Kreditinstitut: Deutsche Bank sucht offenbar neuen Chef
Einem Medienbericht zufolge hat John Cryan das Vertrauen von Aufsichtsratschef Achleitner verloren. Es soll Gespräche mit möglichen Nachfolgern geben.
Anfang Februar gab sich John Cryan auf der Jahres-Pressekonferenz gelassen und zuversichtlich, auch wenn er den dritten Jahresverlust der Deutschen Bank hintereinander verkünden musste. 2018 erwarte er ein erfolgreiches Geschäftsjahr, sagte der Vorstandschef. Und er wolle seinen bis Sommer 2020 laufenden Vertrag erfüllen und den Turnaround der Bank schaffen. „Dazu stehe ich. Und ich genieße den Job, er ist heute viel angenehmer als vor zwei Jahren“, so der 57-jährige Brite. Nicht einmal zwei Monate später sieht es ganz anders aus. Angeblich sucht Aufsichtsratschef Paul Achleitner einen Nachfolger für Cryan. Mehrere Banker soll er schon angesprochen, sich aber Absagen eingehandelt haben. Die Deutsche Bank kommentiert die Gerüchte nicht, dementiert sie aber auch nicht.
Das Verhältnis zwischen Achleitner und Cryan gilt schon länger als schwierig. Im vergangenen Jahr verweigerte der Brite lange ein Treffen mit Vertretern des neuen chinesischen Großaktionärs HNA, jetzt soll es Streit geben wegen der Strategie der Bank. Das Tischtuch zwischen Aufsichtsrats- und Vorstandschef sei zerschnitten, schreibt die „Times“ und beruft sich auf einen Insider. Angeblich hat Richard Gnodde, Vize-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, auf Achleitners Anfrage hin abgewunken.
Wer könnte auf Cryan folgen?
Nach Informationen des „Handelsblatts“ hat Achleitner auch bei Bill Winters, dem Chef der britischen Großbank Standard Chartered, und bei Jean Pierre Mustier, dem Mann an der Spitze von Unicredit, vorgefühlt, ob sie sich vorstellen könnten die Deutsche Bank zu führen. Beide hätten aber abgewunken. Die im Vorstand der Bank vor einen Jahr zu Kronprinzen und Stellvertretern Cryans aufgestiegenen Christian Sewing und Marcus Schenck spielen bei den Überlegungen offenbar keine Rolle. Schenck leitet die derzeit wenig erfolgreiche Investmentbank, Sewing die Privatkundensparte, die aktuell mit dem Umbau und der Einbindung der Postbank mehr als gut beschäftigt ist.
Aus heiterem Himmel kommen Spekulationen über Cryans vorzeitigen Abschied nicht. Die Unruhe in Deutschlands größtem Geldhaus ist gewaltig, die Großaktionäre – HNA mit knapp neun Prozent, der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock mit 6,5 Prozent, Katar mit sechs und der US-Finanzinvestor Cerberus mit drei Prozent – sind unzufrieden. Nach der jüngsten Verlustwarnung von Finanzchef James von Moltke für die Investmentbank im ersten Quartal und die abfälligen Äußerungen von IT-Vorstand Kim Hammonds über den Zustand der Bank nähert sich die Aktie dem Rekordtief von weniger als zehn Euro vom September 2016.
Börsenwert der Deutschen Bank abgerutscht
Auch wenn sie sich am Dienstag leicht auf rund 11,31 Euro erholte. Allein seit Jahresanfang ist der Börsenwert der Deutschen Bank um fast zwei Milliarden auf nur noch gut 31 Milliarden Euro abgerutscht. Zum Vergleich: SAP kommt auf 114 Milliarden Euro. Experten und Banker in Frankfurt schütteln nur noch den Kopf über die Vorgänge in den Türmen der Deutschen Bank an der Frankfurter Taunusanlage. Sie sind sich aber nicht einig wie es mit Cryan weitergehen soll. Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, meint, der Brite solle bleiben. Die Fehler, die in den vergangenen 20 Jahren gemacht worden seien, könne man nicht in zweieinhalb Jahren beseitigen. Ähnlich hatte sich Cryan selbst unlängst geäußert.
Er sei selbst extrem ungeduldig, aber einen Öltanker zu wenden, benötige eben Zeit. Glaubt man Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ist es Cryan gelungen, die „Baustellen aus der Vergangenheit“ bis „auf wenige Reste“ abzubauen. Dafür sei er als Sanierer von Aufsichtsratschef Achleitner geholt worden. „Was wir und auch der Kapitalmarkt immer vermisst haben, ist aber, dass Herr Cryan eine überzeugende Zukunftsstrategie entwickelt, die zeigt, wo und wie die Bank ihr Geld verdienen wird“, sagte Nieding dem Tagesspiegel. Die Deutsche Bank brauche einen „operativen Visionär“. So wie in den letzten Monaten könne es bei der Deutschen Bank nicht weitergehen, fordert Nieding indirekt einen Wechsel.
"Der nette Onkel von nebenan"
Der ist längst überfällig, meint Stefan Müller, ehemaliger Investmentbanker und Chef des Research-Unternehmens DGWA. Cryan sei der falsche Mann an der Spitze der Deutschen Bank. Er wirke wie „der nette Onkel von nebenan“, sei aber mit der Aufgabe, die Bank auf Vordermann zu bringen, völlig überfordert. Ihm fehle auch das notwendige Netzwerk in der deutschen Industrie. „Anders kann ich mir nicht erklären, dass es die Bank auch im neunten Jahr des Aufschwungs in Deutschland nicht schafft, einen ordentlichen Gewinn zu erwirtschaften.“
Die Deutsche Bank brauche einen Schnitt. Und sie sollte vom Investmentbanking besonders in den USA die Finger lassen. Auch deshalb hält er einen Investmentbanker an der Spitze für die falsche Lösung. Müller votiert für einen Deutschen, der sich im Firmenkundengeschäft auskennt. Und: Längst steht auch Aufsichtsratschef Achleitner in der Kritik. Viele halten ihn für den falschen Mann auf diesem Posten.