Luft nach oben in der Pflegeausbildung: Der Ausbildungseifer der Länder ist höchst unterschiedlich
Die Regierung will die Zahl der Pflege-Azubis deutlich erhöhen. Eine Bestandsaufnahme zeigt aber: Es gibt große Unterschiede zwischen den Bundesländern.
Es ist einer der wichtigsten Vorsätze der sogenannten „Konzertierten Aktion Pflege“ vom Sommer 2019: Um den Pflegenotstand in Krankenhäusern und Altenheimen zu beseitigen, haben sich alle Akteure vorgenommen, die Zahl der Auszubildenden und Ausbildungseinrichtungen bis zum Jahr 2023 um jeweils zehn Prozent zu erhöhen. Um zu wissen, welches Ziel es dafür in absoluten Zahlen zu erreichen gilt, benötigt man allerdings einen Überblick über den Ist-Zustand. Den hat nun das Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) geliefert. Ergebnis: Im Schuljahr 2018/2019 befanden sich bundesweit 142.446 Personen in ihrer dreijährigen Ausbildung zu einem Pflegeberuf: 70.153 für Altenpflege, 64.511 für die Krankenpflege und 7782 speziell für Kinderkrankenpflege. Bis 2023 müssten also, damit sich Politik und beteiligte Verbände nicht blamieren, mindestens 14.247 Azubis dazukommen.
Brandenburg und Berlin liegen im Vergleich weit hinten
Nun ist das Problem dabei, dass für die Pflegeausbildung nicht der Bund, sondern die Länder zuständig sind. Hier sind die Unterschiede, was bisherige Ausbildungszahlen betrifft, ganz enorm. Und im Vergleich fallen sowohl Brandenburg als auch Berlin nicht durch sonderlichen Eifer auf. Sie liegen bisher beide im unteren Bereich.
Dem KWA-Index zufolge rangiert bei der Gesamtzahl der Pflege-Azubis Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Bundesland einsam an der Spitze. Es verfügte im Schuljahr 2018/2019 über 35.428 Auszubildende. Setzt man diese Zahl allerdings in Relation zur Einwohnerzahl, sind zwei andere Länder besser: So kommt beim Primus Saarland ein Pflegeschüler auf gerade mal 379 Einwohner. In Sachsen sind es 477. Es folgen Nordrhein-Westfalen (1:506), Bremen (1:512), Niedersachsen (1:536) und Hamburg (1:548). Auf den hintersten Rängen liegen Berlin (1:629), Thüringen (1:634), Brandenburg (1:644), Bayern (1:697) und Hessen (1:809). Im Schnitt aller Länder kam ein Pflegeschüler im vergangenen Schuljahr auf 581 Einwohner.
Das Saarland ist der Primus
Bezogen auf die Einwohnerzahl bilden die Pflegeschulen im Saarland also mehr als doppelt so viele Berufsanwärter aus als in Hessen. Interessant wird der Überblick aber auch, wenn man die Zahl der Azubis lediglich in Beziehung zu der aller über 80-Jährigen im Land setzt. Zwar liegt auch unter solchem Blickwinkel das Saarland mit einer Relation von 1:27 ganz vorne und Hessen mit 1:48 ganz hinten. Allerdings rückt bei solcher Bezugnahme auf besonders alte und oft pflegebedürftige Menschen Hamburg (1:30) noch vor Bremen und Nordrhein-Westfalen (beide 1:32). Brandenburg mit seinen besonders vielen alten Menschen hingegen wandert auf den vorletzten Platz (1:45). Die Bayern, die vorher dort standen, verbessern sich auf Platz zwölf. Im bundesweiten Durchschnitt kam im Schuljahr 2018/2019 ein Pflegeschüler auf 36 Bundesbürger über 80.
Die Zahlen stammen aus dem neuen Pflegeausbildungsindex „PIX“, den die gemeinnützige KWA-Akademie entwickelt hat und der dem Tagesspiegel Background vorliegt. Die gemeinnützige Akademie befasst sich satzungsgemäß unter anderem mit Untersuchungen und Forschungen zum demografischen Wandel. Zahlen zum neuen Schuljahr liegen laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht vor.
Linksparte fordert mehr Engagement
Die Ziele der Ausbildungsoffensive wurden bereits im Frühjahr 2019 verabschiedet. Beteiligt waren 36 Partner, darunter vier Bundesministerien, der Pflegebeauftragte der Regierung sowie drei Landesminister-Konferenzen. Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Linkspartei der Bundesregierung vorgeworfen, diese Ziele nicht energisch genug zu verfolgen. Es sei ein „Armutszeugnis“, dass die Bundesregierung auch acht Monate nach den Beschlüssen nicht sagen könne, wie Pflege-Azubis auf Bundesebene unterstützt werden sollen, sagte die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Pia Zimmermann, damals dem Tagesspiegel.
Der aktuelle Index zeige, dass das Interesse an einer Ausbildung in der Altenpflege hoch sei, sagte Zimmermann nun auf Anfrage des Tagesspiegel Background. Deshalb müssten die Länder die neue generalistische Pflegeausbildung auch bedarfsdeckend finanzieren. Wichtig sei zudem, die Ausgebildeten durch Entlastung, gute Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen dauerhaft in der Pflege zu halten. Nach Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln könnten bis zum Jahr 2035 in Deutschland fast eine halbe Million Pflegekräfte fehlen, darunter mehr als 300.000 in der stationären Versorgung.