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Tüftler aus Berlin. Mirko Hannemann fuhr am 26. Oktober 2010 am Brandenburger Tor vor. Inzwischen ermittelt der Staatsanwalt gegen ihn.
© picture alliance / dpa

Neustart des Berliner Batterieproduzenten: Der Colibri soll wieder fliegen

Einer Berliner Batteriefirma gelang 2010 ein Weltrekord: 600 Kilometer mit einem Elektroauto von München nach Berlin. Nach der Insolvenz wagt man nun den Neustart.

Der Kolibri ist ein winziger, leichter, extrem wendiger Vogel. In einer kleinen Adlershofer Fabrik eifern 30 Menschen dem Kolibri nach: Sie konstruieren Batterien für Fahrzeuge und stationäre Stromspeicher und sie hoffen, dass es mit der Firma aufwärtsgeht. „Jetzt muss der Colibri fliegen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Colibri Energy GmbH, Helmuth von Grolman. „Wir sind überzeugt davon, dass er fliegt.“

Zuletzt sah es nicht danach aus. Das kleine Unternehmen, das zu den wenigen deutschen Herstellern auf dem Megamarkt der Batteriefertigung zählt, musste im April Insolvenz anmelden. Nachdem ein potenzieller Investor abgesprungen war, kauften Grolman und einige Mitstreiter schließlich die Firma, änderten den Namen (früher: Kolibri Power Systems) und setzen nun darauf, dass die Gläubigerversammlung Ende Juli dem Deal zustimmt. Angeblich hatte der Investor die frühere Kolibri „im hohen zweistelligen Millionenbereich“ bewertet.

Ein Berliner Tüftler führte scheinbar die gesamte Autoindustrie vor

In Schieflage geriet die Batteriefirma, als Grolman vor zwei Monaten einen Geschäftsführer feuern musste, dem er freundschaftlich verbunden gewesen war und der in der Branche vor nicht allzu langer Zeit wie ein Rockstar behandelt wurde: Mirko Hannemann. Mit seiner Rekordfahrt in einem Elektroauto von München nach Berlin (600 Kilometer) schaffte es Hannemann 2010 bis in die „Tagesschau“. Nicht nur der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle glaubte, dass der Tüftler aus Berlin mit seinem Unternehmen DBM und der Kolibri-Batterie die gesamte Autoindustrie vorgeführt hatte. Fördergelder flossen. 600 Kilometer mit einer Akkuladung – das hatte noch niemand geschafft. Weltrekord.

Doch nach der medialen Aufregung hörte man lange nichts mehr von Hannemann. Das Wunderauto, ein umgebauter Audi A2, brannte zwischenzeitlich ab. Unabhängige Tests zeigten jedoch, dass der Colibri-Akku tatsächlich besonders leistungsfähig und robust ist. Aber Mirko Hannemann, der auf Anfragen von Journalisten nicht mehr reagiert, machte nichts daraus. Im Gegenteil: Inzwischen ermittelt der Staatsanwalt gegen ihn. „Die Verhandlungen mit einem strategischen Investor wurden abgebrochen, nachdem klar wurde, dass Herr Hannemann in die Kasse des Unternehmens gegriffen hatte und wir Strafanzeige gegen ihn und seine Lebensgefährtin erstatten mussten“, berichtet Grolman im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Rede ist von Scheingeschäften, Luxusleben und Betrug. In Adlershof hat Hannemann Hausverbot. „Es ist eine ganze Menge Geld abhandengekommen“, sagt Grolman. „Wir gehen von etwa 3,5 Millionen Euro aus.“ Der Insolvenzverwalter, die Berlin Kanzlei Leonhardt Rattunde prüft nach eigenen Angaben entsprechende Schadenersatzansprüche gegen Mirko Hannemann.

"Colibri-Akkus sind wettbewerbsfähig"

Helmuth von Grolman, Berater und früherer AEG-Manager, und der zweite geschäftsführende Gesellschafter James Astorian vertrauen derweil darauf, dass die Colibri-Technologie auf Feststoffzellenbasis ihren Weg machen wird. „Sonst hätten wir das Unternehmen nicht übernommen“, versichert er. „Colibri-Akkus sind wettbewerbsfähig.“ Den Beweis trat das Unternehmen im Sommer 2014 an: Die Fluggesellschaft Qatar Airways bestellte bei den Berlinern für zwei Millionen Euro 70 Hochleistungsspeicher für den Antrieb von Gepäckwagen auf dem neuen Flughafen von Doha. Da freute sich auch wieder das Wirtschaftsministerium. „Qatar Airways hat das Potenzial, das in dieser neuartigen Feststoffzellentechnologie steckt, schnell erkannt“, feierte Staatssekretärin Brigitte Zypries den Auftrag der Scheichs. „Der Auftrag ist aus industriepolitischer Sicht ein wichtiges Signal.“ Ende des Monats wird Colibri eine neue Generation der Traktionsspeicher an einen weiteren Kunden in der Region liefern. Ein Auftrag des Hamburger Hafens und des Landmaschinenkonzerns John Deere kamen hinzu.

Die Autoindustrie ist interessant, aber Coilibri noch zu klein

Großspurige Ankündigungen vermeidet Geschäftsführer Grolman nach den Erfahrungen der vergangenen Monate. Von einer eigenen Zellenfertigung oder einer Colibri-Batterie in einem Elektroauto ist nicht mehr die Rede. „Wir sind ein Start-up-Unternehmen, das seinen Erfolg auf interessanten Nischenmärkten sucht“, sagt er. Klar, auch die Autoindustrie sei attraktiv. „Aber wir sind noch zu klein und haben nicht die Ressourcen, um einige Jahre eine maßgeschneiderte Technologie zu entwickeln, die am Ende womöglich doch nicht in Serie geht.“

Etwa 250 Batterien mit einer Gesamtleistung von rund zwei Megawattstunden hat das Unternehmen bis heute verkauft. Trotz zwischenzeitlicher Insolvenz sei das Auftragsbuch „gesund“ und Colibri „finanziell so ausgestattet, dass wir ein bis zwei Jahre durchhalten“, schätzt Grolman. Von neuen Weltrekorden will der Colibri-Chef nichts wissen. Anders als Mirko Hannemann habe die Firma ein serienreifes Produkt und eine skalierbare Produktion zu bieten. „Wir wollen die Welt nicht als Bastelgarage faszinieren, sondern wir wollen Umsatz machen.“

Henrik Mortsiefer

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