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In Berlin gibt es drei Galeria-Häuser, wie hier am Alexanderplatz.
© dpa

Filialschließungen und Kündigungen: Das laute Schweigen von Galeria Karstadt Kaufhof

Noch immer hat sich der Konzern nicht geäußert. Für Verdi ein "Skandal". Doch Experten bezweifeln, dass es Alternativen zu einem harten Sanierungsplan gibt.

Auch drei Tage nachdem die drastischen Sparmaßnahmen bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) publik geworden sind, kehrt keine Ruhe ein. Eher im Gegenteil. Denn noch immer hat sich die Konzernführung um CEO Stephan Fanderl nicht offiziell zu den kursierenden Zahlen geäußert.

Ein Unding, findet Verdi. „Dass alle Mitarbeiter im dunkeln tappen, ist ein Skandal“, sagte Orhan Akman, Einzelhandelsexperte der Dienstleistungsgewerkschaft dem Tagesspiegel. „Die Tarifkommission hat das Unternehmen aufgefordert, endlich Fakten auf den Tisch zu legen.“ Erst für Montag sei dazu nun ein Termin angesetzt.

Und so bleibt es vorerst bei den bekannten Zahlen. Bis zu 80 der derzeit noch gut 170 Filialen des Konzerns könnten geschlossen werden. Tausende Arbeitsplätze wären damit in Gefahr. Wie der Kölner Stadtanzeiger am Wochenende berichtete, könnten auch 20 der 30 Karstadt-Sports-Filialen und 100 der 130 Reisebüros des Konzerns schließen müssen.

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Für Verdi ist der Schuldige schon gefunden. „Wenn Entlassungen anstehen, muss Dr. Fanderl als erster gehen“, verlangte Akman und fügt an: „Wenn Kürzungen Erfolg bringen würden, wäre Galeria Karstadt Kaufhof das erfolgreichste Unternehmen der Republik!“

Es gibt einen Tarifvertrag

Die Sparpläne sind auch deshalb problematisch, weil erst Ende 2019 ein Tarifvertrag ausgehandelt wurde. Laut Verdi wurde dieser auch nicht gekündigt und besitze daher weiterhin Gültigkeit. GKK befindet sich allerdings wegen der Umsatzeinbrüche in der Coronakrise in einem Rettungsschirmverfahren und beruft sich laut Insidern darauf, dass deshalb der Tarifvertrag ausgesetzt sei.

„Dass die Geschäftsführung den Tarifvertrag nicht gekündigt hat, nährt die Vermutung, dass die derzeitigen Meldungen als Druckmittel verwendet werden sollen, noch mehr Zugeständnisse im geltenden Tarifvertrag aufzunehmen“, sagt Akman. Dabei könnte man den Vertrag jetzt gut brauchen, findet er. „Darin enthalten ist etwa auch ein Maßnahmenkatalog, wie Mitarbeiter an der Strategiefindung zu beteiligen sind. Besonders das wäre jetzt dringend nötig.“

Der Strukturwandel wäre auch ohne Corona da

Doch aus Sicht von Handelsexperten gibt es für GKK kaum Alternativen zu deutlichen Sparmaßnahmen. „Ich bin schon vor der Coronakrise davon ausgegangen, dass es in Deutschland Bedarf für maximal 100 Warenhäuser im derzeitigen Format gibt“, sagt etwa Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Corona beschleunigt schließlich nur den Strukturwandel, der sich im Einzelhandel ohnehin abspielt.“

Aus seiner Sicht hatte GKK sogar schon einige Maßnahmen getroffen, die auch positive Effekte gezeigt haben, der Zusammenschluss Ende 2018 sei die erste davon gewesen. „So kann man etwa die Online-Aktivitäten oder den Einkauf gemeinsam und kostensparend betreiben“, meint Stumpf. „Die Coronakrise kommt für diese Pläne nun zur absoluten Unzeit.“

Denn gerade Kaufhäuser seien aufgrund ihrer Sortimentsstruktur besonders betroffen. „ Der Bereich Mode- und Fashion wird nach unseren Berechnungen im Jahr 2020 25 bis 30 Prozent weniger umsetzen, bei Schuhen wird das Minus zwischen 18 und 23 Prozent liegen“, rechnet er vor. „Der Anteil dieser textilen Waren in Kaufhäusern liegt zwischen 30 und 50 Prozent.“ Von den Branchen, die von der Krise profitieren, wie etwa Fahrradhandel, Lebensmittel oder Gartenbedarf, bekommen die Kaufhäuser hingegen kaum etwas ab.

Der BBE Handelsberatung zufolge sind die Erholungseffekte seit den Lockerungen sogar in bedarfsorientierten Lagen, wie Fachmarktzentren sogar größer sind als in guten Innenstadtlagen, wo die Warenhäuser ihre Standorte haben. „Es gehen halt doch nur wenige Menschen flanieren bisher“, meint Stumpf.

Welche Standorte bleiben offen?

Von großem Interesse für alle Beteiligten ist die Frage, welche Standorte wohl schließen müssen und welche offen bleiben. Auch dazu gibt es noch keine offiziellen Angaben, wie GKK dem Tagesspiegel auf Nachfrage bestätigte. Generell heißt es in der Branche: Je kleiner die Stadt der Filiale ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie schließen muss. Gleiches gilt für Doppelstandorte von Karstadt und Galeria.

In großen Schwierigkeiten sind wohl vor allem die Standorte, an denen es sowohl Karstadt- als auch Galeria-Häuser gab.
In großen Schwierigkeiten sind wohl vor allem die Standorte, an denen es sowohl Karstadt- als auch Galeria-Häuser gab.
© Birgit Reichert/dpa

Marco Atzberger aus der Geschäftsführung des Handelsforschungsinstituts EHI erkennt noch ein weiteres Muster, sich seit der Abspaltung von Hertie vor 15 Jahren zeigt. „Die Zukunft der Premium-Häuser wird offenbar als positiv eingeschätzt“, so Atzberger. „Vielleicht gibt es dazu noch eine Gruppe von Häusern, in Großstädten oder mit Sondereffekten, die mittel- und langfristig funktionieren.“ Kleine Warenhäuser sieht aber auch er vor großen Problemen.

Die Rolle der Vermieter

Eine Schlüsselrolle wird bei der näheren Zukunft von GKK den Vermietern zugerechnet. Niedrigere Mietzahlungen könnten einigen Standorten das Überleben sichern, so die Hoffnung. Die Eigentümer-Struktur ist allerdings unübersichtlich. 59 der Galeria-Immobilien gehören der Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko selbst, die auch GKK besitzt. Zudem hält er über ein Tochterunternehmen gute Karstadt-Standorte wie am Hermannplatz, in München am Hauptbahnhof oder auch das Alsterhaus in Hamburg und das KaDeWe.

„Da gibt es natürlich einen denkbaren Spielraum, um bei den Mieten dem operativen Geschäft entgegen zu kommen“, findet Atzberger. Gleichzeitig trennt sich Signa aber auch regelmäßig von Immobilien. Derzeit steht der Verkauf von 17 Häusern an die Fondgesellschaft Apollo EPF an. Der US-Investor RFR hat bereits im Januar 30 Objekte erworben und die deutsche Investorengruppe Demire fünf Filialen in kleineren Städten.

Da solche Transaktionen meist an langfristige Mietverträge gekoppelt sind, bestand bei jedem Verkauf in der Branche die Hoffnung, dass damit ein Fortbestand wahrscheinlich bleibt. Atzberger sagt allerdings: „Es sind in der Regel Finanzinvestoren, die um die Schwäche des Warengeschäftes bereits wussten, aber den Wert der Immobilien in der Innenstadt hoch schätzen.“ Und auch Stumpf ist sich sicher: „Generell hat sich wohl jeder Eigentümer einer Warenhaus-Immobilie inzwischen schon Gedanken gemacht, was nach Karstadt oder Galeria dort möglich ist.“

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