Kartellamt ermittelt gegen Deutsche Bahn: Der Staatskonzern missbraucht sein Monopol
Die Bahn behindert Konkurrenten beim Ticketverkauf, sagt das Kartellamt. Für den Konzern geht es um viel.
Der schnellste Weg zum Zug führt manchmal nicht direkt über den Bahnhof. Zum Beispiel in Köln. Wer dort im Schatten des Doms in den Thalys-Schnellzug nach Brüssel oder Paris steigen will, muss sich zuerst um ein Ticket kümmern. Im Reisezentrum oder am Automaten gibt es das nicht, denn Thalys ist ein Konkurrent der Deutschen Bahn. Die Thalys-Leute mussten extra einen Laden gegenüber dem Hauptbahnhof anmieten, für eine wohl happige Miete.
Wegen dieser Praxis bekommt die Deutsche Bahn nun Ärger. Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren eingeleitet. Der Vorwurf: Der Staatskonzern missbraucht seine starke Stellung, um Konkurrenten zu behindern. „Wettbewerber beklagen, dass sie allenfalls einen eingeschränkten Zugang zu den Vertriebskanälen der Deutschen Bahn haben“, sagte Behördenpräsident Andreas Mundt am Donnerstag. Man wolle klären, warum andere Bahn-Firmen ihre Tickets nicht an den Bahnhöfen verkaufen können. Mitunter vertreibt der Konzern indes Fremdfahrscheine – hier wolle man die Konditionen unter die Lupe nehmen, heißt es weiter. Außerdem will das Kartellamt prüfen, ob die Bahn ihre Konkurrenten zur Nutzung von Vertriebsleistungen zwingt. Einen Fragenkatalog von 26 Seiten hat er dazu an die Bahn geschickt und um Antwort binnen sechs Wochen gebeten.
Bahn verweist auf "Gedanken vom freien Wettbewerb"
Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg wies die Vorwürfe zurück. Man achte streng auf das Kartellrecht und sehe das Verfahren „gelassen“, sagte er. Andere Anbieter hätten ja die Möglichkeit, Flächen in den Bahnhöfen für den Verkauf zu mieten. Die Forderung, Konkurrenzfahrkarten anzubieten, entspreche „nicht dem Gedanken vom freien Wettbewerb“ .
Bei dem Streit geht es zum einen um den Fernverkehr. Hier hat die Bahn bislang wenig Konkurrenz, weil die Hürden für den Einstieg in den Markt hoch sind – der Staat zahlt keine Zuschüsse, Züge sind teuer, und das Angebot der Bahn ist bereits relativ dicht. Derzeit fahren nur zwischen Köln und Aachen, Leipzig und Warnemünde sowie zwischen Hamburg und Köln Konkurrenzfirmen; hier ist es der Anbieter HKX. „Wir haben einen Schaden durch die Praxis der Bahn“, sagte Geschäftsführerin Eva Kreienkamp dem Tagesspiegel. „Es muss eine grundlegende Änderung des Vertriebssystems geben, so dass Tickets aller Eisenbahnunternehmen in den Reisezentren verkauft werden.“ Ihre Firma verkauft Tickets vor allem per Internet, zudem kooperiert sie mit lokalen Verkehrsverbünden.
Kann die Macht der Bahn eingedämmt werden?
Relevanter ist das Thema für den Regionalverkehr. Hier haben sich Unternehmen wie Odeg oder Veolia bereits rund ein Viertel des Marktes gesichert, Tendenz steigend. Ihre Auftraggeber – Bundesländer oder Verkehrsverbünde, in der Hauptstadtregion etwa der VBB – verlangen aber, dass sie beim Ticketverkauf mit der Bahn kooperieren. Dafür verlangt die Bahn Branchenkreisen zufolge eine Provision zwischen 15 und 20 Prozent. Zudem sei nicht durchschaubar, wie die Bahn auf diese Beträge kommt. Für den umgekehrten Weg, wenn also der Konzern fremde Tickets vertreibt, zahle er nur Provisionen von sieben bis acht Prozent.
Der Kunde bemerkt davon zunächst wenig. Die Folge ist allerdings: Beim Wettbewerb um einen Verkehrsauftrag kann die Bahn mit günstigeren Preisen antreten, da der Vertrieb für sie billiger ist. Das schadet dem Wettbewerb.
Hier will auch das EU-Parlament ansetzen. Die Abgeordneten planen eine Richtlinie, die Mitgliedsstaaten zum Aufbau eines gemeinsamen Ticketsystems für alle Bahnen verpflichten soll. Das soll die Macht der dominierenden Schienenkonzerne eindämmen. Die Mitgliedsländer müssten dem Plan noch zustimmen.