Interview mit Axel Schweitzer: „Die Abschwächung in China ist gesund“
Axel Schweitzer, Vorstandsvorsitzender der Alba Group, erklärt, warum sein Recyclingunternehmen das Geschäft mit China weiter ausbaut und warum Alba einen Investor sucht.
Herr Schweitzer, Sie halten sich gerade in China auf, wie bedrohlich empfinden Sie die wirtschaftliche Abschwächung?
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt kann nicht dauerhaft um sechs oder sieben Prozent wachsen. Wenn sich das Wachstum reduziert, finde ich das sogar gesund. Gleichzeitig erfährt die chinesische Wirtschaft einen Wandel, der politisch auch stark gewollt ist. So sind in dem neuen Fünf-Jahres-Plan strategische Bereiche definiert, die gestärkt werden sollen und in denen eine höhere Wertschöpfungstiefe angestrebt wird. Umweltschutz und Recycling gehören dazu.
Alba baut in Hongkong eine Anlage zum Recycling von Elektroschrott und plant in den Jahren bis 2020 acht weitere Recyclinganlagen. Bleibt es bei den Projekten?
Ja. Die Umwelt ist ein wesentliches Thema in der chinesischen Politik. Dafür gibt es auch gute Gründe. Ich selbst habe Ende letzten Jahres in Peking am eigenen Körper erlebt, wie sich die Umweltverschmutzung bemerkbar macht, als die Alarmstufe Rot ausgerufen wurde. Die Luft war kaum noch einzuatmen. Ein Bestandteil der Umweltpolitik ist natürlich die Beseitigung und Wiederverwertung von Abfällen und Wertstoffen, jetzt erstmal in Hongkong und dann in anderen Regionen Chinas. Mit unserem Know-how als führendes Recyclingunternehmen sind wir dafür ein erstklassiger Partner.
Was genau macht Alba in Hongkong?
Am 21. Januar ist die Grundsteinlegung für die modernste Anlage zum Recycling von Elektroschrott in Südostasien. Im Frühjahr des vergangenen Jahres sind wir nach einer weltweiten Ausschreibung als Partner ausgewählt worden, jetzt beginnt der Bau und im Frühjahr des kommenden Jahres startet der Betrieb. Alles verläuft nach Plan. Der Auftrag ist einer der größten in unserer Firmengeschichte.
Was passiert bei den anderen Projekten?
Dabei geht es beispielsweise um die „grüne Kohle“: Abfälle werden, nachdem die Schadstoffe separiert und die Wertstoffe wiedergewonnen wurden, so aufbereitet, dass Pellets entstehen, die in Kraftwerken fossile Brennstoffe ersetzen. Auch da sind wir derzeit bei der Umsetzung des ersten Projekts in der Provinz Guangdong. Der Grundstein soll hier bis Mitte des Jahres gelegt sein.
Sie haben inzwischen Ihren Zweitwohnsitz in Hongkong – verlagern sich Ihr Lebensmittelpunkt und das Geschäft zunehmend nach China?
Nein, wir wollen auch in Deutschland und Europa wachsen, aber zur Anbahnung und Umsetzung von Projekten ist es natürlich wichtig, von Zeit zu Zeit vor Ort zu sein. Da bin ich allerdings, in China ebenso wie in Deutschland, Teil eines Teams.
Einer Ihrer chinesischen Partner ist sogar als Trikotsponsor des Berliner Basketballclubs engagiert. Wäre das nicht auch ein guter strategischer Partner für die Alba Group?
Wir haben zwei Partner in China, mit denen wir die Grüne-Kohle-Projekte umsetzen. Das sind ein führendes staatliches Unternehmen aus der Provinz Guangdong und der private Metallverband, der auch beim Basketball engagiert ist. Wir sprechen auch mit ihnen, aber diese beiden sind nicht zwangsläufig auch die Investoren, die wir als Partner für eine Unternehmensbeteiligung auswählen.
Wie ist denn überhaupt der Stand der Investorensuche?
Wir haben ja im März letzten Jahres erklärt, bis zu 49 Prozent der Anteile an einen strategischen Investor geben zu wollen. Das braucht Zeit, aber bis Mitte des Jahres sollte der Prozess wie angekündigt abgeschlossen sein.
Kommt Alba allein nicht mehr klar, weil die Geschäfte schlecht laufen und der Schuldenstand hoch ist?
Es gibt drei Gründe für eine Verstärkung von außen. Zum ersten brauchen wir Partner für das Wachstum in China. Zum zweiten wollen wir in unserem Kernmarkt in Deutschland weiter wachsen und zum dritten auch unsere Bilanzrelationen verbessern. Wir suchen jemanden, der unseren strategischen Weg mitgeht, dabei unsere Philosophie teilt und sich finanziell engagiert.
Wie steht es um die Finanzen, wie war das Geschäftsjahr 2015?
Auch wenn es noch etwas früh ist, um eine Gesamtbilanz für 2015 zu ziehen, so kann ich doch heute schon sagen, dass wir uns mit Ausnahme unserer Stahl- und Metallschrottaktivitäten plangemäß oder sogar besser entwickelt haben. Auch im Stahl- und Metallbereich sind wir vorangekommen bei unserem Portfolioumbau, indem wir das US-Geschäft und unsere Beteiligungen in Polen und auf dem Balkan sowie weitere Plätze in Deutschland verkauft haben. Der Bereich Stahl und Metall ist natürlich sehr volatil in seiner Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen, weshalb wir die Bedeutung dieser Sparte an unserem Gesamtgeschäft auch deutlich reduziert haben.
Wäre es nicht besser, Stahl und Metall zu verkaufen?
Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Wir verstehen uns als kompletter Dienstleister für unsere Kunden, der sich um Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung ebenso kümmert wie um spezifischen Schrott. Abfall ist ein sehr heterogenes Produkt, und bei uns bekommen die Kunden Lösungen aus einer Hand. Obwohl es einen deutlichen Gegenwind durch die Rohstoffpreise gibt, schneiden wir zunehmend besser ab und vertiefen unsere Wertschöpfung. Dazu haben wir beispielsweise in Wilhelmshaven in unsere Metalltrennungsanlage investiert und im Süden eine neue Anlage zum Recycling von Flachbildschirmen in Betrieb genommen. Über Innovationen vertiefen wir unser Profil als Stoffverwerter.
Aber vernachlässigen Sie nicht für die Großprojekte in China den Heimatmarkt?
Die Wachstumsraten in der Abfallwirtschaft sind in Asien auf absehbare Zeit deutlich höher als in Europa. Deutschland ist weltweit führend, was Recyclingtechnologien anbelangt. Das Volumen der Kreislaufwirtschaft von aktuell gut 100 Milliarden Euro hierzulande wird sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, auch aus Gründen des Klimaschutzes. China und Deutschland beziehungsweise Europa sind für uns kein Gegensatz. Wir möchten mittelfristig weiter wachsen, deshalb ja auch der strategische Investor.
Es gab in den vergangenen zwei Jahren immer wieder mal Berichte über hohe Verluste, finanzielle Engpässe und unruhige Banken. 2013 war das schlechteste Jahr in der Unternehmensgeschichte, erst für dieses Jahr erwarten Sie wieder einen Gewinn. Ist die Alba Group heute stabil?
Ja.
Im vergangenen Jahr haben Sie eine Kooperation „Ihres“ Basketballclubs mit Borussia Dortmund vereinbart und dabei auf die „gemeinsame Wertebasis“ hingewiesen. Was soll das denn sein?
Wir wollen sportliche Ansätze unserer Clubs verbinden. Als Alba Berlin sind wir es gewohnt, mit einem jungen, hungrigen Team anzutreten, das höchste Ansprüche hat, und damit aus unseren Mitteln den maximalen Erfolg zu generieren. Über die letzten 20 Jahre sind wir damit zu einer der erfolgreichsten Basketballinstitutionen in Deutschland und wahrscheinlich auch in Europa geworden - und zur nachhaltigsten. Über verschiedene Gespräche mit dem BVB haben wir festgestellt, dass wir vergleichbare Ansätze verfolgen, um erfolgreich zu sein. Der BVB war im vergangenen Jahr in Malaysia und Japan, wir kennen uns ganz gut aus in China. Gemeinsam wollen wir mit dieser ungewöhnlichen und einzigartigen Kooperation über den sportlichen Tellerrand hinaus schauen.
Hilft der Sport bei Geschäften in China?
Auf einzelne Projekte bezogen kann man das schwer sagen. Aber in China ist Basketball die Sportart Nummer eins mit rund 400 Millionen Aktiven. Auch Fußball wird immer wichtiger, der Staatspräsident ist ja bekennender Fußballfan. Wenn wir uns im Sport engagieren, dann machen wir das nachhaltig, zum Beispiel mit Schulprogrammen und eigenen Lehrern in sozialen Brennpunkten. So engagieren wir uns ebenfalls in China und das ist sicherlich auch für den BVB interessant.
Das Interview führte Alfons Frese
Die Karriere: Axel Schweitzer, 47, studierte an der TU Berlin Wirtschaftsingenieurwesen. 1995 kam er in den Vorstand des Recyclingunternehmens Alba, das 1968 von seinem Vater Franz Josef Schweitzer in West-Berlin gegründet worden war. Nach dem Tod des Vaters übernahmen Axel und sein Bruder Eric die Leitung.
Der Konzern: Die Alba Group kommt mit rund 8000 Mitarbeitern auf einen Umsatz von knapp 2,5 Milliarden Euro. 2013 war das schlechteste Jahr. Seitdem wurden die Zahlen besser, aber sind noch rot. Auch deshalb wollen die Brüder Schweitzer bis zu 49 Prozent des Unternehmens verkaufen.