Mobilität: Deutsche Bahn drängt ihre Kunden ins Internet
Die Bahn setzt voll auf den Ticketverkauf online – und kürzt den Reisebüros die Provision. Das Nachsehen haben ältere Fahrgäste.
Es ist ganz einfach. Wer sich mit moderner Technik etwas auskennt, der bucht ein Bahnticket in wenigen Minuten mit dem Smartphone, am Computer zu Hause oder am Automaten im Bahnhof. Doch ältere Menschen kommen damit nicht immer klar. Und selbst „Experten“ scheitern häufig, wenn sie ohne persönliche Beratung eine aufwendigere Bahnreise zum Beispiel ins Ausland oder mit Rad oder Mitreisenden buchen sollen.
Hier helfen die Reisezentren oder Telefonberater der Deutschen Bahn, aber auch spezialisierte Reisebüros – sofern man eines findet. Denn viele Agenturen verkaufen keine Bahn-Tickets mehr, weil die Deutsche Bahn die Provisionen immer stärker gekürzt hat. Jede dritte DB-Agentur hat seit 2008 den Vertrieb von Fahrscheinen aufgegeben. Im Frühjahr gab es bundesweit gerade noch 2136 aktive Reisebüros mit DB-Lizenz, 2008 waren es noch 3176. Mehr als 1000 Reiseverkäufer haben seither dem Konzern den Rücken gekehrt, gut 100 allein 2017.
„Der Fahrkartenverkauf ist besonders für kleine und mittelständische Reisebüros schon jetzt wenig rentabel“, kritisiert der Deutsche Reiseverband (DRV). Die Provisionen, die der Konzern bereits mehrfach gekürzt hat, lohnten den Aufwand nicht. Denn die Beratung von Bahn-Kunden werde durch das komplexe Preissystem der Bahn, aber auch durch zahlreiche Zugverspätungen, Betriebsstörungen und Baustellen immer aufwendiger.
Das Nachsehen haben ältere Menschen
„Wenn es nicht zu einer auskömmlichen Entlohnung der Reisebüros für den Verkauf von Bahn-Tickets kommt, wird die Anzahl der DB-Agenturen weiter sinken“, warnt der Verband. Das Nachsehen hätten nicht nur viele ältere Reisende, die ihre Tickets nicht online oder am Automaten kaufen können, sondern auch Menschen auf dem Land. Dort ist es oft weit bis zum nächsten DB-Reisezentrum in einem größeren Bahnhof.
Der DRV, in dem auch der Bahn-Konzern Mitglied ist, kämpft seit vielen Jahren für bessere Konditionen der Agenturen beim Fahrscheinverkauf. Doch der staatliche Schienenriese kürzte stattdessen mit jeder Provisionsrunde die Umsatzvergütungen besonders für kleinere Reisebüros noch mehr. Als Vorbild dienen dabei offenbar auch die Airlines, die Vergütungen für den Flugticketverkauf schon vor Jahren rigoros gekappt hatten. Die DB verweist auf den Trend zum Onlinekauf. Angebote wie der DB Navigator fürs Smartphone oder die Internetseiten von bahn.de werden inzwischen von Millionen Kunden zur Information und zum Kauf digitaler Tickets genutzt. Allein zwischen 2015 und 2017 stieg der Anteil der digitalen Verkaufskanäle an den Fahrgeldeinnahmen von zuletzt gut acht Milliarden Euro von 32,6 auf 39,4 Prozent.
Alle anderen Vertriebswege schrumpfen. Der Anteil der Einnahmen an Automaten sank von 27,5 auf 24,5 Prozent. Die 400 von einst 1000 Reisezentren in Bahnhöfen steuern nur noch 16,2 Prozent der Umsätze bei, 2015 waren es noch 17,9 Prozent. Call- und Abo-Center bringen noch knapp ein Achtel der Ticketeinnahmen. Kleinster Vertriebszweig sind die DB-Agenturen, deren Anteil von 8,8 auf 7,6 Prozent gefallen ist. Der Konzern erwartet, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. „Wir gehen davon aus, dass der Trend zum Online- und Mobile-Kauf weiter anhalten und entsprechend der Anteil der personenbedienten Kanäle Reisezentrum und DB-Agentur am Vertriebskanalmix weiter zurückgehen wird“, sagte ein DB-Sprecher auf Anfrage. Mit hohen Investitionen in den digitalen Direktvertrieb beschleunigt der Staatskonzern diese Verlagerung.
Rekord: 142 Millionen nutzen Fernzüge
Es gibt jedoch auch gegenläufige Entwicklungen. So eröffnen DB-Konkurrenten, die bei Ausschreibungen für Strecken im Regionalverkehr den Zuschlag erhalten, eigene Vertriebsstellen. Im Fernverkehr hat Flixtrain erste Ticketshops in einigen Bahnhöfen gestartet. Marketingprofis wissen, dass die persönliche Beratung die Kundenbindung enorm erhöhen kann. „Beim Verkauf von Bahn-Tickets haben Reisebüros die zufriedensten Kunden, der Zufriedenheitsindex liegt hier bei 90 Prozent“, betont der DRV. Umso weniger Verständnis hat man dort, dass der Staatskonzern diesen Vertriebszweig immer mehr austrocknen lässt.
142 Millionen Fahrgäste nutzten die Fernzüge der Deutschen Bahn im vorigen Jahr, ein neuer Höchstwert. Auch in diesem Jahr sind ICE und IC stark gefragt. Die Fahrt im öffentlichen Nahverkehr ist inzwischen in vielen Fahrscheinen für Fernstrecken bereits enthalten (City-Ticket). Hier kooperiert der Konzern mit den Verkehrsverbünden der Kommunen und baut den digitalen Vertrieb aus.So kann man mit der App DB Navigator inzwischen auch ÖPNV-Tickets buchen.