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Die Gewinne aus dem Staatsfonds fließen in den Staatshaushalt.
© imago images/Westend61

Singapurs Staatsfonds: "Deutschland bietet einzigartige Möglichkeiten"

Singapurs Staatsfonds Temasek investiert Milliarden in Unternehmen weltweit. Wie genau, erklärt Europa-Chef Tan Chong Lee in Interview.

Bekannt geworden ist Temasek, einer der zwei Staatsfonds Singapurs, hierzulande durch sein Engagement beim Chemiekonzern Bayer. An dem besitzt Temasek inzwischen einen Anteil von vier Prozent und ist damit der zweitgrößte Aktionär bei dem Konzern aus Leverkusen. Weltweit ist der Fonds an rund 600 Unternehmen beteiligt. Insgesamt haben seine Firmenanteile einen Wert von knapp 210 Milliarden Dollar. Damit gilt Temasek als einer der wichtigsten Staatsfonds weltweit. Im Interview erklärt Europa-Chef Tan Chong Lee, wie der Fonds investiert und warum auch Deutschland für ihn interessant ist.

Herr Tan, warum interessiert sich ein Staatsfonds aus Singapur für deutsche Unternehmen?
Verständlicherweise ist ein großer Teil unserer Investitionen in Asien verankert. Aber wir glauben auch, dass Europa und besonders Deutschland mit Blick auf seine Unternehmen großartige Möglichkeiten bieten. Angefangen bei an der Börse gelisteten Unternehmen über mittelgroße und kleinere Unternehmen bis zu Start-ups.

Sie denken dabei also auch an den Mittelstand?
Als langfristiger Investor kann Temasek langfristige Positionen einnehmen und Unternehmen in ihren verschiedenen Wachstumsphasen unterstützen. In Deutschland gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen, die schon lange und erfolgreich in Nischen im Industrie- und Dienstleistungssektor tätig und dort Weltmarktführer sind. Dies ist eine einzigartige Gelegenheit für uns, in Deutschland zu partizipieren.

Bislang hat sich Temasek hierzulande aber nur an Bayer beteiligt.
Nein. Wir haben auch in zwei Start-ups in Berlin investiert – im vergangenen Jahr zusammen mit anderen Investoren in die Reiseplattform GoEurope, die mittlerweile Omio heißt. Und im Frühjahr in das Buchungsportal GetYourGuide. Wir schauen uns derzeit auch weitere Unternehmen an. In der kommenden Woche bin ich wieder in Berlin. Die Start-up-Szene floriert hier.

Sie sagen, Temasek sei ein langfristig denkender Investor. Was heißt das?
Wir haben keinen festen Anlagehorizont. Schnell einzusteigen und nach kurzer Zeit wieder mit Gewinn zu verkaufen ist nicht unser Ansatz. Wir schauen uns die Unternehmen sehr genau an, bevor wir uns für die Investition entscheiden. Unser Ziel ist der Aufbau einer vertrauensvollen und langfristigen Beziehung mit dem Eigentümer oder der Eigentümerfamilie. Wir kommen nicht einfach zur Tür herein und kaufen. Wenn uns das Geschäftsmodell überzeugt und die Entwicklung stimmt, bleiben wir Jahre und auch Jahrzehnte dabei. Wichtig ist auch: Wir streben weder eine Mehrheitsbeteiligung, noch Kontrolle über die Unternehmen an, in die wir investieren. Uns reicht es ein unterstützender Minderheitsaktionär zu sein.

Tan Chong Lee ist Europa-Chef bei Singapurs Staatsfonds Temasek.
Tan Chong Lee ist Europa-Chef bei Singapurs Staatsfonds Temasek.
© promo

Sie haben sich auch im Süden Deutschlands umgeschaut.
Ja wir waren schon häufiger in München und Stuttgart und haben Verbindungen zu wichtigen Verbänden etwa des Maschinenbaus. Auch die rund 40 Experten unseres Büros in London, darunter auch erfahrene deutsche Manager, ermöglichen es uns die Optionen der Region zu bewerten. Zudem haben wir 2016 ein europäisches Beratungsgremium etabliert, in dem unter anderem der frühere Allianz-Chef Michael Diekmann und Jim Snabe, der Aufsichtsratschef von Siemens sitzen. Sie liefern uns wertvolle Erkenntnisse.

Gibt es Branchen, die Sie bevorzugen?
Nein. Aber bei Start-ups interessieren uns Firmen, die neue Ansätze zeigen und durch Innovationen für einen Umbruch in ihrer Branche sorgen. Wir schauen auch auf etablierte Unternehmen und Konzerne, die auf langfristige Trends schauen. Wie etwa Bayer.

Der Norwegische Staatsfonds will sich aus dem Engagement bei Ölfirmen zurückzuziehen. Denken Sie auch darüber nach?
Bei unseren Anlageentscheidungen nehmen wir ESG- und Nachhaltigkeitsaspekte sehr ernst. Sie sind für uns fundamental. Jede mögliche Investition wird daraufhin überprüft. Klar ist: Wir investieren nicht in Tabakfirmen und in die Glücksspiel-Branche. Und wir bevorzugen es, nicht in fossile Brennstoffe zu investieren. Für uns können aber Firmen interessant sein, die noch relativ hohe Treibhaus-Emissionen haben, aber klare Schritte einleiten oder eingeleitet haben, diese Emissionen deutlich zu reduzieren. Wir halten das für einen guten Ansatz. Das kann eine Öl- oder Gasfirma sein oder ein Industrieunternehmen. Temasek selbst will ab 2020 klimaneutral sein. Und bis 2030 wollen wir erreichen, dass unser gesamtes Portfolio die Emissionen im Schnitt um mindestens 50 Prozent reduziert hat.

Wie lange dauert es bis sich Temasek für ein Investment entscheidet?
Bei Start-ups können es zwei bis drei Monate sein, bei großen Investments dauert es länger. Aber im Schnitt entscheiden wir uns nach vier bis fünf Monaten. Generell gehen wir behutsam und vorsichtig vor und schauen uns nicht nur die Risiken der jeweiligen Branchen und der jeweiligen Länder an. Eile hilft nicht.

Was heißt für Temasek langfristig?
Wir betrachten uns als Investor für Generationen. Schließlich will die Regierung von Singapur mit dem Geld, das wir ausschütten, auch langfristige Infrastrukturprojekte finanzieren. Bei Singapore Airlines sind wir seit unserer Gründung 1974 beteiligt, bei anderen Unternehmen 15Jahre und mehr. Es gibt keine feste Vorgabe. Wenn wir drei oder fünf Jahre bei einer Firma dabei sind, sie gut läuft und die Rendite stimmt, dann bleiben wir dabei.

In Deutschland wird intensiv über Elektromobilität diskutiert. VW setzt in Zukunft ausschließlich auf elektrische Antriebe. Ist das ein Thema für Sie?
Im Moment sehen wir für solche Investments bedeutsame Möglichkeiten in China. Das ist der größte Markt für Elektromobilität. Auch Unternehmen in Singapur sind für uns interessant. Es gibt viele Firmen, die heute noch gar nicht in der Autobranche tätig sind, aber Technologien entwickeln, die dort künftig eine wichtige Rolle spielen werden.

Macht Ihnen die Entwicklung der Weltkonjunktur Sorgen?
In den USA und in China läuft es bereits langsamer und das wird einige Zeit anhalten. Der Handelsstreit und der Streit zwischen zwei Supermächten zeigt Folgen. Schnell wird dieser Streit wohl nicht beigelegt.

Wie ist Singapur davon betroffen?
Singapur wird wie andere Länder indirekt tangiert: weniger Aufträge für die Unternehmen, ein schrumpfendes Handelsvolumen. Daraus resultiert ein geringerer Finanzierungsbedarf, also weniger Geschäft für Banken. Singapur ist eine sehr offene Volkswirtschaft, ähnlich wie etwa Deutschland, und insofern natürlich betroffen. Die Situation mit Blick auf unsere Exportwirtschaft ist derzeit vergleichbar mit Deutschland.

Beeinflusst dies Ihre Investment-Strategie in Deutschland und in Europa?
Nein. Ich bin auch jetzt schon mindestens zwölf Mal im Jahr in Europa. Nicht nur in Deutschland. Auch in Italien und Frankreich verbringen wir viel Zeit und schauen uns Unternehmen an. Wir haben in Italien erfolgreiche Investments, etwa im Luxus-Güter-Bereich. Wir schauen uns auch nach Möglichkeiten in Spanien, den Benelux-Staaten und in Skandinavien um. Auch dort gibt es interessante Optionen.

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