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Bereits seit drei Monaten ist Beata Szydlo Polens Ministerpräsidentin - ungewöhnlich reiste sie zum Antrittsbesuch nach Berlin.
© REUTERS

Ministerpräsidentin Beata Szydlo bei Angela Merkel: Deutsch-polnische Beziehungskrise

Das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin ist stark abgekühlt. Das ist auch beim Besuch von Ministerpräsidentin Beata Szydlo bei Angela Merkel zu spüren.

Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo kam mit einem Vorschlag nach Berlin: Deutschland und Polen könnten gemeinsam ein humanitäres Projekt beginnen und in einem der Nachbarländer Syriens ein Krankenhaus oder eine Schule bauen. Angela Merkel sagte beim Mittagessen mit ihrer polnischen Amtskollegin zu. Es blieb allerdings die einzige neue deutsch-polnische Initiative, die von diesem Besuch ausging.

Drei Monate ist Szydlo bereits im Amt, doch es ist ihr erster Besuch in Deutschland. Angesichts der engen deutsch-polnischen Beziehungen kann diese ungewöhnlich späte Reise auch als Signal gewertet werden, dass das Verhältnis zu Deutschland für die Regierung der nationalkonservativen PiS-Partei nicht denselben Stellenwert hat wie für die Vorgängerregierung. Bezeichnend ist auch, dass Szydlo am Montag zunächst dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban einen Besuch abgestattet hatte – wie vor ihr schon Jaroslaw Kaczynski, der als Chef der PiS als eigentlich starke Figur der polnischen Politik gilt. Ihm ist an einer engeren Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen nicht gerade gelegen, aus seiner Sicht hat Deutschland eine zu starke Stellung in Europa.

Deutschland hat Kritik am neuen Mediengesetz in Polen vermieden

Das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau ist seit dem Regierungswechsel in Warschau abgekühlt, auch wenn die Bundesregierung es bewusst vermieden hat, die Beschränkungen der Macht des polnischen Verfassungsgerichts und das neue Mediengesetz öffentlich zu kritisieren. Die Kritik an der Politik der polnischen Regierung beruhe auf unzureichender Information der Medien, sagte Szydlo in einer Rede vor der Körber-Stiftung in Berlin. Zum Mediengesetz sagte sie, solche Regelungen seien auch in Frankreich eingeführt worden. Zugleich machte die Regierungschefin deutlich, dass es sich um eine innere Angelegenheit Polens handele. Die Veränderungen seien von den Wählern so gewollt.

Szydlo bekannte sich auch dazu, die bilateralen Beziehungen vertiefen zu wollen. Sie könne sich Polen ohne Deutschland nicht vorstellen und Deutschland nicht ohne Polen, betonte die Regierungschefin in ihrer Rede. Es gebe allerdings noch Dinge, über die man reden müsse. In der Praxis ist derzeit von diesem Bekenntnis zur Partnerschaft wenig zu sehen. Im Sommer jährt sich die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zum 25. Mal. Deutsche und Polen wollten deshalb eigentlich in diesem Jahr feiern, doch die Vorbereitungen kommen nicht recht voran.

So wartete die Bundesregierung dem Vernehmen nach lange auf ein Signal aus Warschau, dass die polnische Regierung eine Einladung zu gemeinsamen Konsultationen in Berlin im Juni annehmen würde. Merkel sagte dazu am Freitag nur, die Regierungskonsultationen würden fortgesetzt. Einen Termin gibt es noch nicht. Der Termin werde „derzeit abgestimmt“, sagte ein Regierungssprecher. Das Jubiläum am 17. Juni würden die beiden Präsidenten Joachim Gauck und Andrzej Duda feierlich begehen. Auf Wunsch der Regierung in Warschau soll die Situation der in Deutschland lebenden Polen zum Thema gemacht werden. Merkel kündigte an, dass es dazu eine Tagung geben werde.

Beim Treffen mit Merkel kam auch Nord Stream zur Sprache

Zu den Streitfragen im deutsch-polnischen Verhältnis gehört das Projekt Nord Stream 2, durch das die Kapazität der bestehenden Erdgasleitung von Russland nach Deutschland verdoppelt werden soll. Dieses Projekt sei unvereinbar mit den EU-Sanktionen gegenRussland und könne zu einer Destabilisierung der Ukraine führen, sagte Beata Szydlo in ihrer Rede. Auch beim Treffen mit der Kanzlerin kam Nord Stream zur Sprache.

Einen spürbaren Dissenz zwischen den beiden Regierungschefinnen gab es in der Flüchtlingspolitik. Szydlo sagte, man müsse auf europäischer Ebene nach Lösungen suchen, die „effektiv und effizient“ seien. Bisher sei das in der EU nicht immer der Fall gewesen. Die Kanzlerin widersprach. Man könne nicht schon nach sechs oder sieben Monaten sagen, dass etwas gescheitert sei. Merkel zog eine Parallele zur deutschen Wiedervereinigung – und zur polnischen „Solidarnosc“-Bewegung, die „uns sehr geholfen“ habe. Merkel betonte auch den Wert der deutsch-polnischen Freundschaft. „Es ist ein Stück eines kleinen Wunders, dass wir nach so schweren Zeiten in unserer Geschichte gut zusammenarbeiten“, sagte die Kanzlerin. „Dieses Glück müssen wir hüten und pflegen und weiterentwickeln.“

Neue Verstimmung durch Düsseldorfer Karnevalswagen

Zuletzt hatte ein Karnevalswagen diplomatische Verstimmung in Warschau ausgelöst: Ein Foto vom Düsseldorfer Rosenmontagszug, der wegen des Sturms gar nicht starten konnte, zeigte Polen als misshandelte Frau, der Vorsitzende der nationalkonservativen Partei Jaroslaw Kaczynski stellt ihr triumphierend den Stiefel auf den Kopf. Außenminister Witold Waszczykowski sprach von einer „Verachtung der Polen und der polnischen Politiker“ und kündigte an, dies auf diplomatischer Ebene zum Thema zu machen. Polens Ministerpräsidentin sagte in Berlin, die deutsch-polnischen Beziehungen ließen sich zum Glück nicht durch Politik zerstören.

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