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Altersvorsorge für jedermann: Über 90 Millionen Verträge gibt es derzeit in Deutschland.
© picture alliance / dpa

Lebensversicherung: Der Garantiezins steht vor dem Aus

Das Bundesfinanzministerium will bei großen Anbietern den branchenweit einheitlichen Garantiezins abschaffen. Laufende Verträge sind nicht betroffen.

Die klassische Kapitallebensversicherung mit ihrem branchenweit einheitlichen Garantiezins steht vor dem Aus. Das Bundesfinanzministerium will bei künftigen Verträgen keinen festen Zins mehr vorgeben. Hintergrund ist eine Neuregelung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, mit dem neue europäische Eigenkapitalrichtlinien (Solvency II) in deutsches Recht umgesetzt werden.
Die Reform soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten, teilte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag mit. Betroffen sind große Versicherer wie die Allianz, Ergo oder Talanx, kleine Unternehmen bleiben außen vor. Die Maßnahme bezieht sich auf Neuverträge, bei laufenden Policen bleibt alles beim alten.

Von vier Prozent auf 1,25 Prozent

Der Garantiezins oder Höchstrechnungszins war in der Vergangenheit ein wesentliches Verkaufsargument für die Lebensversicherung. Ein Großteil der über 93 Millionen Verträge beruht noch auf dem Garantiemodell, das dem Kunden einen Mindestzins für die gesamte Laufzeit zusichert. Allerdings hat dieser angesichts der sinkenden Zinsen auf den Kapitalmärkten eine Schrumpfkur hinter sich. Lag der Garantiezins – der nicht auf die gesamte Versicherungsprämie, sondern nur auf den Sparanteil des Beitrags gezahlt wird – in den 90er Jahren noch bei vier Prozent, so ist er inzwischen auf 1,25 Prozent gesunken. Tatsächlich ist die Verzinsung aber meist höher. Denn zusätzlich zum Garantiezins profitieren die Kunden von jährlichen Überschussbeteiligungen und Schlussgewinnzahlungen am Ende der Laufzeit. Die durchschnittliche Gesamtverzinsung schätzt die Rating-Agentur Assekurata für 2015 daher auf 3,9 Prozent.

Weg vom klassischen Modell

Angesichts des dauerhaften Zinstiefs sind viele Versicherer inzwischen auf neue Modelle umgeschwenkt und bieten Lebensversicherungen ohne klassischen Garantiezins, aber höheren Renditen an. Generali, Talanx, Zurich und die Ergo wollen neuen Kunden künftig gar keine klassischen Lebensversicherungen mehr anbieten, Branchenführer Allianz fährt dagegen erst einmal weiter zweigleisig.
Obwohl viele Unternehmen von dem klassischen Modell abrücken, gefallen die Reformpläne des Finanzministeriums dem Versicherungsverband GDV nicht. Es sei auch in Zukunft „eine Vorgabe für den höchstzulässigen Rechnungszins nötig“, sagte Peter Schwark, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung, am Donnerstag. „Für Lebensversicherungen mit langfristigen Zinsgarantien ist der Höchstrechnungszins eine wichtige Leitplanke und hat sich über Jahrzehnte bewährt“, betont Franz Billinger, Sprecher der Allianz Lebensversicherung. Allerdings erlaubt das Finanzministerium den Versicherern, auch künftig einen Garantiezins anzubieten – dieser dürfte dann aber von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sein. Wie sich die Allianz dann verhalten wird, wollte Billinger am Donnerstag nicht sagen.

Starre Quoten laufen aus

Während die Allianz betont, dass bestehende Verträge aber auf jeden Fall unberührt bleiben, sieht der Bund der Versicherten sehr wohl Nachteile für Altverträge. Die Versicherer würden sich künftig nur noch auf die neuartigen Tarife ohne Garantien stürzen, glaubt Verbandschef Axel Kleinlein. „Fehlt der Wettbewerb bei klassischen Tarifen, dann werden die Überschüsse der Altbestände automatisch sinken.“
Noch ist die Reform aber nicht beschlossene Sache, bis zum 6. November läuft die Anhörung zum Entwurf. Das Bundesfinanzministerium sieht Handlungsbedarf, weil im Zuge von Solvency II die derzeit noch geltenden strengen Anlagevorschriften für die Versicherer wegfallen. Statt – wie bislang – feste Quoten etwa für Aktienengagements einzuhalten, müssen die Versicherer künftig Eigenkapital vorhalten, das nach der Anlageform gestaffelt ist.

Heike Jahberg

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