zum Hauptinhalt
Aus Freude an der Musik. Stefan Freymuth kommt regelmäßig im C. Bechstein Centrum im Berliner Stilwerk vorbei. Er will alles über die Branche lernen, bevor er den Vorstandsvorsitz übernimmt. Insgesamt gibt es in Deutschland 13 C. Bechstein Centren. Hier kann man ein neues Klavier ab 4000 Euro und einen Flügel ab 11600 Euro erhalten. Für ein Klavier der Marke Bechstein muss man aber mindestens 9950 Euro ausgeben.
© Doris Spiekermann-Klaas

Bechsteins neuer Hauptaktionär: Der Ton-Ingenieur

Ein Baufachmann hat den traditionsreichen Berliner Hersteller von Klavieren und Flügeln gekauft. Bald will er die Pianofortefabrik führen.

Die einen spielen Klavier, die anderen Bechstein. So wirbt die traditionsreiche Berliner Pianofortefabrik für sich. Stefan Freymuth war schon als Kind ein Bechstein-Spieler. Heute gehört ihm das Unternehmen. Fast 90 Prozent der Anteile hat er inzwischen erworben. Eigentlich sei es purer Zufall gewesen, dass am Ende alles passte und er bei Bechstein einsteigen konnte, sagt Freymuth. „Diese Branche braucht frischen Wind“, ist er überzeugt. Doch es ist nicht allein die Freude an der Musik, die ihn zum Kauf bewogen hat. „Ich möchte die Geschicke mitbestimmen“, sagt er.

Mit sieben Jahren sitzt Freymuth das erste Mal am Klavier, zunächst ist es noch ein Leihinstrument. „Irgendwann hat das Klavierspielen Spaß gemacht“, erinnert sich der 49-Jährige. Über einen Geschäftsfreund des Vaters kommt dann ein Bechstein-Flügel ins Haus. „Heute würde ich gern mehr spielen, die Kinder nutzen den Bechstein-Flügel jetzt.“ Die Musik begleitet Freymuth durch seine Jugend, über die Musik findet er Freunde. Zum Profi reicht es aber nicht.

Freymuth studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin, das Technische liegt ihm. Er steigt in die Firma seines Vaters ein. Auch das Baugeschäft Arnold Kuthe, gegründet 1896, ist ein Berliner Traditionsunternehmen. Früher habe Kuthe richtig viel gebaut – in Siemensstadt und am Flughafen Tempelhof zum Beispiel. Kaum einen Straßenzug gebe es in der Stadt, an dem Kuthe nicht beteiligt war, erzählt Freymuth. „Ich bin Bauingenieur, auch ich wollte bauen.“ Doch inzwischen seien die Preise „unauskömmlich“.

"Bei Bechstein wird richtig produziert, das liegt mir"

Heute ist Freymuth Geschäftsführer und Kuthe lebt von der Verwaltung eigener Immobilien. Auch Gebäude in der Potsdamer Straße gehören dazu, zum Beispiel das Haus Nummer 96 mit dem Wintergarten-Varieté darin. Das Varieté war Freymuths erster Abstecher abseits der Immobilienverwaltung. „Das Abenteuer Wintergarten, war gar nicht so geplant“, sagt er. Aber er wollte das in wirtschaftliche Not geratene Varieté nicht sterben lassen. Stattdessen gründet er die Arnold Kuthe Entertainment GmbH. Mit dem Programm des Wintergartens ist er noch nicht ganz zufrieden, es könnte noch etwas anspruchsvoller werden, meint er. „Auch wirtschaftlich sind wir noch nicht richtig glücklich“, aber er will weiter investieren. Der Wintergarten sei wie ein Hobby, das viel Geld kostet.

Bei Bechstein ist das anders. „Ich habe mich gern an dem Unternehmen beteiligt“, sagt Freymuth. „Aber es muss beides stimmen: das persönliche Interesse und der geschäftliche Erfolg.“ 2008 nahm er erste Kontakte zum Unternehmen auf. Bechstein war unzufrieden mit dem damaligen Partner, dem koreanischen Musikinstrumentenhersteller Samick. Freymuth hatte die Geschicke des Unternehmens schon jahrelang verfolgt. „Aus Liebe zum Instrument“, sagt er. „Die Immobilienbranche ist ein bisschen dröge.“ Samicks Ausstieg 2009 machte Freymuths Einstieg bei Bechstein möglich. Der Glanz der Marke habe ihn angezogen, die räumliche Nähe den Einstieg begünstigt und: „Bei Bechstein wird richtig produziert, das liegt mir“, sagt er. „Ich mag es, wenn man am Ende etwas anfassen und das Ergebnis der Arbeit sehen kann.“

Derzeit schaut der Bauingenieur vor allem dem noch amtierenden Vorstandschef Karl Schulz und seinem Team bei der Arbeit zu, um die Branche und das Gewerbe kennenzulernen. „Es wird hier viel mit Gefühlen gearbeitet, viel getratscht und Gerüchte gestreut“, hat er beobachtet. „Das kenne ich aus der Immobilienbranche so nicht.“ Oft kochten die Emotionen hoch. „Aber davon leben wir ja auch.“ Und von dem guten Klang der Marke.

Im vergangenen Jahr setzte Bechstein knapp 33 Millionen Euro um und verdiente unterm Strich drei Millionen Euro. Insgesamt wurden im Konzern 4088 Instrumente verkauft, davon 3357 Klaviere und 731 Flügel. Der überwiegende Teil der Instrumente geht an Privatleute. Die sind Freymuth als Kunden auch lieber, die wollen nicht so viele Nachlässe. Ein echtes Bechstein-Klavier gibt es ab 9950 Euro, einen Flügel ab 27 950 Euro. Alle Instrumente der Konzern-Marken Bechstein und W. Hoffmann werden in Deutschland oder Tschechien produziert. 166 Mitarbeiter hat das Unternehmen in Deutschland, im Konzern insgesamt 330. Immer wieder fährt Freymuth zur Fabrik ins sächsische Seifhennersdorf, „damit die Mitarbeiter so langsam wissen, wer das Unternehmen in Zukunft leiten wird.“ Ein weiteres Angebot zur Übernahme der restlichen Anteile an Bechstein will der Berliner nicht machen. Die Aktien seien im Moment einfach zu teuer: Seit dem Frühjahr 2012 ist der Kurs von 5,50 auf 10,40 Euro in die Höhe geschossen.

„In die strategischen Entscheidungen werde ich mich mit Sicherheit einbringen“

„Ich werde die Branche nicht revolutionieren“, kündigt Freymuth an. „Aber besser werden kann man immer.“ Er will die Fertigungstiefe erhöhen. „Das ist mein Steckenpferd.“ So sollen die Mitarbeiter im Bechstein-Konzern die Spielwerke künftig selbst herstellen. Bisher werden die Spielwerke, die so etwas wie das Getriebe eines Pianos sind, zugekauft und müssen in einem aufwendigen und extrem teuren Arbeitsprozess vollständig überarbeitet werden. Dass der Markt in Deutschland noch wächst, erwartet Freymuth nicht. Aber Marktanteile hinzugewinnen will er schon. Ein echter Wachstumsmarkt dagegen ist China, wo deutsche Produkte besonders gefragt seien. Hier will der künftige Vorstandschef über die chinesische Bechstein-Repräsentanz ein landesweites Netzwerk mit wirtschaftlich selbstständigen Einzelhandelspartnern aufbauen.

Freymuth hofft, dass der langjährige Vorstandschef Schulze auch nach seinem Ausscheiden Ende 2014 dem Unternehmen erhalten bleibt. Noch ist Schulze an 200 Tagen im Jahr bei den Händlern weltweit unterwegs. Für diese Aufgabe will Freymuth einen Nachfolger finden. „In die strategischen Entscheidungen werde ich mich mit Sicherheit einbringen“, sagt Freymuth. „Das Tagesgeschäft wird jemand anders leiten.“

Neben dem Unternehmen engagiert Freymuth sich auch in der Nachwuchsförderung. Er ist Initiator der Carl-Bechstein-Stiftung, die vor allem Kindern und Jugendlichen den Spaß am Klavierspielen vermitteln möchte. Unter anderem stellt sie Grundschulen kostenlos Klaviere zur Verfügung. „Auch in 100 Jahren sollen die Menschen noch Franz Liszt auf dem Klavier spielen“, wünscht sich Freymuth.

Corinna Visser

Zur Startseite