Hochumstritten, aber politisch gewollt: Der Traum von der Superbank
Deutsche Bank und Commerzbank sprechen offiziell über eine Fusion. Doch ein solcher Zusammenschluss birgt große Risiken. Eine Analyse.
Erstmal wollen sie nur reden – das jetzt aber ganz offiziell. Deutsche Bank und Commerzbank haben am Sonntag bestätigt, dass sie Gespräche über eine Fusion führen wollen. Bislang hatten sie sich über das Thema nur informell im kleinen Kreis ausgetauscht. Sobald solche Gespräche aber konkreter werden, müssen Aktienkonzerne das öffentlich mitteilen. Das haben die beiden Geldhäuser nun getan.
Sie gehen damit einen weiteren, entscheidenden Schritt in Richtung Superbank. Trotzdem ist noch nicht gesagt, dass es am Ende tatsächlich zu einem Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank kommen wird. Die Vorstände wollen die Fusionsgespräche ergebnisoffen führen: „Es gibt keine Gewähr, dass es zu einer Transaktion kommt“, hieß es in einer Mitteilung der Deutschen Bank. Deren Chef Christian Sewing versprach den Mitarbeitern am Sonntag in einem Brief: „Wir werden ausschließlich wirtschaftlich sinnvolle Optionen verfolgen, mit denen wir an unsere Fortschritte von 2018 anknüpfen können.“
Die Krux ist: Unter Experten ist ein Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank hochumstritten – politisch aber ist er gewollt.
WER DIE FUSION WILL
Es sind dabei vor allem zwei Politiker, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Der eine ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) – der andere sein Staatssekretär Jörg Kukies. Allein letzterer hat sich im vergangenen Jahr fast zwei Dutzend Mal mit führenden Vertretern der Deutschen Bank getroffen. Nach außen hin versuchen Scholz und Kukies zwar, ihre Rolle in der Sache kleinzureden. Der Finanzminister sagte vor wenigen Tagen, die Bundesregierung sei lediglich „ein fairer Begleiter von privatwirtschaftlichen Diskussionen“. Gleichwohl wäre es ohne den politischen Druck zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu Gesprächen der beiden Geldinstitute gekommen.
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat bislang nämlich stets betont, eine Fusion mit der Commerzbank sei erst eine Option, wenn beide Häuser ihre „Hausaufgaben“ erledigt hätten. Davon aber kann keine Rede sein. Die Deutsche Bank hat 2018 zwar zum ersten Mal sei drei Jahren wieder einen Gewinn gemacht, doch das für sie wichtige Investmentbanking schwächelt weiter. Auch die Commerzbank ist in den schwarzen Zahlen, musste zuletzt aber einräumen, dass sie die selbst gesetzten Gewinnziele bis 2020 nicht erreichen kann.
WAS FÜR DIE FUSION SPRICHT
Dass die Politik trotzdem auf eine Fusion dringt, hat mit der Angst zu tun, die Commerzbank könne ansonsten an einen Konkurrenten aus dem Ausland gehen. Sowohl die französische Großbank BNP Paribas als auch die italienische Unicredit haben in der Vergangenheit bereits Interesse gezeigt. Kämen sie aber bei der Commerzbank zum Zug, wäre eine Fusion mit der Deutschen Bank endgültig vom Tisch – und der Traum der Politiker wäre ausgeträumt, eine neue, nennenswerte Großbank in Deutschland zu schmieden.
Doch genau die will man in Berlin unbedingt. Finanzminister Scholz erklärte das damit, dass Deutschland erfolgreiche, weltweit tätige Unternehmen habe. Da brauche man auch „starke, weltweit agierende Geldinstitute, um unsere Unternehmen zu begleiten”. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) pflichtete ihm in der Sache zuletzt bei. In seiner jüngst vorgestellten Industriestrategie heißt es, auch im Bankwesen brauche es „große und starke Akteure, die mit Wettbewerbern aus den USA oder China auf Augenhöhe sind“. Die Deutsche Bank nannte er dabei konkret als eines der Unternehmen, deren Erhalt im „nationalen Interesse“ sei. Die Commerzbank erwähnte Altmaier zwar nicht explizit. Sie dürfte der Bund aber allein schon deshalb erhalten wollen, weil er noch immer mit 15 Prozent an ihr beteiligt ist.
Schnell gehen soll es mit der Fusion der beiden Häuser vor allem wegen der Europawahl im Mai. Denn die neue Großbank könnte am Ende durchaus auf staatliche Beihilfen angewiesen sein. Die aber dürfen nur fließen, wenn Brüssel zustimmt. Und das könnte nach der Wahl schwierig werden, schließlich muss man sich dann in Brüssel erst einmal wieder neu sortieren. Deshalb dringt die Bundespolitik darauf, zumindest eine erste Vorentscheidung in Sachen Bankenfusion bis Ende Mai zu treffen.
WAS GEGEN DIE FUSION SPRICHT
Wirtschaftlich ist dieser Schritt hochumstritten. Durch die Fusion entstünde die mit Abstand größte deutsche Bank mit rund 38 Millionen Privat- und Firmenkunden, anfänglich rund 140.000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von fast zwei Billionen Euro. So sehr sich die Politik solch einen neuen Champion wünscht, so ist diese schiere Größe doch auch ein Problem. Würde nämlich diese neue Superbank in Schwierigkeiten geraten, müsste der Staat sie zwangsläufig retten – und das obwohl man sich nach der Finanzkrise eigentlich darauf verständigt hatte, eben das nicht mehr zu tun.
Auch für die Mitarbeiter wäre eine Fusion ein harter Einschnitt. „Ich befürchte, wir reden über ein mögliches Potenzial an Stellenabbau, was in einem deutlichen fünfstelligen Bereich liegt – zwischen 30.000 und vielleicht sogar 50.000 Mitarbeiter“, sagte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Ökonomisch wie politisch ist eine solch harte Restrukturierung problematisch. Nicht zuletzt die SPD dürfte sich anhören müssen, dass ausgerechnet ihr Vizekanzler Scholz eine Bankenehe eingefädelt hat, die tausende Jobs kostet. Doch Scholz scheint das in Kauf zu nehmen. Das Handelsblatt berichtet aus Finanzkreisen, Berlin habe am Samstag Signale nach Frankfurt am Main ausgesendet, dass die Bundesregierung einer harten Restrukturierung und einem umfangreichen Stellenabbau nicht im Wege stehen würde. Diese Zusage soll es gewesen sein, die Deutsche-Bank-Chef Sewing und Commerzbank-Chef Martin Zielke dazu bewogen hat, am Sonntagvormittag ihre Vorstände zusammenzurufen und Sondierungsgespräche zu vereinbaren.
WAS UNION UND GRÜNE DAZU SAGEN
Jenseits der SPD fühlen sich viele Politiker davon überrumpelt. Unions-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg etwa forderte Scholz „zur Zurückhaltung“ auf. Der Staat dürfe sich hier nicht einmischen. Geht es nach den Grünen, hat dagegen auch das Parlament etwas mitzureden. Über die Bankenfusion dürfe „nicht ohne Beteiligung des Bundestages entschieden werden“, sagte Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler.
Gewerkschaftsvertreter haben bereits angekündigt, in den Aufsichtsräten gegen die Fusion zu stimmen. Eine erste Chance, ihrem Unmut Luft zu machen, haben sie am Donnerstag. Dann nämlich tagen jeweils die Kontrollgremien der zwei Häuser. Dass beide Aufsichtsräte am selben Tag zusammenkommen, heißt es, sei jedoch reiner Zufall. (mit dpa, Reuters)