Gerd Billen wird Staatssekretär: Der oberste Verbraucherschützer wechselt ins Justizministerium
Der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen wechselt in das neue Justiz- und Verbraucherministerium. Dass er dort in Konflikt mit seiner bisherigen Aufgabe gerät, ist nicht ausgeschlossen - und schon jetzt ist abzusehen, mit welchen Erwartungen er konfrontiert sein wird.
Mit dem Landwirtschaftsministerium haben sich die deutschen Verbraucherschützer nie so recht anfreunden können. Verbraucherschutz und Gülleverordnung, das passt nicht zusammen, spottete Deutschlands oberster Verbraucherschützer Gerd Billen wenige Tage vor der Bundestagswahl im Tagesspiegel-Interview. Billen, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV), forderte ein neues Ministerium, in dem die „Zuständigkeiten für Justiz, Verbraucherfragen und Datenschutz gebündelt werden“. Das hat er jetzt bekommen – und einen neuen Job gleich dazu. Als beamteter Staatssekretär soll Billen den neuen Justizminister Heiko Maas in Verbraucherfragen unterstützen. Favorit für die Nachfolge an der Spitze des VZBV ist nach Tagesspiegel-Informationen der bisherige Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Klaus Müller.
Wie wichtig der Verbraucherschutz im neuen Ministerium sein soll, zeigt auch die zweite Personalie: SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber wird parlamentarischer Staatssekretär. Sowohl Billen als auch Kelber sind keine Juristen, sondern hauptberuflich in der Verbraucherpolitik unterwegs. Kelber ist seit 2005 in der SPD für den Verbraucherschutz zuständig, bei den Koalitionsverhandlungen führte der Vater von fünf Kindern für die SPD die Gespräche in der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz. Billen hat Sozial- und Ernährungswissenschaften sowie Haushaltswissenschaften studiert. Sechs Jahre lang war er Chef des VZBV, mit Kelber kann er gut. Beide sind Duz-Freunde.
Einziger Jurist unter den neuen Staatssekretären ist der SPD-Politiker Christian Lange. Nach Tagesspiegel-Informationen soll aber noch ein weiterer Jurist hinzukommen und die bisherige beamtete Staatssekretärin Birgit Grundmann von der FDP ablösen.
Den Wechsel Billens, der jahrelang für mehr Geld und mehr Kompetenzen für seinen VZBV gestritten hat, ins Ministerium sieht man bei Lobby Control gelassen. „Ein Wechsel aus dem Lobbybereich in die Politik muss möglich sein“, sagte Timo Lange, Sprecher der lobbykritischen Organisation. Allerdings müsse sich Billen bei Entscheidungen über die Finanzierung des VZBV und die Übertragung weiterer Aufgaben an den Verband zurückhalten.
Beim VZBV dürfte man das anders sehen. Billen habe viel für den VZBV erreicht, lobte Lukas Siebenkotten, Vorsitzender des VZBV-Verwaltungsrats, den scheidenden Chef. „Es stimmt uns zuversichtlich, dass er das als Staatssekretär fortsetzen wird.“ Lob findet Siebenkotten aber auch für den neuen Ressortzuschnitt des Justiz- und Verbraucherministeriums. Anders als das Agrarministerium hat das Justizressort ein Initiativrecht für neue Gesetze und war schon in der Vergangenheit für manche Reform im Verbraucherbereich zuständig – etwa für den Schutz der Verbraucher vor unseriösen Internethändlern, unerlaubter Telefonwerbung oder überteuerten Abmahnungen für Internet-Downloads.
Im Bauernministerium waren die 50 bis 60 Mitarbeiter, die sich um Themen wie das Verbraucherinformationsgesetz oder Geldautomatengebühren gekümmert haben, dagegen eher Fremdkörper. Nun ziehen sie ins Justizministerium um. Dem neuen Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dürfte jedoch die Zuständigkeit für die Lebensmittelsicherheit bleiben – und für neue Lebensmittelskandale. Dafür darf der Franke und nicht der Saarländer Maas im Januar den traditionellen Rundgang auf der Grünen Woche übernehmen und Kälber streicheln.
Von Maas wird anderes erwartet. „Als starkes Verbraucherministerium kann und muss es jetzt die Verbraucherrechte in der digitalen Welt ausgestalten“, fordert Holger Krawinkel, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim VZBV. Zudem müsse das Ministerium dafür sorgen, dass die Energiewende „kosteneffizient und gerecht umgesetzt wird“, meint der Verbraucherschützer, der jetzt übergangsweise die Leitung des Verbands übernimmt.
Am Mittwoch trifft sich der achtköpfige Verwaltungsrat, um die Nachfolge Billens auf den Weg zu bringen. Gute Chancen hat nach Tagesspiegel-Informationen Klaus Müller, der jahrelang Umweltminister in Schleswig-Holstein war und seit 2006 die einflussreiche VZ Nordrhein-Westfalen leitet. „Die Stelle muss ausgeschrieben werden“, sagte Müller dem Tagesspiegel. „Dann überlege ich, ob ich mich bewerbe.“ Die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat werde er so lange ruhen lassen.