Wirtschaft: Der Fracking-Boom ist schon wieder vorbei
In den USA sinken die Investitionen in die umstrittene Technik zur Förderung unkonventioneller Ölvorkommen.
Washington - Im steinernen Innenhof der ehrwürdigen Georgetown-Universität stand Barack Obama im verschwitzten weißen Hemd. Der US-Präsident stöhnte unter der Hitze. Es passte, dass Obama an diesem heißen Tag im Juni 2013 seinen Klimaaktionsplan ankündigte. Wie zumeist in seinen Reden wurde der US-Präsident historisch, machte große rhetorische Bögen, um das gesamte amerikanische Volk einzubeziehen. Er sprach vom Energiesparen und von der Reduzierung der CO2-Emissionen. Richtig schwärmerisch aber wurde der US-Präsident erst beim Thema Fracking.
Ohne das Wort auch nur einmal zu nennen, führte Obama seine Zuhörer zu einer Schlussfolgerung: „Das natürliche Gas schafft Jobs. Es macht die Energiekosten vieler Familien niedriger. Und es ist die Übergangsenergie, die unsere Wirtschaft mit weniger CO2-Emissionen anschiebt.“ Ein Kritiker fasste die Rede im Anschluss so zusammen: „Fracking jetzt, Fracking hier und Fracking überall.“
Die Faszination für das hydraulische Auspressen von Gas und Öl aus dem Gestein ist in den Vereinigten Staaten ungebrochen. Doch was die Internationale Energiebehörde als „Goldenes Zeitalter für Gas“ bezeichnet hat, steht möglicherweise an der Schwelle, seinem eigenen Erfolg zum Opfer zu fallen. Investoren werden zögerlicher. Die Gewinne sinken. Welchen Stellenwert die durch Fracking gewonnene Energie künftig auf dem Weltmarkt haben kann, ist umstritten. Der Boom, das zumindest scheint klar, der Fantasien eines neuen Energiezeitalters angestachelt hat, wird abgelöst durch die Realitäten der Marktwirtschaft.
In den vergangenen Jahren ist der Preis für Schiefergas in den Vereinigten Staaten um etwa 65 Prozent gefallen. Die Gewinne bei der Produktion sind so niedrig, dass sich Investoren überlegen, ob sie ihr Geld nicht anderswo besser investieren. Zumal die Förderraten offenbar nicht zufriedenstellend sind. Einer Studie zufolge, die das „Wall Street Journal“ zitiert, haben im Jahr 2013 internationale Firmen etwa 3,4 Milliarden Dollar in Fracking investiert. 2012 waren es noch sieben Milliarden Dollar gewesen. Und im Jahr 2011 steckten die Unternehmen sogar 35 Milliarden Dollar in die Boomindustrie. Einer Studie von IHS Herold zufolge, einer Beratungsfirma der Energiewirtschaft, haben Investoren angesichts der sinkenden Preise und der unbefriedigenden Förderraten teilweise mehr investiert, als sie an Ertrag erhalten haben.
Die Zeiten, da Unternehmen unbesorgt ihr Geld in die Bohrungen in den US-Bundesstaaten Montana, Nord-Dakota oder Texas stecken konnten, sind damit vorbei. Das Geld aus dem Ausland hatte vielfach erst die kostenintensive Erschließung der Gas- und Ölvorkommen möglich gemacht. Jetzt kalkulieren Investoren der Studie zufolge sehr viel genauer, welche Kosten entstehen und wo diese zu drücken sind. Die bisherigen Investoren, die zumeist Branchengrößen waren, werden dabei mehr und mehr abgelöst durch andere Geldgeber, Unternehmen der Finanzwirtschaft mit einem genaueren Blick für Investitionen und Rendite.
Amy Myers Jaffe, Energieexpertin an der Universität von Kalifornien in Davis, warnt aber davor, sich zu früh vom Phänomen Fracking abzuwenden. Energiepreise seien ohnehin immer zyklischen Entwicklungen unterworfen, schreibt sie. Beim Fracking könne man auch die Verschiebung der Investitionen zwischen unterschiedlichen geologischen Vorkommen beobachten. Und man müsse „jenseits des Begriffs Fracking verstehen, dass diese Ölfirmen Hunderttausende von Wissenschaftlern beschäftigen“, die die Technologie fortentwickelten. Fracking sei deshalb kein Auslaufmodell.
In ihrer letzten Studie veröffentlichte die US-Energiebehörde, die Vorkommen an Schiefergas und -öl seien weltweit mindestens zehn Prozent höher als bislang angenommen. Allein in den USA ruhen demnach 58 Milliarden Barrel Schieferöl im Boden, weltweit sollen es 345 Milliarden Barrel sein (ein Barrel sind 159 Liter). Die Liste der vorkommenreichsten Länder wird von Russland angeführt. Es folgen die USA, China, Argentinien, Libyen, Australien, Venezuela, Mexiko, Pakistan und Kanada. Bei den 7,3 Billionen Kubikfuß Schiefergas, die im Boden schlummern, führt China. Auf der Liste mit Vorkommen stehen auch Algerien, Südafrika und Brasilien. Nur Europa, wo intensiv über die schädlichen Umweltfolgen des Fracking gestritten wird, findet sich nicht unter den Ländern mit relevanten Reserven.
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