FFA-Präsident Bernd Neumann: Der Mann für das Eingemachte
Er ist der Mann des deutschen Films: Bernd Neumann ist seit einem Jahr der Präsident der Filmförderungsanstalt. Ein Vierteljahrhundert setzt er sich nun schon für den deutschen Film ein und scheint jetzt die Rolle seines Lebens gefunden zu haben. Und er hat sich viel vorgenommen.
Irgendwann im Gespräch fällt das Wort. Er sei ein Cineast, sagt Bernd Neumann. Cinéaste heißt es im Französischen, daher stammt der Begriff. Und auch wenn man darunter – ganz neutral – einen Liebhaber der Filmkunst, einen Kenner der Filmgeschichte versteht, so schwingt beim Cineasten doch immer auch die Verehrung für den französischen Film mit. Neumann macht gar nicht den Versuch, das abzustreiten. Er findet, dass die Franzosen eine "noch ansprechendere Filmkultur" haben als wir Deutschen. Aber erstens hat Frankreich die Quote. Das macht es leichter. Vor allem aber, so Neumann, könne Deutschland auch dahin kommen, wo Frankreich bereits ist: zu einem Anteil von 40 Prozent heimischer Filme in den Kinos (in Deutschland sind es rund 25 Prozent.). Für Neumann ist das ein erstrebenswertes Ziel. Zwar glaubt er, dass das "ein langer Weg ist". Aber Neumann scheint fest entschlossen, diesen Weg zu gehen.
Bernd Neumann ist der Mann des deutschen Films. Dutzende Male im Jahr geht er ins Kino, er liebt die große Leinwand, die so viel besser ist als ein Notebook-Display. Mit der gleichen Verve, mit der er Filme konsumiert, setzt er sich für den Erhalt und das Fortkommen des deutschen Films ein. "Weil wir damit ein Stück unserer Kultur zum Ausdruck bringen." Die Filmbranche liebt ihn für solche Aussagen, für sein Engagement. Auch deshalb sitzt Neumann seit einem Jahr in diesem Büro am Hackeschen Markt mit Blick auf den Fernsehturm. Die Filmwirtschaft wollte, dass er das Amt des Präsidenten der Filmförderungsanstalt (FFA) übernimmt. Der 73-Jährige ist der Bitte gerne nachgekommen. "Mit der Wahl bin ich in einen meiner Lieblingsbereiche zurückgekehrt", sagt er.
Neumann hat nie verhehlt, dass er ein Filmfreund ist. Auch nicht während seiner Zeit als Staatsminister für Kultur und Medien. Von 2005 bis 2013 hatte der CDU-Mann das Amt inne. In dieser Funktion hat er sich auch um Opernhäuser und Museen gekümmert. Dem Film aber hat er sich mit besonderer Leidenschaft gewidmet. Und mit großem Erfolg, gerade auch für die Region. Er hat den Film am Standort Berlin-Brandenburg zu neuem Leben erweckt. Hat dafür gesorgt, dass Berlin heute einen internationalen Ruf genießt. Hat Glanz und Glamour und große Namen in die Hauptstadt gebracht. Regisseure wie Quentin Tarantino oder Bryan Singer, Schauspieler wie George Clooney oder Tom Cruise. Erst Ende letzten Jahres waren Steven Spielberg und Tom Hanks in der Stadt. Der Agententhriller "St. James Place" wurde unter anderem auf der Glienicker Brücke und in der Karl-Marx-Allee gedreht.
Als Neumann Mitte der Nullerjahre das Amt des Kulturstaatsministers übernahm, machten die meisten internationalen Filmstars einen Bogen um die Hauptstadtregion. Die Berliner Filmwirtschaft lag nahezu am Boden, das Filmstudio Babelsberg "war so gut wie pleite. Die hatten gerade einmal ein, zwei größere Produktionen", sagt Neumann. 2007 hat er deshalb den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, deutsche Produktionen zu unterstützen und die Wettbewerbsnachteile gegenüber Ländern wie England oder Frankreich auszugleichen. Zum anderen wollte man damit die internationalen Produktionen nach Berlin und Brandenburg zurückholen, vor allem ins Filmstudio Babelsberg.
"Die Region ist dringend darauf angewiesen"
Acht Jahre später ist der DFFF vor allem deshalb ins Bewusstsein der Berliner gerückt, weil Neumanns Nachfolgerin im Amt des Kulturstaatsministers, Monika Grütters, den Fonds, der jedes Jahr mit einem Volumen von mindestens 60 Millionen Euro ausgestattet war, auf 50 Millionen Euro gestutzt hat. Grütters hat dafür viel Kritik einstecken müssen, die Filmwirtschaft befürchtet, dass sich internationale Produzenten künftig wieder häufiger für Standorte im europäischen Ausland entscheiden – Berlin also meiden.
Parteikollege Neumann nimmt Grütters in Schutz. Mit der Kürzung um zehn Millionen Euro habe sie ihren Beitrag zur allgemeinen Stabilisierung des Haushalts leisten müssen. Neumann sagt aber auch, dass "wir eher mehr als weniger Geld brauchen". Der Fonds habe enormen Erfolg. "Die Region ist dringend darauf angewiesen."
Eine diffizile Arbeit
Neumann spricht Klartext. Weil es ihm ernst ist. Immer schon ernst war. Seit einem Vierteljahrhundert setzt er sich für den deutschen Film ein. Von 1989 bis 1999 war er in einer Drehbuchkommission tätig. 1000 Drehbücher hat er gelesen und geprüft. Anschließend saß er sechs Jahre lang in der Jury für den Deutschen Filmpreis. Von 1998 bis 2005 war er außerdem schon einmal bei der FFA, als Präsidiumsmitglied.
Nun also ist er ihr Präsident. Die neue Rolle steht ihm gut, und doch fühle sie sich noch ein bisschen ungewohnt an. Als Politiker hat er die "Weichenstellungen vorgegeben", sich mehr ums große Ganze gekümmert. Die Arbeit als FFA-Präsident sei "diffiziler", sagt der gebürtige Bremer. Aber dafür "geht es hier ums Eingemachte, es geht um die Förderung als solche". Neumann entscheidet jetzt darüber, welche Produktionen einen Teil der 76 Millionen Euro bekommen, die die FFA jedes Jahr zur Verfügung hat. Die Gelder stammen übrigens nicht aus dem Staatshaushalt, sondern werden von der Branche selbst eingebracht.
Das Kulturgut "Film" bewahren
Filmförderung – das bedeute mehr als Geld zu verteilen, sagt Neumann. Um das Kulturgut Film zu bewahren, das "ansprechendste Medium, um gesellschaftliche Themen zu beleuchten und zu erzählen", müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Banken zum Beispiel, grundsätzlich eher zurückhaltend bei der Film-Finanzierung, müssten stärker ins Boot geholt werden. Es gibt zwar Programme von Seiten der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Aber da müsse noch mehr passieren, und da "wollen wir noch mehr tun".
Es sei Aufgabe der FFA, also seine Aufgabe, die Produzenten zu unterstützen. Deren Kapitalausstattung ist mangelhaft, weiß der ergraute Herr; für sie werde es immer schwerer, Geld mit ihrer Arbeit zu verdienen. Ein Grund dafür sei, dass Filme häufig von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern vorfinanziert werden, die sich damit auch die Rechte daran sichern. In der Szene wird daher seit Längerem über ein so genanntes Lizenzmodell nachgedacht. Neumann unterstützt es nachdrücklich. Denn bei diesem Modell gibt der Produzent die Rechte am Film nur vorübergehend ab; für den Zweitverwertungsmarkt erhält er sie zurück. "Das totale Buy-out, so wie wir es jetzt haben, ist in einer Zeit mit mehreren Zweitverwertungstechniken nicht mehr hinnehmbar", sagt Neumann.
Reformbedürftig sei ferner das Urheberrecht. Daran beißt sich Neumann seit Längerem die Zähne aus, schon als Minister hat er den Schutz des geistigen Eigentums auch in der digitalen Welt gefordert: "Leider sind wir auf halber Strecke stehengeblieben". Jetzt sei es umso dringlicher, die Koalitionsvereinbarungen umzusetzen. Fast hätte er "wir" gesagt, ganz so, als wirke er noch in der Regierung mit. Er hat dann die Kurve gekriegt: "Das fordert die FFA ein", sagt Neumann.
Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen
Sabine Hölper
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