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Ferdinand Piëch liebt es gerne schnell. Dieses Mal könnte er jedoch über das Ziel hinausgeschossen sein.
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Piëch und Volkswagen: Der Autokrat

Ferdinand Piëch hat Volkswagen groß gemacht. Er gilt als genialer Techniker und kühler Rechner: bei Audi erfindet er den Allradantrieb Quattro, bei Porsche den Superrennwagen 917. Doch jetzt könnte er sich verschätzt haben.

Es ist fast auf den Tag drei Jahre her. Ferdinand Piëch wird 75 Jahre alt, zur Feier lädt der Patriarch ins feine Taschenbergpalais Kempinski nach Dresden. Auf der Einladung steht ein Spruch des Dichters Ödon von Horváth: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komm’ ich so selten dazu“.

Zum Anderssein scheint Ferdinand Piëch auch in den vergangenen Tagen mal wieder nicht gekommen zu sein. Im Gegenteil: Mit seiner Attacke auf Martin Winterkorn hat der Enkel von Porsche-Gründer Ferdinand Porsche vielmehr das Bild bestätigt, das die Öffentlichkeit ohnehin von ihm hat. Das des Machtmenschen, der zum Äußersten bereit ist, wenn es gilt, sein Lebenswerk Volkswagen zu retten – und der dabei auch gnadenlos Manager opfert, die ihm im Weg sind.

Es sind Sätze, die Top-Manager fürchten

Bei Bernd Pischetsrieder hat er es so gemacht, seinem Nachfolger auf dem Chefsessel des VW-Konzerns. 2002 setzte Ferdinand Piëch den einstigen BMW-Chef an die Spitze von VW, bis er merkte, dass es mit der Marke bergab ging. Statt – wie geplant – mit seinem Segelboot um die Welt zu reisen, griff Ferdinand Piëch ein und tauschte Pischetsrieder gegen Winterkorn. Jenen Winterkorn, mit dem er jetzt auf „Distanz“ ist.

Es sind solche Sätze, die die Top-Manager fürchten. So wie Wendelin Wiedeking, der einst als Porsche-Chef versuchte hatte, den Mutterkonzern Volkswagen zu übernehmen, und damit krachend gescheitert war. Auf die Frage, ob Wiedeking noch sein Vertrauen habe, antwortete Piëch im Mai 2009: „Zurzeit noch. Das ,noch‘ können Sie streichen.“ Im Juli trat Wiedeking zurück.

Bei Winterkorn scheint sich der Alte, wie er im Konzern genannt wird, dagegen verschätzt zu haben – zumindest vorerst. Doch Piëch ist keiner, der schnell klein beigibt. „Ich bin nicht gern Zweiter“, sagt der Österreicher über sich selbst. Einmal gesetzte Ziele verfolgt er beharrlich. So wie den Traum von einer großen Lkw-Sparte unter dem VW-Dach. Jahre hat das gedauert, doch jetzt gehören MAN und Scania zum Konzern. Oder die Übernahme des italienischen Kultmotorradherstellers Ducati. Die roten Sportmaschinen aus der Nähe von Bologna hatten es dem Hobby-Motorradfahrer Piëch seit jeher angetan. 2012 übernahm die VW-Tochter Audi die Italiener – ein schönes Geburtstagsgeschenk zu Piëchs 75.

Piëch hat Benzin im Blut

Mit Maschinen kennt er sich aus, der Patriarch. Piëch ist Ingenieur, ein genialer Tüftler. Bei Audi hat er den Allradantrieb Quattro erfunden, bei Porsche den Superrennwagen 917. Piëch hat Benzin im Blut und liebt es gern schnell. Das verbindet ihn mit seiner Frau Ursula, „Uschi“ genannt. Auch die Gattin fährt einen heißen Reifen. Als Uschi einmal in Italien einen Ferrari so richtig toll ausfahren wollte, soll Ferdinand tief in den Beifahrersitz gerutscht sein, wird erzählt.

Seine Werksrundgänge sind gefürchtet, sein Vertrauen genießt nur Uschi allein

Ferdinand Piëch liebt es gerne schnell. Dieses Mal könnte er jedoch über das Ziel hinausgeschossen sein.
Ferdinand Piëch liebt es gerne schnell. Dieses Mal könnte er jedoch über das Ziel hinausgeschossen sein.
© dpa

Seit 1984 ist Piëch mit ihr verheiratet. Sie ist die Frau an seiner Seite, er hängt sich bei ihr ein, überlässt ihr gern das Reden. Weil er als Kind unter Legasthenie litt, lässt sich der Chefkontrolleur des zweitgrößten Autobauers der Welt längere Texte von Uschi vorlesen. Seit 2012 ist die Blondine auch Mitglied im VW-Aufsichtsrat, eine Frau mit großer Macht – in vielerlei Hinsicht.

Piëch: "Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt."

Seine Milliardenanteile an dem Autokonzern hat Piëch auf zwei österreichische Privatstiftungen übertragen, stirbt er, soll Uschi die Fäden ziehen, nicht die Kinder oder die Enkel. Zwölf Kinder soll Piëch haben – von vier Frauen. Die erste Ehe schließt er mit 22 Jahren. Sie scheitert. Es folgt eine jahrelange Beziehung mit der Ex-Frau seines Cousins Gerd Porsche. Die Verbindung sei in der Familie nicht gut angekommen, erzählt Piëch später. „Meine Mutter bewahrte mit Mühe die Fassung, und auf der Porsche-Seite kam ich ziemlich arg ins Minus.“ Mit der Familie Porsche gab es immer wieder Ärger. Doch Piëch ficht das nicht an: „Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt“, meint er.

Das musste auch seine damalige Lebensgefährtin Melanie Porsche feststellen. Sie und Ferdinand holten Ursula Plattner als Gouvernante ins Haus, beim Weihnachtsurlaub auf der Berghütte soll es zwischen Ferdinand und Ursula gefunkt haben. „Ich ließ die Probandin an der steilsten Stelle, immerhin 17 Prozent, anhalten und wieder anfahren“, schreibt der Technikverrückte in seiner „Auto.Biographie“. Da habe er schon so ein Gefühl gehabt. „Ich dachte nur, so ein blöder Kerl“, berichtet die Geprüfte später. Zwei Jahre später heiraten die Kindergärtnerin und der Autoboss. Die lebenslustige Österreicherin und ihr oft grimmig dreinschauender, einsilbiger Gatte haben drei Kinder. Im Zuge der Winterkorn-Auseinandersetzung wird kolportiert, Ferdinand Piëch wolle Uschi als seine Nachfolgerin an die Spitze des Aufsichtsrats hieven – ein Job, der mit über einer Million Euro im Jahr außerordentlich gut dotiert ist. Das Gerücht dementiert Piëch aber entschieden.

Als die Manager nicht wussten, was "Punkt 5a" ist, wurden sie entlassen

Nur wenige Menschen genießen sein Vertrauen so wie Uschi. Piëch hat gern die Kontrolle, gilt als misstrauisch. Seine Werksrundgänge sind gefürchtet, Piëch lässt der Belegschaft manchmal noch nicht einmal zehn Minuten Vorwarnung. Und wehe, wenn die Verantwortlichen dann nicht Bescheid wissen. Bei einem Rundgang in Uitenhage sollen der Chef, der Werksleiter und der oberste Qualitätsmann von VW in Südafrika nicht gewusst haben, was „Punkt 5a“ ist, nach dem sich der Besucher eingehend erkundigt haben soll, schrieb einst das „Manager Magazin“. Dahinter verbirgt sich in jedem VW-Werk die Endabnahmestelle für Autos. Für die Manager war diese Frage Endstation. Sie mussten gehen.

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