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Dagmar Vogt wurde 2008 als Berlins Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet.
© promo

Interview zur Solarbranche: „Der Preiskampf geht zu Ende“

Dagmar Vogt, Präsidentin des Berlin-Brandenburg Energy Network, über die Zukunft der Solarbranche, die Mittelständler in der Region und das Potenzial in Indien.

Frau Vogt, wie laufen die Geschäfte?

Sehr gut. Das erste Quartal war das beste Quartal in unserer gut 20-jährigen Firmengeschichte.

Wie ist das möglich mitten in der Solarkrise?
Das liegt daran, dass wir uns schon 2007/2008 auf internationalen Boden begeben haben. Seit Mitte letzten Jahres sind wir sogar ausschließlich im Ausland tätig. In den vergangenen Monaten haben wir zum Beispiel vier Solarparks in Großbritannien ans Netz gebracht. Und wir sind im asiatischen Raum tätig, wo Solaranlagen als Ersatz für Diesel eingesetzt werden.

Inwiefern?
Auf den Philippinen, in Indonesien oder auch zum Teil in Indien findet die Stromversorgung mit Dieselgeneratoren statt, weil es häufig kein Stromnetz gibt. Und unter solchen Umständen ist Solarstrom als Ersatz für Diesel oftmals preiswerter.

Und welche Rolle spielt dabei Ihre Firma?
Wir machen praktisch alles. Es beginnt mit der Projektentwicklung, den Gesprächen mit Grundstückseigentümern, das gesamte Genehmigungsverfahren, die Finanzierung der Projekte, den Bau und schließlich den Betrieb der Anlagen.

Das alles von Berlin aus?
Ja. Wir haben am Berliner Standort im Moment 34 Mitarbeiter. Dazu kommen lokale Teams mit Joint-Venture-Partnern in Großbritannien, auf den Philippinen und in Indien.

Wie kommt eine kleine Berliner Firma in Asien zurecht?
Wir sind in der Region schon viele Jahre vertreten. In Indien haben wir unseren ersten großen Auftrag 2008 akquiriert und sind seitdem auch erfolgreich etabliert. Wichtig ist die Kooperation mit lokalen Partnern, was bei uns gut funktioniert.

Können die Inder und Briten Solaranlagen nicht allein bauen?
Das können die sicherlich auch. Aber bei Solarkraftwerken geht es um hohe Investitionen, entsprechend ist Finanzierungskompetenz erforderlich. Und man braucht internationale Investoren für solche Projekte, die dann mehr Vertrauen haben in eine Kombination aus europäischen und asiatischen Partnern.

Woher haben Sie das Finanzierungs- Know-how?
Das haben wir uns eingekauft und so unser Team mit Blick auf die Erfordernisse der Auslandsmärkte massiv verstärkt.

Und was passiert in Deutschland?
Wir haben uns ein bisschen vom deutschen Markt verabschiedet. Mit der Zehn-Megawatt-Grenze bei der Einspeisevergütung ist es schwierig, in Deutschland große Solaranlagen zu bauen. Doch irgendwann wird der deutsche Markt auch für uns zurückkommen, bis dahin konzentrieren wir uns auf andere Märkte. Wir kommen ja aus dem Fabrikgeschäft, haben also Fertigungsstätten gebaut für die Hersteller. Dieser Markt ist komplett weggebrochen.

Dann machen Sie überhaupt keinen Umsatz hierzulande?
In diesem Jahr nicht. Alles in allem soll unsere Firma auf drei Beinen stehen: das Solarkraftwerksgeschäft als größter Bereich, intelligente Energieversorgungssysteme inklusive Speicherungen und schließlich Beratungs- sowie Consultingleistungen für Fertigungsstätten. Im letztgenannten Bereich war zuletzt wegen der Krise nicht so viel los, aber das wird sich hoffentlich wieder ändern. In spätestens zwei Jahren rechnen wir mit einem Technologiesprung, so dass auch die vorhandenen Fabriken modernisiert werden müssen.

So optimistisch sind nicht alle. Was haben Sie gedacht, als Sie vom Ausstieg des Bosch-Konzerns aus der Solartechnik gehört haben?
Ich finde das insgesamt sehr traurig, was mit der Industrie in Deutschland passiert ist. Von Großunternehmen hätte ich erwartet, dass die vielleicht doch einen längeren Atem haben. Nun hoffe ich, dass Deutschland zumindest noch ein kleiner Produktionsstandort für Solarmodule bleibt. Aber ich habe natürlich Verständnis für Bosch, nachdem die Verluste enorme Dimensionen angenommen hatten.

Wie nehmen Sie denn die Solarbranche insgesamt wahr? Schrumpfen die Überkapazitäten und verlangsamt sich der Preisverfall?
Die erneuerbaren Energien sind immer noch eine Erfolgsgeschichte. Sicherlich ist die Branche gebeutelt, aber das betrifft vor allem die Hersteller von Solarzellen und -modulen. Aber wenn man sieht, was alles gebraucht wird, um eine Solaranlage zu bauen, zum Beispiel auch die Handwerker, die Solarpanelen auf die Dächer bringen, dann verdienen noch immer sehr viele Menschen ihr Geld damit. Solar ist für viele kleine und mittlere Betriebe noch immer eine Erfolgsbranche.

In Berlin-Brandenburg sah es in den vergangenen anderthalb Jahren eher nach einer sterbenden Branche aus.
Das hängt mit der besonderen Struktur zusammen. Es gibt eine Konzentration von Fertigungsunternehmen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Brandenburg rund um Frankfurt an der Oder. Als ein Hersteller nach dem anderen in Schwierigkeiten kam, wurden diese Probleme auf die gesamte Branche übertragen. Dabei ist die Herstellung nur ein Teil der Wertschöpfungskette, zu der viele Handwerker und Hidden Champions gehören. Aber eben auch noch Fertigungsstätten.

Bosch hat noch eine Modulfertigung in Prenzlau und eine Dünnschichtzellenfabrik in der Stadt Brandenburg. Gibt es für beide eine Perspektive?
Ich denke schon. Die vergangenen zwei, drei Jahre waren für alle Hersteller sehr schwer. Auch für die chinesischen übrigens, wie die Insolvenz des Marktführers Suntech zeigt. Die haben den Preisverfall forciert und selbst stark darunter gelitten. Dieser ruinöse Preiskampf wird zu Ende gehen. Und perspektivisch braucht die Welt erneuerbare Energien und Solarkraft. Deshalb haben auch Standorte wie Prenzlau und Brandenburg eine Zukunft. Und wenn die Antidumpingzölle der EU kommen, werden vermutlich sogar wieder Produktionsstätten nach Europa zurückverlagert.

Also ist die Stimmung gar nicht so schlecht im Berlin-Brandenburger Energy Network?
Durchaus nicht. Wir bringen ja die lokalen Akteure zusammen, um Projekte anzugehen und gemeinsam Märkte zu erschließen. Hier in der Region sind sehr viele mittelständische Unternehmen ansässig, die alle auch international tätig sind. Da macht es schon Sinn, Aktivitäten zu bündeln, Messeauftritte oder Reisen ins Ausland gemeinsam zu organisieren. Dazu pflegen wir die Kontakte zur lokalen Politik.

Und das funktioniert alles prächtig?
Der Zusammenhalt ist da. Es gibt zum Beispiel keine Scheu bei den Firmen, ihre Informationen auch zu teilen. Wir haben sehr gute Unternehmens- und Marketingberatungen im Netzwerk, die dann zum Beispiel für die anderen Mitglieder auch Marktinformationen aufbereiten. Das reicht von Präsentationen über Märkte im Nahen Osten bis hin zu Japan und Brasilien und ist eine enorme Erleichterung für die Unternehmen.

Und wie geht es mit der Politik? Ist die holprige Energiewende zum Risiko geworden für die Fotovoltaik?
Das ist eine ganz schwere Frage. Ein paar Mal hat man aber wirklich gezittert und musste noch mal ganz neu rechnen. Ich bin ja ein Kind der Demokratie und glaube an unsere Grundsätze, und zwar auch an Investitionsschutz. Aber wenn ich dann höre, dass nachträglich Anlagen besteuert werden sollen, dann ist das natürlich nicht gut für das Vertrauen. Alle Investitionsentscheidungen sind ja durchgerechnet und mit Banken durchkalkuliert worden. Und wenn nachträglich Abgaben kommen, dann bricht so ein Modell schnell zusammen.

Da sind Sie in Indien auf der sicheren Seite?
Nein. Aber da geht man ja auch mit einem anderen Sicherheitsfaktor in ein Projekt und kalkuliert entsprechend. In Europa vertraut man eben auf Investitionsschutz und auf Zusagen.

KARRIERE

Dagmar Vogt, diplomierte Chemieingenieurin, gründete 1991 ein Ingenieurbüro für Projektmanagement. 1998 gab es einen ersten Auftrag aus der Solarbranche. Die 1964 in Ostfriesland geborene Vogt wurde 2008 Berliner Unternehmerin des Jahres. Seit 2010 ist sie Präsidentin des Berlin-Brandenburg Energy Network, dem derzeit rund 60 Solarunternehmen in der Region angehören.

UNTERNEHMEN

Die Berliner ib Vogt GmbH wurde in ihrer heutigen Form 2002 von Dagmar Vogt gegründet. Gemeinsam mit Tochterfirmen in Indien, Großbritannien, Singapur und den Philippinen plant und baut ib Vogt Solarkraftwerke und Fotovoltaikfabriken. Inzwischen hat die Firma, die zuletzt auf einen Umsatz von 45 Millionen Euro kam, mehr als 20 Fotovoltaikproduktionsstätten gebaut.

Alfons Frese

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