Unternehmensstandort Irland: Die Angst geht um im Steuerparadies
Mit Tricks sparen internationale Konzerne, die sich in Irland ansiedeln, Milliarden. Doch nun will die Regierung mit strikteren Gesetzen gegensteuern.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, die Brendan McDonagh nicht müde wird zu erzählen. Als Google vor elf Jahren eine Niederlassung in Dublin eröffnete, beschäftigte der US-Konzern in der irischen Hauptstadt gerade einmal 100 Mitarbeiter. Inzwischen sind es über 2000. Ginge in Kalifornien das Licht aus, könnte Google seinen Suchmaschinendienst ohne Probleme von Irland aus weiter betreiben, heißt es. „Dublin ist zu einem Zentrum für IT-Firmen geworden“, sagt McDonagh, der bei der irischen Wirtschaftsförderung IDA den Bereich „Planung und Strategie“ leitet.
Nach den Banken zieht es nun die Tech-Firmen nach Dublin
Waren es in den Jahren vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise die großen Banken, die in Scharen nach Dublin zogen, sind es nun die Tech-Firmen. In der Nachbarschaft der mittlerweile vier Google-Gebäude in Dublin haben sich etliche IT-Konzerne angesiedelt. In den gläsernen Bürotürmen, die in den früheren Hafen-Docks hochgezogen worden sind, sitzen etwa Facebook, Amazon, Paypal, Twitter, Dropbox und Airbnb. „Sie finden hier die geeigneten Fachkräfte“, sagt McDonagh. Außerdem zahlten die Firmen in Irland weniger Steuern als andernorts. Die Körperschaftsteuer ist mit 12,5 Prozent so niedrig wie in kaum einem anderen Industriestaat.
Die Steuerpraxis hat dem Land viel Kritik eingebracht
Dabei hat die Steuerpraxis dem Land zuletzt viel Kritik eingebracht. Im Fokus steht eine Taktik, die Experten „Double Irish“ nennen: Um sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, verschieben Unternehmen über ihre Niederlassungen in Irland Gewinne in andere Steueroasen, zum Beispiel die Bahamas – und zwar völlig legal. McDonagh sagt, „Double Irish“ sei ein sehr unglücklicher Begriff. „Es geht dabei um ein globales, kein rein irisches Phänomen.“
Irlands Regierung gerät immer mehr unter Druck
Dennoch gerät Irlands Regierung zunehmend unter Druck. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat gerade einen ersten Aktionsplan vorgelegt, um internationale Steuerschlupflöcher zu schließen. Bis Ende 2015 soll ein Paket mit 15 Einzelmaßnahmen stehen. Die 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich bereits auf erste Schritte geeinigt, die nun in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Gewinne dürften demnach künftig nur noch dort versteuert werden, wo sie auch entstanden sind. Außerdem wollen die Staaten mehr Informationen austauschen, um Steuerflucht aufzudecken.
Die lockere Steuerpraxis wird zum politischen Risiko
Galt eine lockere Steuerpraxis lange als Standortvorteil, wird sie nun zum politischen Risiko. Irland fürchtet um das Ansehen als Standort für internationale Investoren. Deshalb unterstützt die Regierung die Pläne der OECD. Medienberichten zufolge soll Finanzminister Michael Noonan die Frage, wie man Steuerschlupflöcher schließen kann, bereits auf die Agenda der nächsten Haushaltssitzung Mitte Oktober gesetzt haben. Langfristig könnte das Land von den Plänen der OECD sogar profitieren, sagt Wirtschaftsförderer McDonagh. Denn können die Firmen ihre Gewinne nicht mehr so einfach in andere Länder transferieren, werden sie sich verstärkt dort ansiedeln, wo die Steuern wie in Irland besonders niedrig sind. „Es wird Unternehmen dazu animieren, mehr Aktivitäten nach Irland zu verlagern und hier mehr Jobs zu schaffen“, sagt McDonagh.
Irland ist auf internationale Konzerne angewiesen
Für die Inselrepublik geht es um mehr als um das Ansehen in der Welt. Irland ist auf internationale Konzerne angewiesen. Das Land hat keine ausgeprägte Industrieproduktion, die Finanzbranche ist deutlich zusammengeschrumpft und die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sind begrenzt. „Seit der Krise sind die Investitionen ausländischer Firmen für Irland noch wichtiger geworden“, sagt McDonagh. Die meisten Unternehmen, die sich in Irland ansiedeln, kommen derzeit aus den USA. Zum einen ist die Körperschaftsteuer in den Vereinigten Staaten mit 40 Prozent besonders hoch. Zum anderen, sagt McDonagh, sei Irland ein guter Standort, um den europäischen Markt zu erschließen. Immer mehr US-Firmen verlegen gar ihren Hauptsitz nach Irland, indem sie ein irisches Unternehmen übernehmen. So plant derzeit der US-Bananengroßhändler Chiquita mit dem irischen Konkurrenten Fyffes zu fusionieren – Hauptsitz des neuen Unternehmens soll Irland sein. Insgesamt zählt die Wirtschaftsförderung über 600 amerikanische Firmen, die mindestens eine Niederlassung in Irland haben.
Die Iren schauen sich nach neuen Märkten um
Allerdings beobachtet die US-Regierung diese Entwicklung mit Sorge. Der amerikanische Finanzminister Jacob Lew hat ein Gesetz angekündigt, das es Firmen erschweren soll, durch Übernahmen und Fusionen den Hauptsitz zu verlagern. Die Iren schauen sich deshalb bereits nach neuen Märkten um. „Wir haben die Anzahl unserer Büros in den BRIC-Staaten ausgebaut und konzentrieren uns darauf, mehr Firmen aus diesen Märkten anzuziehen“, sagt McDonagh. Künftig könnten es also verstärkt Konzerne aus Brasilien, Russland, Indien oder China sein, die Niederlassungen in Irland eröffnen.
Carla Neuhaus