Lokführer streiken wieder: Die Bahn als Lachnummer
Im Tarifstreit bei der Bahn demonstrieren die Konfliktparteien ihre Unfähigkeit. Ein Kommentar.
Propaganda und Polemik gehören zum Arbeitskampf ebenso wie Vertrauen und Vertraulichkeit bei der Lösung von Verteilungskonflikten. Wie man es nicht machen sollte, zeigen die Tarifparteien der Bahn. Streikführer Claus Weselsky pöbelt gegen die „Nieten in Nadelstreifen“ an der Spitze der Bahn, die sich die Anzugtaschen vollpackten, derweil das Personal in den Zügen und Werkstätten mit einer Nullrunde den Konzern sanieren soll. Die Bahn wiederum handhabt den Tarifkonflikt wie ein Handwerksbetrieb mit sechseinhalb Leuten, der sich zum ersten Mal mit einer Gewerkschaft rumschlagen muss.
Das jüngste Manöver von Personalvorstand Martin Seiler haben sich die Strategen im Berliner Bahn-Tower vermutlich in nächtelangen Sitzungen ausgedacht: Wir geben etwas nach, indem wir eine Coronaprämie zahlen; dadurch delegitimieren wir den Streik.
Denn darum geht es auch in jedem Arbeitskampf: Beide Seiten brauchen zumindest das Verständnis der breiten Öffentlichkeit, das gilt besonders für Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, zu denen der Verkehr gehört.
Der Konflikt ist den Beteiligten entglitten und kann vermutlich nicht ohne Dritte befriedet werden. Das kann ein Schlichter sein, obgleich Matthias Platzeck in dieser Rolle erst im Herbst gescheitert war, oder ein Arbeitsrichter, der über die Verhältnismäßigkeit eines Streiks urteilen muss, der sich weiter auszubreiten droht, da die Streithähne so unfähig sind.
Die Bahn möchte Weselsky und seine Lokführer mit Hilfe des Tarifeinheitsgesetzes mindestens disziplinieren, die GDL versucht mit Hilfe des Tarifeinheitsgesetzes Mitglieder in den Bereichen der Bahn zu gewinnen, in denen sie bislang kaum Leute hatte.
Nebenbei geht es auch um etwas Geld, und da ist Weselskys Argumentation plausibel: Die Lokführer wollen eine ähnliche Tariferhöhung, wie sie für den öffentlichen Dienst vereinbart wurde. Das ist berechtigt.
Die Bahn hat sich mit dem als „Bündnis für die Bahn“ verkauften Billigtarif mit der EVG im vergangenen Jahr selbst geschadet, weil das eine dankbare Vorlage war für die GDL, sich von der verhassten EVG abzuheben. Weselsky wird mehr rausholen als die EVG – und die Bahn muss dann der EVG nachzahlen. Die Strategie des Bahn-Vorstands ist eine Lachnummer. Doch nicht für die Bahnkunden.