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Joachim Hunold: Der Herbst des Patriarchen

Joachim Hunold hat Air Berlin groß gemacht. Doch die Zahlen sind schlecht – wird der Chef zur Belastung?

Berlin - Der Monat hatte eigentlich ganz schön begonnen. Am 1. Mai fuhr Joachim Hunold um kurz vor elf auf dem Flugfeld in Tegel vor. Der Air-Berlin-Chef wollte natürlich dabei sein, als die erste Maschine seiner Fluggesellschaft abhob in Richtung New York. Ein großer Tag für Air Berlin – und auch wenn es bereits die achte Langstrecke im Portfolio ist: An solchen Tagen ist der Chef gern selbst vor Ort. Ob seine Kollegen ihn dort noch immer gern sehen, wird allerdings von Woche zu Woche fraglicher. An diesem Mittwoch wird Hunold mit seinem Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer wieder schlechte Zahlen erklären müssen: 188,3 Millionen Euro operativer Verlust standen – trotz gestiegener Umsätze – am Ende des ersten Quartals. Das war fast das Doppelte wie im Vorjahreszeitraum. Und das setzt den in letzter Zeit ohnehin stark kritisierten Macher von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft zusätzlich unter Druck.

So einfach austauschen aber kann man ihn nicht. Schließlich gäbe es Air Berlin ohne Joachim Hunold nicht. Mit zwei Flugzeugen begann der ehemalige Gepäckverlader vor 20 Jahren und machte aus der kleinen Firma die sechstgrößte Fluggesellschaft Europas mit 33 Millionen Passagieren im Jahr. Das Unternehmen ist heute mehr als dreimal so groß wie 2005, im Jahr vor dem Börsengang. Hunold dachte jahrelang nur an Wachstum und Expansion. Zu große Risiken sei er dabei eingegangen, sagen seine Kritiker, er habe die Kontrolle über das rasant gewachsene Unternehmen verloren. Der Duzfreund des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) wollte ein Chef zum Anfassen bleiben. Einer, der seine Herkunft nicht vergisst, einer der zupackt. Und einer, der gern allein entscheidet.

Bei heute 8900 Mitarbeitern in der Firmengruppe und 169 Flugzeugen ist das schwierig. Hunold, der Familienmensch, führt die Gesellschaft noch immer wie ein Familienunternehmen – unmöglich sei das, heißt es aus Unternehmenskreisen. Er könne nicht delegieren, Entscheidungen würden dadurch verzögert. Ist der Vater von Air Berlin zum Patriarchen geworden, der seinen Abschied verpasst hat?

Offen aussprechen will das niemand. Am Mittwoch werden erneut externe Kriterien für das schlechte Ergebnis herhalten müssen. Steigende Kerosinpreise, die neue Luftverkehrssteuer, schließlich die Unruhen in Nordafrika, die Air Berlin als größten deutschen Anbieter von Flügen nach Tunesien und Ägypten besonders trafen. Und dann fiel auch noch die Reisezeit um Ostern komplett ins zweite Quartal. Die Verdopplung des operativen Verlusts vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 98,6 Millionen Euro auf 188,3 Millionen Euro gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres aber bewertet Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler als „neue Dimension“.

Bislang sah der Air-Berlin-Vorstand keinen Grund, das für dieses Jahr ausgegebene Ziel zu ändern: Nach den 9,3 Millionen Euro operativem Verlust im Vorjahr, will man wieder einen operativen Gewinn einfliegen. Analysten glauben daran längst nicht mehr und sehen Air Berlin inzwischen sogar als Übernahmekandidaten. Die Aktie, einst bei elf Euro gestartet, liegt heute nur noch bei drei Euro, die Anleger bleiben skeptisch.

Joachim Hunold, der eigentlich Pilot hatte werden wollen, droht die Bruchlandung. Branchenkenner bescheinigten ihm früher eine goldene Nase für Trends. Nun aber muss Hunold immer öfter sagen: „Das hatten wir uns anders vorgestellt.“ Die Übernahme des Düsseldorfer Ferienfliegers LTU, sagt ein Analyst, sei eher von persönlichen Gründen gesteuert gewesen als von wirtschaftlichen. Hunold war es wohl eine Genugtuung, jenen Konkurrenten zu schlucken, bei dem er einst seine Karriere begonnen hatte und 1990 im Unfrieden ausschied. Die Aufnahme in die Oneworld-Allianz im kommenden Jahr, dem Gegenstück zur Star Alliance, zu der die Lufthansa gehört, sollte ein weiterer großer Triumph für ihn werden, den sich Hunold nicht entgehen lassen will. Doch es wird immer deutlicher, dass der Chef seine Airline nicht gut genug ausgestattet hat für das große Orchester, in dem er unbedingt mitspielen wollte. Während der deutsche Marktführer Lufthansa im Vorjahr mit einem operativen Gewinn von 876 Millionen Euro glänzte, zeigt sich Air Berlin in jeder Krise verwundbarer.

Obwohl der Druck auf Hunold mit jeder schlechten Zahl, die er verkünden und erklären muss, wächst, scheint niemand im Unternehmen ihn vorzeitig stürzen zu wollen. Auch das ist sein Verdienst. In drei Jahren läuft sein Vertrag aus. Bis dahin will er weitermachen und traut sich das selbstverständlich auch zu. 20 Kilo hat er abgenommen und fühlt sich mit seinen 61 Jahren so fit wie lange nicht.

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