang des nächsten Jahrzehnts sollen Hochgeschwindigkeitszüge dann von Deutschland aus über Mülhausen und Dijon gen Süden brausen und Passagiere nicht nur an die Côte d'Azur, sondern bis nach Spanien bringen. Das wird zwar deutlich schneller gehen als heute - bei acht bis zehn Stunden Zugfahrt zwischen dem deutschen Südwesten und Barcelona wird die Bahn aber erst noch beweisen müssen, dass sie dem Flugzeug Konkurrenz machen kann. (tso/AFP)
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