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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Fokus beim Diesel-Gipfel.
© dpa/Maurizio Gambarini
Update

Reaktion auf Abgasskandal: Der Diesel-Gipfel im Überblick

Softwareupdates für 5,3 Millionen Fahrzeuge und mehr Investitionen in Mobilität: Die Ergebnisse des Diesel-Gipfels sind nach Ansicht vieler Politiker und Organisationen nur ein erster Schritt.

Die deutschen Autohersteller haben auf dem Diesel-Gipfels mit Bund und Ländern am Mittwoch in Berlin zugesagt, insgesamt rund 5,3 Millionen Dieselautos mit den Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 auf eigene Kosten mit Softwareupdates nachzurüsten. Darin enthalten sind die rund 2,5 Millionen Diesel-Pkw des Volkswagen-Konzerns, die nach Bekanntwerden des Dieselskandals bereits ein Software-Update erhalten haben, wie der Verband der Deutschen Automobilindustrie am Mittwoch in Berlin mitteilte. Die Stickoxid-Belastung dieser Fahrzeuge soll damit um 25 bis 30 Prozent reduziert werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Mittwoch, der Bund werde außerdem seine Mittel für Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr um 250 Millionen Euro erhöhen. Außerdem würden der Bund und die Hersteller in einen Fonds zur Förderung der Mobilität in Städten einzahlen.

Volkswagen-Fahrzeuge auf einem Parkplatz in Salzgitter.
Volkswagen-Fahrzeuge auf einem Parkplatz in Salzgitter.
© dpa/Silas Stein

Volkswagen-Chef Matthias Müller erteilte über Softwareupdates hinausgehenden baulichen Nachrüstungen bei Dieselautos eine klare Absage. "Wir halten es im Grunde genommen für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen", sagte Müller bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Chef Harald Krüger am Mittwoch nach dem Dieselgipfel in Berlin. "Einmal des Aufwandes wegen, aber auch, weil die Wirkung fragwürdig ist", begründete er die Ablehnung.

BMW will 225.000 Diesel kostenlos nachrüsten

BMW will 225.000 Euro-5-Dieselautos in Deutschland nachrüsten. Das Update zur besseren Abgasreinigung werde für die Kunden kostenlos sein, teilte der Autokonzern am Mittwoch nach dem Dieselgipfel in Berlin mit. Darüber hinaus bietet BMW europaweit eine Art Abwrackprämie aus eigener Tasche an: Wer bis zum Jahresende einen Euro-4-Diesel oder einen noch älteren Diesel in Zahlung gibt und einen Euro-6-Diesel oder einen elektrifizierten BMW oder Mini kauft, bekommt von BMW bis zu 2000 Euro Rabatt.

Vorstandschef Harald Krüger forderte die Rückkehr zu einer sachlichen Debatte über den Diesel. Zum Umweltschutz gehöre auch der Kampf gegen den Klimawandel. Der moderne Diesel stoße weniger CO2 aus als der Benziner und sei auch bei Feinstaub, Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid gleich gut oder besser. Scharf wies Krüger Verdächtigungen zurück, BMW hätte bei Dieselabgasen geschummelt. Die BMW-Technik unterscheide sich deutlich von anderen im Markt. „Die Ergebnisse nationaler und internationaler behördlicher Untersuchungen haben bestätigt, dass Fahrzeuge der BMW Group nicht manipuliert werden“, betonte Krüger.

Dreyer: Fahrverbote unbedingt verhindern

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, die Ergebnisse des Gipfels würde nicht reichen, um die Grenzwerte in den belasteten Städten unter die gesetzlichen Vorgaben zu bringen. Weitere Schritte müssten schnell und in einem verbindlichen Zeitrahmen folgen. Ein Baustein könne dabei sein, dass die Hersteller den Verbrauchern eine Prämie dafür anbieten, um alte Diesel-Autos durch moderne Fahrzeuge zu ersetzen. „Hier ist die Automobilindustrie eindeutig in der Bringschuld und nicht der Staat.“

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz begrüßte die zugesagten Abgas-Nachrüstungen. Es sei ein „ganz wichtiger Schritt der Gerechtigkeit, dass diejenigen, die es verbockt haben, am Ende auch dafür geradestehen müssen und nicht die Verbraucher“, sagte der Parteichef am Freitag nach dem Dieselgipfel von Bund, Ländern und Autobranche.

Von den Konzernen angekündigte Prämien für den Kauf sauberer Wagen müssten umgesetzt werden. „Je mehr alte Modelle von den Straßen kommen, desto besser.“ Schulz kritisierte mit Blick auf neue Antriebstechnologien, dass das Management einer deutschen Kernindustrie „Weichenstellungen für die Zukunft verpennt hat“. Dadurch spielten die Manager „Roulette mit den Arbeitsplätzen von Hunderttausenden von Menschen“.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). (Archiv)
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). (Archiv)
© dpa/Lino Mirgeler

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bezeichnete den Dieselgipfel als „ersten, sehr wichtigen Schritt“. Die Industrie habe gezeigt, „dass sie auch erkennt, dass jetzt dringlicher Handlungsbedarf besteht“, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Berlin. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) sprach ebenfalls von einem „ersten Schritt“. Beide hoben hervor, dass die deutschen Autohersteller die Kosten von Software-Umrüstungen übernehmen werde und auch selbst Anreize für den Kauf abgasärmerer Fahrzeuge finanzieren wollen.

Dem Sender Phoenix sagte Dreyer: „Es gab einen großen Konsens, dass alles getan werden muss, um Fahrverbote zu verhindern.“ Laut Dreyer wollen Bund und Länder sich zugleich noch darüber unterhalten, ob es über Software-Updates hinaus „andere technologische Weiterentwicklungen“ für gute Abgaswerte gebe. Darüber solle in Expertenrunden gesprochen werden. Laschet sagte: „Das Schlimmste, was jetzt passieren könnte, wäre, dass immer mehr Menschen keinen Diesel mehr kaufen und auf einen Benziner umsteigen.“ Dies wäre für die CO2-Bilanz in Deutschland „eine Katastrophe“.

Kritik von ADAC, BUND und Greenpeace

Auch der ADAC bewertete die Ergebnisse des Dieselgipfels als „ersten Schritt in die richtige Richtung“, sieht aber noch erhebliche Lücken. Gut sei die klare Vereinbarung, „dass Verfehlungen der Hersteller nicht auf Kosten von Millionen Diesel-Besitzern in Deutschland gehen sollen“. Mit der Beschränkung auf Software-Updates für Dieselautos sei die Politik jedoch vor der Industrie eingeknickt, kritisierte der Autofahrer-Verein am Mittwoch in München.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) griff die Bundesregierung an. Sie habe es versäumt, die Verantwortlichen des Abgasskandals angemessen in die Pflicht zu nehmen und starke Maßnahmen gegen die hohe Stickoxid-Belastung zu ergreifen. „Offensichtlich haben die kurzfristigen Gewinne der Automobilindustrie in den Augen der Bundesregierung noch immer ein größeres Gewicht als Umwelt- und Gesundheitsschutz“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger am Mittwoch. Mit den nur freiwilligen Rückrufen würden Fahrverbote "unausweichlich".

Greenpeace kritisierte die Ergebnisse ebenfalls scharf: „Statt Millionen Menschen vor Dieselabgasen zu schützen, legt die Bundesregierung heute einen sterbenden Motor unters Sauerstoffzelt. Saubere Diesel sind den Konzernen zu teuer, und die Politik lässt es ihnen durchgehen.“ (mes, dpa, AFP)

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