Beschlüsse für die Tonne: Der Kampf der Kommunen um den Plastikmüll
Die Politik streitet: Sollen die Kommunen das Geschäft mit Plastikmüll kontrollieren – oder die privaten Entsorger? Einige Entsorger leben gut mit dem Streit. Da sich vor einer Einigung nichts ändert.
Vordergründig geht es um Drahtkleiderbügel, altes Plastikspielzeug, verbeulte Bratpfannen – und das Recht und die Pflicht, all diese einzusammeln und zu verwerten. Somit spielt auch der Umweltschutz, der Umgang mit Ressourcen, eine Rolle. Hintergründig geht es bei dem Streit, der im bundespolitischen Berlin am Freitag neuen Schwung bekam, um noch Grundsätzlicheres: Staat oder Privat – wer darf und wer kann mit dem Müll das große Geld verdienen?
Die private Entsorgungswirtschaft versucht es seit einem Vierteljahrhundert mit wechselndem Erfolg. 1991 hatten die Unternehmen, begleitet vom Gesetzgeber, ihr Duales System Deutschland gegründet, erkennbar an dem „Grünen Punkt“. Das Prinzip: Produzenten von Plastik, also zum Beispiel die Lebensmittelindustrie, zahlen an das Duale System für die Entsorgung ihrer Verpackungen. Das Geld holen sie bei den Endkunden rein. Verbraucher wurden aufgefordert, die leeren Verpackungen mit dem Grünen Punkt im Gelben Sack zu entsorgen. Doch mit den Jahren geriet das System immer wieder in finanzielle Schieflage. Mal klappte das Einsammeln der Beiträge bei der Industrie nicht, mal spielten Endverbraucher nicht so recht mit.
Bund und Länder sind sich nicht einig
Seit Jahren versucht der Bund das System zu reformieren. Vergangenen Sommer hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gemäß dem Koalitionsvertrag mit der Union Eckpunkte eines Wertstoffgesetzes vorgelegt, das die bisherige Verpackungsverordnung ablösen soll. Die Zuständigkeit für diese Abfälle soll aber grundsätzlich bei der Privatwirtschaft bleiben. Im Oktober legte das Ministerium einen Arbeitsentwurf vor. „Der wird derzeit überarbeitet, in den nächsten Monaten soll dann der Referentenentwurf folgen“, sagte ein Sprecher am Freitag zum Stand der Dinge.
Erschwert wird der Prozess durch die Bundesländer, die sich am Freitag bei diesem zustimmungspflichtigen Gesetzesvorhaben positioniert haben. Auf Antrag der von SPD und Grünen regierten Länder Baden-Württemberg, Nordrhein- Westfalen und Schleswig-Holstein forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Verantwortung für die Wertstofftonnen den kommunalen Entsorgern zu übertragen.
Nur 36 Prozent des Plastikmülls werden verwertet
„Wir sind nach wie vor an einer Verständigung interessiert und werden das Gespräch mit den Ländern suchen“, kommentierte ein Sprecher des Umweltministeriums den Beschluss. Es gehe um Verbesserungen für Verbraucher und Umwelt. Man wolle mehr Recycling und man wolle den Bürgern das Recycling durch die Wertstofftonne erleichtern. „Da sind sich im Grunde alle einig, so dass es schade wäre, wenn man sich bei den Details zerstreiten würde.“ Ziel der Regierung ist es, dass mindestens 72 Prozent der Kunststoffabfälle im Haushaltsmüll als Rohstoff wiederverwendet werden. Zurzeit sind es etwa 36 Prozent.
Während die meisten Länder und Kommunen das Duale System auf dem Weg zum Ziel in die Tonne treten wollen, um ihren öffentlichen Versorgern Zugang zu einem neuen Geschäftsfeld zu ermöglichen, hoffen die Betreiber des Systems noch, mit einer Reform der tödlichen Revolution zu entgehen. „Mit seinen Maximalforderungen schmälert der Bundesrat die Chancen auf einen Kompromiss und die Verabschiedung eines Wertstoffgesetzes“, erklärte Michael Wiener, Chef der Duales System Holding. „Die zukunftsfähige Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft wird damit blockiert“. Mit der Entschließung fordere der Bundesrat die Bundesregierung zu einer Rekommunalisierung und Bürokratisierung der Sammlung, Sortierung und Verwertung von Wertstoffen auf.
Verstaatlichung? Nein, beteuern die Kommunen
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte das Votum der Länder „mit Nachdruck“, wie es in einer Mitteilung hieß. Die Organisationsverantwortung über die Wertstofferfassung biete den Kommunen die Möglichkeit, den Bürgern Abfallentsorgung aus einer Hand anzubieten. Sie bedeute nicht, wie in oft behauptet werde, dass es zu einer „Verstaatlichung“ der Abfallentsorgung käme. Denn, argumentieren die Kommunalbetriebe: „Wie bisher werden viele Kommunen ihre Entsorgungsleistungen ausschreiben und in einem fairen Wettbewerb an private Entsorger vergeben.“
Die privaten Entsorgungskonzerne scheinen darauf zu spekulieren, dass der politische Streit um das Geschäft den Status quo konserviert. „Die große Mehrheit von vierzig Stimmen für die rot-grüne Initiative hat deutlich gezeigt, dass ein Wertstoffgesetz auf Grundlage des Koalitionsvertrages derzeit keine Aussicht auf Zustimmung im Bundesrat hat“, analysierte Susanne Jagenburg, Sprecherin des Berliner Recyclingkonzerns Alba Group die Lage. Es sei daher kaum damit zu rechnen, dass das Projekt Wertstoffgesetz noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werde. „Das muss aber bei weitem kein Nachteil sein: Denn kein Wertstoffgesetz ist allemal besser als ein schlechter Kompromiss.“
In Berlin haben sich Alba und BSR geeinigt
Im Land Berlin beweist Alba, der nach Remondis zweitgrößte Abfallentsorger, wie man auch in Harmonie mit dem kommunalen Rivalen leben kann. 2013 einigte man sich mit der landeseigenen BSR auf die „gemeinsame Wertstofftonne“ mit einem Aufkleber in den BSR-Farben orange und Alba-Gelb. Rund 82 Prozent dieser Tonnen sammelt Alba ein, den Rest die BSR. In Berlin zeige man bereits jeden Tag, dass eine gemeinsame Wertstofferfassung auch auf Grundlage der geltenden Gesetze erfolgreich durchgeführt werden könne. „Und auch bundesweit zeigt die Praxis, dass mehr als ein Drittel aller Haushalte bereits eine Wertstofftonne nutzt, ohne dass dazu ein neues Gesetz nötig ist.“
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