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Die Rechtsanwälte und Angeklagten um den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen (hinterste Reihe 2.v.r.), stehen am 23.06.2015 in München (Bayern) zu Beginn des Strafprozessses gegen ihn und vier weitere Ex-Manager der Bank wegen versuchten Betrugs im Kirch-Prozess im Gerichtssaal des Landgerichts München I. In der ersten Reihe steht der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer (r), in der zweiten Reihe (2.v.r.) sein Nachfolger im Amt, Josef Ackermann.
© dpa

Deutsche-Bank-Prozess: Der verschwiegene Kronzeuge

Im Prozess gegen Jürgen Fitschen und zwei Ex-Vorstände der Bank hält sich der wohl wichtigste Zeuge bislang bedeckt.

München - Ein Richter muss noch lange kein guter Zeuge sein. Das zeigte sich gestern im Prozess gegen Jürgen Fitschen, Noch-Ko-Chef der Deutschen Bank, und vier weitere ehemalige Manager des Geldinstitutes. Guido Kotschy, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, gilt als Kronzeuge im Verfahren wegen versuchten Prozessbetrugs. Denn Kotschy war es, der im Zivilverfahren gegen die Banker wegen der Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch von einer Schuld der Banker ausging – die Bank zahlte daraufhin 2014 975 Millionen Euro Schadenersatz an die Kirch-Erben.

Für die Staatsanwaltschaft, die erst aufgrund von Hinweisen durch Kotschy mit den Ermittlungen begann, ist dieser als Zeuge nun ein Totalausfall. Gleich zu Beginn seiner Vernehmung meint er brüsk, dass er nichts über seine damaligen Einschätzungen des drei Jahre andauernden Prozesses sagen werde und beruft sich auf seine vom Grundgesetz garantierte richterliche Unabhängigkeit. Seine Bewertung habe er damals schriftlich festgehalten, da stehe alles drin.

Haben die Angeklagten gesagt, dass sie nach dem Bankrott Leo Kirchs kein Mandat für die Aufsplitterung des Imperiums wünschten? Oder haben sie gesagt, dass sie Gespräche suchten? Das ist der Kern des Verfahrens – die Anklage geht davon aus, dass Kirch von den Bankern erst in die Pleite getrieben wurde, damit sich das Institut dann wiederum als Berater an ihm bereichern konnte. Der Zeuge Kotschy allerdings verlangt bei jeder Frage, erst einmal in den Protokollen nachschauen zu können, um dann daraus zu zitieren. Erbost ruft Hanns Feigen, Verteidiger des Ex-Vorstandschefs Josef Ackermann, dazwischen: „Was soll das? Lesen können wir selbst.“ Die Verteidiger vermuten, dass Kotschy die Protokolle der Gerichtssitzungen von 2011 bis 2013 nicht korrekt gefertigt hat. Richter Peter Noll wendet allerdings ein, dass die Richter-Protokolle im Nachhinein von den Prozessbeteiligten genehmigt worden seien. Die Verteidiger beantragen, den Stenografen, ein Meister seines Faches, als Zeugen zu hören.

Der Ton wird schärfer. Sagt Guido Kotschy etwas zur Sache, so wird er aus dem Verteidigerlager hämisch gefragt, ob das nun nicht gegen seine richterliche Unabhängigkeit verstoße. Oder ob diese bei ihm nur „selektiv“ vorhanden sei. Als er sich nicht erinnert und dies damit begründet, dass das Geschehen schon vier Jahre zurückliege, lachen die Verteidiger. „Unseren Mandanten“, sagt Feigen in einer Pause, „wurde schließlich vorgeworfen, dass sie sich neun Jahre nach einer Vorstandssitzung nicht mehr wortgenau an einen unter ,Verschiedenes’ abgehandelten Punkt erinnern.“ Es geht dabei um eine Vorstandssitzung am 29. Januar 2002, als Breuer auf Kirch zu sprechen gekommen war. Vier Tage später gab er jenes bekannte Interview, in dem er dessen Zahlungsfähigkeit indirekt infrage stellte. Verteidiger Feigen glaubt beweisen zu können, dass die Deutsche Bank eben nicht an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Medienunternehmer interessiert war.

Frage um Frage will Guido Kotschy wieder in den Protokollen lesen, um seine Erinnerungen aufzufrischen. Die anderen stellen sich dagegen, da wird Kotschy laut und brüllt: „Es ist ein Gebot der Fairness, dass ich die Protokolle bekomme.“ Richter Peter Noll greift ein: „Nehmen Sie sich ein bisschen zusammen, alle miteinander.“ Patrick Guyton

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