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"Die Glaubwürdigkeit der Branche ist auf einem Tiefpunkt", sagt IG Metall-Chef Jörg Hofmann.
© dpa

Hat der Diesel Zukunft?: „Die Angst um den Arbeitsplatz wächst täglich“

Autogewerkschaften als Umweltschützer? Die Betriebsräte der Autohersteller und großen Zulieferer sehen den Diesel als Übergangstechnologie.

Die IG Metall tritt selten als Umweltschutzorganisation in Erscheinung. Doch beim Thema Diesel und CO2-Belastung hat sich die Autogewerkschaft, die die IG Metall ja auch ist, im vergangenen Herbst positioniert. „Neue Abgasnormen als Chance nutzen“, lautet der Titel einer Studie. „Es beunruhigt uns tief, dass ausgerechnet in dieser wichtigen Phase die Glaubwürdigkeit der Branche auf dem Tiefpunkt angelangt zu sein scheint“, meinte IG Metall-Chef Jörg Hofmann. Das war im Oktober 2016. Am Montag veröffentlichte Hofmann gemeinsam mit den Betriebsratschefs der Autohersteller und der größten Zulieferer, darunter Bosch, Conti und Schaeffler, eine gemeinsame Erklärung anlässlich des Diesel-Gipfels. „Eine Ächtung des Diesels wäre mit Blick auf die Umwelt, die Verbraucher als auch auf die Beschäftigten kontraproduktiv; er bleibt als Übergangstechnologie unverzichtbar", heißt es in dem Papier.

Das Klimaziel ist gefährdet

Die Betriebsräte und Gewerkschafter weisen auf die rückläufigen Diesel-Zulassungen hin, infolgedessen „die CO2- Grenzwerte pro Flotte in Deutschland gestiegen sind“. Setze sich der Trend fort oder verstärke er sich sogar noch durch Fahrverbote, dann seien die Klimaziele 2020 „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ nicht mehr zu erreichen. Die deutsche Autoindustrie hat auch deshalb so stark auf Diesel gesetzt, um die CO2-Grenzwerte zu erreichen. Nach dem Stuttgarter Urteil vom vergangenen Freitag geht es nun aber kurzfristig vor allem um die Absenkung der vom Diesel verursachten Stickoxide. Und die Arbeitnehmervertreter sind in Sorge wegen des „Imageschadens“ und der drohenden Einfahrverboten ausgerechnet in diesen Zeiten, in denen sich die Branche „in einem tiefgreifenden Transformationsprozess befindet“, der durch die „politisch gesetzten Klimaziele“ ausgelöst worden sei. Elektromobilität sowie die Digitalisierung von Fahrzeugen und Verkehrssystemen „werden die Produkte, die Wertschöpfungsketten und die Zahl der Arbeitsplätze stark verändern“.

Die Betriebsräte sind für eine blaue Plakette

Komplexität und Tragweite der Veränderungen erfordern nach Einschätzung der Arbeitnehmervertreter ein abgestimmtes Handeln von Unternehmen und Verbänden, Politik und Gewerkschaften. Entsprechend sind die Erwartungen an den Diesel-Gipfel, wo die IG Metall vom baden-württembergischen Gewerkschaftschef Roman Zitzelsberger vertreten wird. Die Politik müsse dabei gemeinsam mit der Autoindustrie Regelungen vereinbaren, „mit denen die Belastung der Ballungszentren mit Stickoxiden deutlich und kurzfristig gesenkt werden kann“. Die Betriebsräte sind auch deshalb so besorgt, weil „Wertschöpfung und Beschäftigungswirkung von Dieselantrieben deutlich höher sind als von vergleichbaren Ottomotoren“. Die Verunsicherung in den Betrieben sei groß, die Angst um die Zukunft der Arbeitsplätze „wächst täglich“. „Sollten Einfahrbeschränkungen unvermeidbar sein, muss die Politik ein praktikables Steuerungsinstrument anbieten“, heißt es weiter in der Erklärung der Betriebsräte; ein blaue Plakette „mit ausreichenden Übergangsfristen wäre dafür am besten geeignet“.

Im Fokus steht die Euro-5-Nachrüstung

Ähnlich wie die Politik und die Hersteller halten auch die Arbeitnehmer die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln für die wichtigste Maßnahme. „Der Gipfel muss verlässliche und überprüfbare Maßstäbe, Zielgrößen und Zeitpläne für die Nachbesserung verabreden.“ Und ganz wichtig dabei: Die Verabredung soll für alle Autohersteller gelten, die hierzulande Diesel-Autos verkaufen, also auch die japanischen und koreanischen Marken sowie die Franzosen und Italiener.

Auch die Öko-Prämie wird vorgeschlagen

Schließlich werden in der Erklärung der Betriebsräte noch weitere Instrumente vorgeschlagen, um die Schadstoffbelastung durch den Verkehr zu verringern. Mit Hilfe einer „Öko-Prämie“, im Gespräch ist dabei eine paritätische Finanzierung durch Industrie und Staat, sollten möglichst viele Fahrzeuge mit Euro-1- bis Euro-4-Norm vor allem in kommunalen Fuhrparks, aber auch Taxen und Gewerbefahrzeuge, aus dem Verkehr gezogen werden. Der ÖPNV müsse ebenso ausgebaut werden wie das Netz an Erdgastankstellen und die Entwicklung CO2-neutraler Antriebe und Kraftstoffe. Schließlich erwarten die Arbeitnehmervertreter von der nächsten Regierung Gespräche und Vereinbarungen über „weitergehende Konzepte für die Leitbranche Automobil“.

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