Neuer Name und neues Geschäftsmodell: Deutsche Annington bekommt neuen Anstrich
Die Deutsche Annington hat einen schlechten Ruf. Nun soll ein neuer Name und ein neues Geschäftsmodell das Image aufbessern. Ob das gelingt, ist fraglich.
Das hat es noch nie gegeben in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte: Eine Immobiliengesellschaft schafft es in den Dax, also in die Champions-League der börsenotierten Firmen. Die Deutsche Annington steht jetzt kurz davor – mit mehr als 370 000 Wohnungen in der Republik, aus denen irgendwann mal eine Million werden sollen. Gigant oder Krake: Welche Beschreibung passt auf diese Immobilien-Aktiengesellschaften, auf diese neuen Spieler im Monopoly um den deutschen Wohnungsbestand? Und haben Mieter etwas zu befürchten?
Die Deutsche Annington heißt jetzt Vovonia
Lange eilte der Deutschen Annington der Ruf voraus, es nur auf die Rendite abzusehen, um ihre Aktionäre zufrieden zu stellen, und die Wohnungsbestände vor sich hingammeln zu lassen. Umso überraschender kommt diese Nachricht vom sonst ärgsten Kritiker: „Zumindest auf Vorstandsebene wird der Eindruck eines mieterfreundlichen Unternehmens erweckt“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes Ulrich Ropertz. Aber er schränkt zugleich ein, dass diese bei den Annington-Verwaltern vor Ort noch nicht überall angekommen sei: Mangelhafte Abrechnung von Betriebskosten und aufgeschobene Instandhaltungen gebe es immer noch. Aber immerhin. Deutschlands größte Immobilien-Aktiengesellschaft will ihre Vergangenheit offenbar hinter sich lassen. Ein neuer Name soll helfen: Vonovia heißt die Deutsche Annington seit Mitte dieser Woche. Den schwarzen Peter scheint man an die Deutsche Wohnen abgeben zu wollen, ebenfalls eine Aktiengesellschaft, die zweitgrößte im Lande. Diese lehrt Berliner Mietern zurzeit das Fürchten, indem sie die Rechtskraft des Mietspiegels infrage stellt. Gleich mehrere Prozesse führte die Firma gegen Mieter, die nicht mehr bezahlen wollten als laut Mietspiegel erlaubt ist. Dazu legten die Anwälte der Deutsche Wohnen Gutachten vor und führten angeblich vergleichbare Wohnungen auf, um mehr Miete durchzusetzen.
Der Mietspiegel gerät unter Beschuss
Jahrelang hatten Mieter und Vermieter den Mietspiegel als Richtschnur anerkannt, um Streit zu schlichten und Gerichtskosten zu sparen. Damit ist es in Zeiten der Immobilienaktie vorbei. Und weil einzelne Richter sich von den Angriffen auf den Mietspiegel beeindrucken lassen, wird nun nach dem Justizminister gerufen. Um die Rechtssicherheit wiederherzustellen, müsse Heiko Maas einen einheitlichen Rahmen für die Erstellung des Mietspiegels in Deutschland schaffen. Zumal ohne gültigen Mietspiegel auch die Mietpreisbremse nicht greife, die eigentlich den drastischen Anstieg der Mieten in Metropolen begrenzen soll. Ein Zufall ist es nicht, dass die Deutsche Wohnen so strikt vorgeht: Höhere Mieten sind der eine Weg, um den Aktionären mehr Rendite zahlen zu können, geringere Kosten der andere. Laut Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins, führte die Deutsche Annington einen „virtuellen Hauswart“ ein. Der ist nicht mehr vor Ort und das spart Personal in der Verwaltung. Der Mieter meldet den Wohnungsmangel online an. Das kostet Zeit, vor allem aber wird das Problem ähnlich verlässlich behoben wie Technikpannen auf Support-Seiten von Handy-Herstellern: eher nicht – bis endlich ein Mensch aus Fleisch und Blut am anderen Ende der Telefonleitung ist.
Ängste schürt auch das Wachstum der neuen Aktiengesellschaften, denn damit wächst auch die Sorge, sie könnten irgendwann den Markt beherrschen und die Mieten diktieren. In Berlin verdoppelte die Deutsche Annington ihren Bestand innerhalb von zwei Jahren. Mit 30 000 Wohnungen, darunter die Moabiter Schlange an der Spree, ist die Deutsche Annington aber weit von einer Monopolstellung entfernt. Doch Konzern-Vertreter ließen am Rande von Pressekonferenzen bereits verlauten, die Firma wolle auf eine Million Wohnungen wachsen. Und Dortmund, wo die Firma bereits mehr als 17 000 Wohnungen hält, gilt unter Mietern bereits als „Annington-Hochburg“. Passen könnte das jedenfalls für jene Art von Wohnungen, die das Unternehmen ursprünglich zusammengekauft hatte: bei sanierungsbedürftigen Immobilien, die nicht gerade in der allerbesten Lage liegen.
Ein tadelloser Ruf soll her
Lange war der Deutschen Annington auch nachgesagt worden, in ihre Objekte nicht mal mehr das Nötigste zu investieren. Betroffene und Mietervereine gründeten deshalb das „Aktionsbündnis von Mietern der Deutschen Annington“. Sogar die Einführung eines neuen „Wohnungsaufsichtsgesetzes“ in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr wird auf die Klagen von Mietern der Deutschen Annington zurückgeführt. Das Gesetz sieht Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen für den Fall vor, dass Immobilienbesitzer ihre Wohnungen verkommen lassen. Eine Art Notstandsparagraf für den Wohnungsmarkt.
Dieser dürfte allerdings für die neue Deutsche Annington heute kaum noch von Bedeutung sein. Den Kulturwandel auf Vorstandsebene, den Mietervertreter feststellen, erklärt der Leiter „Fondsmanagement Immobilienaktien“ beim Bankhaus Ellwanger & Geiger Helmut Kurz mit der neuen Eigentümerstruktur: „Früher war sie im Besitz einer Private-Equity-Firma, jetzt ist sie an der Börse, da ist ein guter Ruf wichtig“. Einfach ausgedrückt: Die Heuschrecke – der frühere Annington-Eigentümer Terra Firma – ist weiter gezogen. Hinzu kommt: An der Börse kann sich die Deutsche Annington über Anleihen oder die Ausgabe von Aktien billiges Geld beschaffen. Da lohnen sich Investitionen in die Wohnungen auch wieder: „Das steigert auch den Wert der Firma, was wiederum dem Börsenkurs zugute kommt“, sagt Kurz.
Für den tadellosen Ruf an der Börse, auf den wohl auch der finnische Pensionsfonds als neuer Großaktionär drängt, kann die Deutsche Annington aus Sicht von Mietern noch das eine oder andere verbessern. Da wäre etwa die von Mietervertretern beklagte „Unart“, bei Rückständen Inkasso-Firmen in die Spur zu schicken – ganz gleich ob die Forderungen berechtigt oder noch strittig sind. Auch die Abrechnung von Nebenkosten sei oft undurchsichtig oder mangelhaft, behaupten Mietervertreter.
Mietvertreter werfen Vonovia "Unart" mit Inkasso-Firmen vor
Bei der Deutschen Annington, pardon: bei Vonovia, heißt es dazu: „Wir schreiben Mieter zweimal an, rufen an und schicken eine SMS“. Erst danach „übergeben wir die Angelegenheit einem Rechtsanwalt, der Kanzlei JHS Legal“. Die Alternative sei ein Klageverfahren mit noch höheren Kosten. Im übrigen, zahle kein Mieter Gebühren, wenn er im Falle von Zahlungsschwierigkeiten an die Firma herantrete, um Ratenzahlungen oder Zahlungsaufschübe zu verhandeln. Zur Abrechnung der Nebenkosten verwies eine Sprecherin auf das Gütesiegel vom Tüv-Rheinland und eine Zertifizierung, wonach Vonovia die Nebenkosten so gering wie möglich hält und die Abrechnungen über hohe Transparenz verfügten. Einen Sanierungsstau gebe es nicht: In diesem Jahr plane die Firma Investitionen in Höhe von mehr als 600 Millionen Euro, was 31 Euro pro Quadratmeter entspricht, das sei mehr als jede andere Firma in der Branche.
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