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Schön hoch. Catherine Dussmann in ihrem gläsernen Büro unter dem Dach der Hauptverwaltung an der Friedrichstraße.
© dpa

Führungsspitze ausgetauscht: Der Rat der Frau Dussmann

Die Ehefrau von Unternehmensgründer Peter Dussmann hat die Spitze ausgetauscht. Was wird aus dem Dienstleistungskonzern?

Berlin - Besser passt kein Klischee. Eine gelernte, aber nicht sonderlich erfolgreiche Schauspielerin aus den Südstaaten der USA steigt mit der Unbekümmertheit der Unbedarften in die ziemlich großen Stiefel des Ehemanns. Und blond ist sie auch. Rund 55 000 Mitarbeiter in aller Welt beobachten das Manöver mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen. Was wird aus Dussmann? Und dann noch das Zerwürfnis mit dem einzigen Kind, dem möglichen Erben. „Die hat den Mann geheiratet, den der Vater nicht wollte“, sagt ein Kenner der familiären Umstände über Angela, die bald 30-jährige Tochter von Catherine und Peter Dussmann. Als Reaktion habe der Vater eine Stiftung zur Führung des Konzerns geschaffen, damit Angela nur ja nicht Einfluss nehmen kann auf die Firma.

So ist das Leben in einem deutschen Familienunternehmen. Nur ist Dussmann nicht ein mittelständischer Handwerksbetrieb mit 200 Leuten. Dussmann ist ein Milliardenkonzern mit Niederlassungen überall auf der Welt. Gesteuert wird der Riese von der Berliner Friedrichstraße aus. Dort, im Gebäude des „Kulturkaufhaus Dussmann“, sitzt Catherine Dussmann, gerne ganz oben unter einem Glasdach mit hübschen Aussichten über die Mitte Berlins. Künftig wird sie seltener hier sein, sagt ihr Sprecher Jan Flaskamp. „Frau Dussmann möchte sich wieder mehr um ihren Mann kümmern.“ Wirklich? Warum spielt sie dann eine größere Rolle im Unternehmen?

Der inzwischen 72-jährige Peter Dussmann ist seit einem Schlaganfall vor knapp drei Jahren ein Pflegefall. Die Hälfte der Woche verbringt Frau Dussmann bei ihm in Südfrankreich, die andere Hälfte ist sie in Berlin. Künftig also eher weniger. Aber lässt sich der Konzern vom Mittelmeer aus steuern? Oder möchte sie das gar nicht, sondern nur ein bisschen repräsentieren? „Sie will die Macht“, sagt ein Insider über die mutmaßlichen Motive des Rausschmisses von Thomas Greiner. Der war ein Vertrauter ihres Mannes, dem er lange als Sprecher diente. 2007 machte Dussmann Greiner zum Vorstandsvorsitzenden. Der Unternehmensgründer und -eigentümer wechselte in den Aufsichtsrat.

Greiner machte seinen guten Job, der Konzern überstand die Wirtschaftskrise ausgezeichnet. Dann das plötzliche Aus vor zwei Wochen. Natürlich „einvernehmlich“ trennte sich Frau Dussmann von Greiner. Angeblich hat sie ihren Mann zuvor gefragt, und der habe zugestimmt. Der 72-jährige Peter Dussmann kann nur noch „Ja“ und „Nein“ sagen.

Zum neuen Vorstandschef ernannte der Stiftungsrat dann unter der Leitung von Catherine Dussmann den 45-jährigen Maschinenbauer Dirk Brouwers. Der gehört seit 2005 dem Vorstand an „und wird Frau Dussmann keine Schwierigkeiten machen“, wie es im Unternehmen heißt. „Brouwers ist ein Stiller, der die Öffentlichkeit scheut.“ Womöglich die ideale Ergänzung zur Stiftungsrätin.

Am kommenden Dienstag wird nicht nur der Vorstandsvorsitzende die Geschäftszahlen bei der Jahrespressekonferenz präsentieren, sondern auch Frau Dussmann. Bereits im vergangenen Jahr wollte sie das machen, doch Greiner wehrte erfolgreich ab. Jetzt tritt sie also auf und kann glänzen: 2010 erreichte der Konzern neue Spitzenwerte beim Umsatz (mehr als 1,5 Milliarden Euro) und beim Ergebnis. Zum Gewinn macht das Unternehmen traditionell keine Angaben. Doch gewiss geht es der Familie nicht schlecht. Gebäudereinigung hat schon viele steinreich gemacht.

Die Dussmann-Gruppe besteht aus drei Bereichen: Service Inland sowie Service International mit alle möglichen Dienstleistungen rund um Gebäude und Catering. Die dritte Sparte ist Kursana, das Pflegegeschäft mit gehobenen „Seniorenresidenzen“. Demnächst kommt ein vierter Bereich hinzu: Kinderbetreuung. Hier soll es einen strategischen Dissens zwischen Greiner und Frau Dussmann gegeben haben. Der Vorstandsvorsitzende hätte gerne ein paar Dutzend Kitas gekauft und dann betrieben, die Stiftungsratsvorsitzende dagegen möchte ein eigenes Konzept, ein eigenes Baby entwickeln. „Sie wollte immer einen Bereich für sich haben“, heißt es im Unternehmen. Das hat sie geschafft. Ende Mai wird der erste „Kulturkindergarten“ beim Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn eröffnet. Das Besondere an dem neuen Kindergarten sind die Öffnungszeiten, nach Angaben Dussmanns die längsten in Deutschland. Eben so wie bereits beim „Kulturkaufhaus“ in der Friedrichstraße.

„Seit die Schauspielerin an der Regierung ist, hat sich das Klima verschlechtert“, meint Sebastian Riesner, Sekretär bei der Gewerkschaft NGG in Berlin, über Frau Dussmann und den Konzern, dessen Cateringsparte von der NGG betreut wird. Doch bereits vergangenes Jahr, also noch zu Greiners Zeiten, hat Dussmann den Arbeitgeberverband verlassen, um unter Tarif zahlen zu können. „Wir waren der letzte Großcaterer, der die Dehoga-Tarife gezahlt hat“, begründet Firmensprecher Flaskamp die Tarifflucht. Nach Tarif bekommt eine Küchenhilfe 8,12 Euro; wer jetzt bei Dussmann anfängt, der kriegt weniger.

Anders ist die Situation im Pflegebereich und beim Wachschutz. Hier gibt es inzwischen einen Mindestlohn, für den sich im Übrigen auch Ex-Dussmann-Chef Greiner eingesetzt hatte. Ein Wachmann in den neuen Ländern und Berlin arbeitet jetzt für 6,53 Euro die Stunde – mindestens. Das ist nicht viel und doch deutlich mehr, als bislang etwa in Thüringen gezahlt wurde, nämlich 4,76 Euro.

Von Dussmann als einem der größten Gebäudedienstleister Deutschlands wünschen sich die Gewerkschaften und Betriebsräte grundsätzlich mehr Einsatz für den Flächentarif. In der kommenden Woche treffen sich rund 100 Dussmann-Betriebsräte in Templin. Auch Frau Dussmann und Brouwers sind eingeladen. „Unverschämt“, so heißt es bei Verdi, habe man gefunden, dass Frau Dussmann nicht mal die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat über den Abgang Greiners informiert habe. Aber das war ja auch eine Sache des Stiftungsrats. Und da sitzen keine Arbeitnehmervertreter.

Dieses Gremium mit Frau Dussmann an der Spitze und einigen älteren Herren wie Wolfgang Clement (Ex-Minister), Giuseppe Vita (Ex-Schering-Chef) und Tessen von Heydebreck (Ex-Deutsche- Bank-Vorstand) ernennt den Vorstand und ist dabei ein reines Führungsorgan: Die Stiftung hält keine Anteile, die Firma gehört allein Peter Dussmann. „Der Stiftungsrat ist eine Ebene zwischen Eigentümer und Vorstand“, beschreibt Sprecher Flaskamp die Konstellation an der Konzernspitze. Und was wird nach Peter Dussmann? Womöglich überschneiden sich dann die Ebenen: Die Rätin ist auch Eigentümerin. Mehr Macht geht nicht.

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