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Körperscanner: Der durchleuchtete Patient

In Manchester nutzt der Flughafen zur Kontrolle Körperscanner. Bis Ende September soll es auch an deutschen Airports Praxistests geben. Die EU prüft den europaweiten Einsatz.

Manchester - „Bitte Hände hoch und still stehen“, sagt der Sicherheitsmann in blauer Uniform. Dale Steel reckt die Arme. Dabei steht er zwischen zwei schrankhohen blauen Kästen und schaut auf ein gelbes Strichmännchen. Auch das reckt die Arme. Daneben leuchtet eine Anzeige: „Scan in progress“. Sieben Sekunden dauert die Durchleuchtung, dann haben sich die Sicherheitsleute am Flughafen Manchester ein Bild von Fluggast Dale Steel gemacht. Ein „Clear“ mit grünem Häkchen leuchtet auf. Steel hat keine verdächtigen Gegenstände dabei. Jetzt kann der 34-jährige Brite nach Spanien fliegen.

Manchester ist einer der wenigen Flughäfen in Europa, wo Körperscanner zur Sicherheitskontrolle bereits eingesetzt werden. Umstritten sind die Geräte wegen der möglichen Verletzung der Intimsphäre, denn sie können sehr genaue Bilder der Körperkonturen eines Menschen liefern. Nacktscanner werden sie daher auch genannt. Die Geräte in Manchester arbeiten zudem mit Röntgenstrahlen, weswegen es auch gesundheitliche Bedenken gibt. Die EU hält Körperscanner für eine Möglichkeit, die Luftsicherheit zu verbessern – und das Reisen zu erleichtern. Für die Staaten, die die Geräte nutzen wollen, möchte sie einheitliche Regeln machen.

Während Körperscanner in Manchester im realen Betrieb getestet werden, finden die Tests in Deutschland noch im Labor der Bundespolizei in Lübeck statt. Bis Ende September soll allerdings ein Praxistest an einem deutschen Flughafen starten. Hierbei wird aber im Gegensatz zu Manchester nicht Röntgen- sondern Millimeterwellenstrahlung eingesetzt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellt drei Bedingungen: Die Körperscanner müssen die Persönlichkeitsrechte wahren, den Schutz der Gesundheit beachten und mehr Sicherheit bieten als bisherige Methoden.

Passagier Dale Steel hat von den Körperscannern am Flughafen Manchester in der Zeitung gelesen. „Ich finde das Scannen in Ordnung“, sagt er. „Wenn es Leute daran hindert, Flugzeuge in die Luft zu sprengen, ist das ok.“ So sieht es auch Warren Greaves, der sich auch wegen der Strahlenbelastung keine Sorgen macht. Die gebe es überall und er benutze ja auch ein Handy, meint er.

Die Strahlendosis, die man bei einem Flug von Berlin nach New York abbekommt, sei 500 mal höher als bei einem Ganzkörperscan, sagt Andreas Kotowski, Technikchef von Rapiscan. Die US-Firma hat drei der „Secure 1000“ genannten Geräte für Manchester geliefert. Seit dem versuchten Terroranschlag auf den Flug Amsterdam-Detroit vom 25. Dezember 2009, als ein Nigerianer in seiner Unterhose Sprengstoff an Bord schmuggelte, ist die Nachfrage nach Körperscannern stark gestiegen. In den USA habe Rapiscan bereits 500 Geräte ausgeliefert, sagt Kotowski. Er geht davon aus, dass an den Flughäfen weltweit derzeit 8000 bis 10 000 Metalldetektoren im Einsatz sind. So groß schätzt er auch in etwa den potenziellen Markt für Ganzkörperscanner. Andere Experten sprechen von weltweit 50 000 benötigten Geräten. Diese zählten dann offenbar auch andere Einrichtungen mit Sicherheitsbedarf hinzu, meint Kotowski.

Weltweit gibt es nur wenige Hersteller von Körperscannern. Dazu gehören neben Rapiscan auch die britische Smith Group, mit ihrer deutschen Tochter Smiths Heimann in Wiesbaden, und L-3 Communications aus den USA. L-3 nutzt zum Scannen Millimeterwellen, also elektromagnetische Strahlung, Rapiscan und Smiths Heimann Röntgenstrahlung. Die Röntgenstrahlen werden von organischem Material anders zurückgestreut als etwa von Metall. Mit dieser Methode lassen sich laut Rapiscan auch Sprengstoffe oder Keramikmesser erkennen, bei denen die bisher eingesetzten Metalldetektoren nicht anschlagen.

Alan Kemp, Sicherheitsmanager am Flughafen Manchester, ist jedenfalls überzeugt, dass sein Team den Sprengstoff in der Unterhose entdeckt hätte. Der größte Fund, den seine Leute bisher machten, waren 18 000 Pfund, die sich eine Passagierin im Rollstuhl an den Körper geklebt hatte. Beim herkömmlichen Abtasten sei das Geld nicht entdeckt worden, sagt Kemp. Der 1,80-Meter-Mann stellt sich bereitwillig immer wieder in den Scanner. Bei ihm wird nicht „Clear“ angezeigt. Viel mehr erscheint das Bild einer Comicfigur von vorne und hinten. Darauf sind rote Rechtecke an Oberschenkel, Gesäß und Brust zu sehen. Das Sicherheitspersonal wird schnell fündig: Kemp hat an den markierten Stellen Handy, Geldbeutel und Sicherheitsausweis. Hier hätte zwar auch der Metalldetektor angeschlagen, aber die genaue Markierung erspart Kemp das lästige Abtasten.

Das vom Scanner erzeugte Originalbild wurde zuvor in einem separaten Raum geprüft. Durch vier Türen muss man gehen, um in die karge Kammer mit zwei Monitoren und einem Alarmknopf zu kommen. Kein Handy, keine Kamera darf hier hinein. Wenn einer der Sicherheitsleute Verdächtiges entdeckt, markiert er sie. Dabei sieht er nur ein geisterhaftes Bild des Passagiers auf dem Monitor, eine gräuliche Gestalt auf dunklem Grund. Im Falle Kemps, der gut 100 Kilo wiegt, ist zwar der Speckgürtel in der Körpermitte gut zu erkennen. Sein Gesicht dagegen nicht. Kemp ist überzeugt, dass ihn so nicht einmal seine Mutter erkennen würde.

Die räumliche Trennung soll sicherstellen, dass die Person, die das Röntgenbild anschaut, den echten Passagier nicht zu Gesicht bekommt. Das Personal am Scanner wiederum sieht nur die schematische Comicfigur. Auch Funkkontakt besteht nicht. So soll die Intimsphäre der Passagiere gewahrt werden. Zudem muss Rapiscan sicherstellen, dass kein Bild gespeichert wird. Das verlangen die Datenschützer. Sobald der Passagier die Kontrolle passiert, wird sein Bild gelöscht.

Mehr als 200 000 Fluggäste seien bereits durch den Scanner gegangen, berichtet John Fazackerley, der für das Wohlergehen der Kunden am Flughafen Manchester verantwortlich ist. Nur zwei pakistanische Frauen hätten es aus religiösen und gesundheitlichen Gründen abgelehnt, sich scannen zu lassen. Sie durften ihren Flug nicht antreten. Wer durch den Ganzkörperscanner muss, entscheidet der vorgelagerte Metalldetektor – entweder weil er wegen eines metallischen Gegenstands am Körper an- oder weil der Zufallsgenerator zuschlägt. Fazackerley hofft, dass die EU bald den Weg freimacht, damit der Flughafen weitere Geräte kaufen kann.

Dabei sind Körperscanner eine enorme Investition. Metalldetektoren kosten etwa 10 000 Euro, für einen Bodyscanner verlangt Rapiscan wenigstens 120 000 Euro. Der Flughafen hofft, dass die Scanner die Sicherheitskontrollen schneller, einfacher und angenehmer machen, dass man bald im Mantel durch den Scanner gehen kann und sich niemand mehr von oben bis unten abtasten lassen muss. „Wir wollen, dass die Reisenden gut gelaunt aus der Kontrolle kommen, mehr Zeit in unseren Shops verbringen und dort Geld ausgeben“, sagt Fazackerley.

Hazel Mason ist gut gelaunt. Lachend streckt die 33-Jährige die Hände im Scanner in die Luft. Sie ist auf dem Weg nach Holland. Ihr macht das Durchleuchten nichts. „Das kann mein Leben retten“, meint sie. Es stört sie nicht, dass in einem Hinterzimmer jemand auf ihr Röntgenbild starrt. „Der guckt doch nur nach Bomben und nicht auf meine Brüste“, sagt sie und ist schon auf dem Weg ins Shoppingparadies vor den Flugsteigen.

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