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Kaiser's ist das letzte große Stück Kuchen, das im Lebensmittelhandel verteilt wird.
© p-a/dpa

Nur noch Rewe und Edeka?: Der Fall Kaiser's spaltet die Branche

Edeka ist zu Zugeständnissen bereit, wenn das Kartellamt die Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Märkte genehmigt. Lebensmittelhersteller fürchten allerdings weiteren Preisdruck – gesunder Wettbewerb sei das schon lange nicht mehr.

Von Maris Hubschmid

Was wird aus Kaiser’s? Das fragt sich derzeit wohl mancher Berliner, der einen solchen Supermarkt in seiner Nähe frequentiert. Das fragen sich so ähnlich auch Kunden in München und Oberbayern, die den Händler unter dem Namen Tengelmann kennen und schätzen. Die Frage beschäftigt aber noch ganz andere Leute, an ganz anderen Orten und aus ganz anderen Gründen: „Der Fall ist das heißeste Eisen, das seit langer Zeit im Lebensmittelhandel bearbeitet wird“, formuliert es einer, der in der Branche tätig ist. „Er entscheidet über die Zukunft des Lebensmittelgeschäfts in Deutschland.“ Zitiert werden möchte der Mann, ein Manager, mit diesem Satz nicht. Wie auch sonst kaum jemand. Zu viele hängen mit drin – und zu viel hängt davon ab.

Edeka und Rewe dominieren den Markt

Ein Grund dafür, dass sich die meisten lieber zurückhalten, ist vielleicht auch, dass keiner leichtfertig das Kartellamt kritisiert. Im Oktober vergangenen Jahres hatten Edeka und Kaiser’s-Tengelmann verkündet, dass das Unternehmen aus Minden die Kette aus Mülheim an der Ruhr übernehmen will. Das tut sich seit längerem schwer im hart umkämpften Lebensmittelmarkt, Tengelmann-Chef und -Eigner Karl-Erivan Haub will sich deshalb auf andere Unternehmensteile wie den Textildiscount Kik konzentrieren. Die Aufsicht jedoch lehnte den Deal ab. Wenn Tengelmann als eigenständige Kette wegfiele, blieben in vielen Regionalmärkten und Bezirken nur noch Edeka und Rewe als Nahversorger mit einem umfassenden Angebot an Markenartikeln, lautete das Hauptargument. Es drohe eine „marktbeherrschende Stellung“.

Indirekt hat die Behörde damit gleich auch dem Unternehmen Rewe eine Absage erteilt, das sich als alternativer Käufer in Stellung gebracht hat. „Ein äußerst ungewöhnliches Vorgehen“, bemerkt man in der Branche. Zumal das Szenario, das da vermieden werden soll, vielerorts längst Wirklichkeit ist: In etlichen Stadtteilen und Ortschaften hat Edeka ein Quasi-Monopol. In Frankfurt am Main gehört nahezu jeder Supermarkt Rewe.

Nach bisherigen Maßstäben müsste das Kartellamt die Übernahme genehmigen

„Guckt man sich die Entscheidungen des Kartellamts aus der Vergangenheit an, darf dieses Argument eigentlich nicht gelten. Nach seinen bisherigen Maßstäben müsste das Amt die Übernahme genehmigen“, urteilt selbst der führende Angestellte eines Mitbewerbers, der hofft, dass Edeka der Zukauf verwehrt wird. „Edeka gerade jetzt einen Riegel vorzuschieben, wirkt willkürlich – wo Tengelmann lediglich ein Prozent Marktanteil hat.“ Im Lebensmittelsektor wächst deshalb der Verdacht, dass die Kartellbehörde versucht, Weichenstellungen aus früheren Jahren zu kompensieren, die nach heutigem Kenntnisstand nicht glücklich waren.

Verstärkt werden kann dieser Eindruck, wenn man bedenkt, dass die Wettbewerbshüter bereits im September eine Analyse veröffentlichten, wonach sie das Ausmaß der Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel als bedenklich einstuften. 85 Prozent des Marktes würden von Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz (mit Lidl und Kaufland) dominiert, sagte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt damals. Kleinere hätten keine Chance. Wer aber hätte das kommen sehen und verhindern müssen, wenn nicht das Kartellamt?, fragten sich da bereits viele. 2005 schluckte Edeka Spar, 2009 die Mehrheit der Discountkette Plus, die im Edeka-Discounter Netto aufging. „Edeka hat sich diese Läden nicht heimlich angeeignet.“

Beim Kartellamt liegt ein neues Konzept vor

Am Freitag bestätigte das Kartellamt, dass Edeka einen neuen Übernahmeplan vorgelegt hat. Man sei überzeugt, den wettbewerblichen Bedenken in München, Oberbayern und Berlin Rechnung zu tragen, ließ Tengelmann-Chef Haub verlauten. Demnach will Edeka auf fast ein Viertel des Filialnetzes verzichten.

Ob das einen echten Kompromiss darstellt, wird unterschiedlich bewertet. „Wenn Edeka statt wie anfangs geplant 40 nun 100 Läden abgibt und speziell in den heiklen Regionen den Markt für Drittanbieter öffnet, klingt das nach einer vertretbaren Lösung“, sagt Tatjana Wolff vom Brancheninformationsdienst Planet Retail. Noch im Februar hatte Kartellamtspräsident Mundt aber gewarnt, dass vielen Herstellern bei einem Zusammenschluss von Edeka und Kaiser’s eine bedeutende Absatzalternative wegbrechen würde, erinnert Klaus Holthoff-Frank, Generalsekretär der Monopolkommission der Bundesregierung. „Lieferanten akzeptieren schon jetzt teils desaströse Konditionen, weil sie es sich nicht leisten können, ausgelistet zu werden“, heißt es aus Industriekreisen. Die Verhältnisse seien „ungesund.“

Lizenzen werden kaum noch vergeben

Kaiser’s ist der letzte relevante Teil vom Kuchen in einem Markt, in dem kaum noch Lizenzen vergeben werden. Die Kaffeegesellschaft ist so überschaubar wie gierig: Wer auch immer von den Großen das letzte Stück bekommt, für die Lebensmittelhersteller bedeutet das karge Zeiten.

Umso sehnsüchtiger hoffen viele auf Retter von außen. Die Schweizer Migros aber, deren Name immer genannt wird, schweigt. Zu sehr habe sie noch damit zu tun, die Tegut-Märkte zu integrieren, heißt es. Generell haben ausländische Akteure vor dem deutschen Markt größten Respekt. Das britische Unternehmen Tesco wird schon im Heimatmarkt neuerdings schwer von Aldi und Lidl bedrängt.

Der Trend geht weg vom Discounter

Kaufland hat bisher lediglich Interesse an einzelnen Filialen bekundet. Dort könnte man die Chance nutzen, mit großen Läden das Profil als Vollsortimenter zu schärfen, wird spekuliert. Discounter haben zuletzt an Umsatz eingebüßt, das Modell scheint ausgereizt. Nicht von ungefähr hat Lidl unlängst eine Qualitätsoffensive gestartet.

Bis zum 7. April will das Kartellamt entscheiden. Zu Ende ist der Kampf um die Supermärkte dann wohl lange noch nicht. Sowohl Rewe als auch Edeka sollen entschlossen sein, notfalls vor Gericht zu ziehen.

Fraglich ist allein, ob Tengelmann bereit ist, die Sache bis zum Ende durchzufechten. Unternehmenschef Haub könnte sich darauf zurückziehen, sein Bestes versucht zu haben – und die Läden dichtmachen, glauben viele. Dann wanderten bloß Einzelteile aus dem Kaiser’s’ Sortiment in die Einkaufskörbe. Am Ende gälte wie überall: Was unverkäuflich ist, kommt weg.

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