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Demonstration in Paris: Die "Gelbwesten"-Proteste seien auch entstanden, weil die Löhne in Frankreich stagnierten, sagt die Europapolitikerin Sabine Thillaye.
© Thibault Camus/AP/dpa

Euro-Bilanz: "Deutschland verzögert Reform der Eurozone"

Die Euro-Einführung hat Frankreich und Italien geschadet. Führende Politiker aus beiden Ländern fordern deshalb eine europäische Wirtschaftspolitik.

Führende Europapolitiker in Frankreich und Italien werfen Deutschland vor, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik in der Eurozone zu verzögern. Bundesregierung und Bundestag machten sich zu wenig Gedanken, wie sie den EU-Ländern helfen, die strukturelle Nachteile durch die Einführung des Euro haben, sagte der Italiener Sandro Gozi, Vorsitzender der Europa-Union, dem Tagesspiegel.

Die Eurozone brauche eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, die Ungleichgewichte verringere, Strukturreformen begünstige und sich nicht nur auf die strenge Einhaltung der Stabilitätskriterien in der Währungsunion konzentriere. Gorzi forderte zudem, dass Deutschland mehr tun müsse, um seine Exportüberschüsse zu reduzieren und die Binnennachfrage anzukurbeln.

Gelbwesten protestieren gegen stagnierende Kaufkraft

Sabine Thillaye, Vorsitzende des Europa-Ausschusses der französischen Nationalversammlung, verlangt in einem Interview mit dem Tagesspiegel ebenfalls eine "gemeinsame europäische Antwort" auf die Herausforderung, den Nutzen des Euro gleichmäßiger auf alle Länder der Währungsunion zu verteilen.

Thillaye und Gozi reagierten auf eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) in Freiburg zur volkswirtschaftlichen Bilanz von 20 Jahren Euro für die einzelnen Staaten. Sie hatte ergeben, dass die Gemeinschaftswährung den durchschnittlichen Deutschen reicher, den durchschnittlichen Franzosen und Italiener hingegen ärmer gemacht habe.

Die Frage der relativen Kaufkraft – also, was sich ein Bürger in einem EU-Land von seinem Einkommen leisten könne – sei zentral, argumentiert Thillaye. "Das zeigen die Gelbwesten-Proteste und die Diskussion über die stagnierende Kaufkraft vieler französischer Arbeitnehmer."

In Frankreich gebe es "Streit über die Notwendigkeit von Strukturreformen wie in Deutschland" und "Misstrauen gegenüber einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes". Die Sorge, dass sich der Lohn nur moderat wie in Deutschland entwickele, "ist einer der Gründe für die Proteste, nicht nur in Frankreich. Hier wäre ein gemeinsames europäisches Handeln also auch eine Antwort auf das zunehmende Erstarken der politischen Extreme in ganz Europa."

Nationale Reformen allein können Auseinanderentwicklung nicht stoppen

Gozi fordert von Deutschland und anderen nördlichen Euroländern "politische Ansätze, die den schwächeren Euro-Ländern im Süden helfen". Er kritisiert auch sein eigenes Land. "Italien hat zu lange mit den Strukturreformen gewartet." Die aktuelle Regierung in Rom "tut nicht, was nötig wäre." Italien brauche "niedrigere Steuern für Wirtschaftsbetriebe und die Mittelklasse".

Die Blockade von Investitionen in die Infrastruktur, zum Beispiel Trassen für Hochgeschwindigkeitszüge, müsse enden. Aber "selbst wenn jedes Land seine Hausaufgaben macht, wie der langjährige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble das immer wieder gefordert hat, bleiben Ungleichgewichte in der Eurozone". Deshalb müssten Deutschland und Frankreich zu viel weitergehenden Reformen in der Eurozone bereit sein, als derzeit diskutiert werde. "Deutschland reagiert zu zögerlich."

Dieses Verhalten sei unfair gegenüber Italien, sagt Gozi. "Italien hat seine Beiträge zur Rettung Griechenlands, Spaniens und Portugals in der Eurokrise geleistet. Italien hat um keinen Euro aus Brüssel gebettelt." Die Bundesregierung müsse zu größeren Reformen der Eurozone bereit sein, "um das Vertrauen der EU-Partner in Deutschland wiederherzustellen".

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