Finanzkrise: Das gute Geld der Superreichen
Viele Vermögende sind bereit, mehr Steuern zu zahlen, 48 Superreiche in Deutschland haben jetzt sogar einen Aufruf an die Politik verfasst. Doch die zögert.
Das viele Geld braucht Peter Vollmer eigentlich gar nicht. „Ich habe viel mehr, als ich ausgebe“, sagt er. Besitz ist ihm nicht so wichtig. „Mit meinem Geld soll etwas Sinnvolles geschehen.“ Vollmer, 71, Teilhaber eines Verlages, ist reich. Deshalb hat er in den vergangenen Jahren fünf Millionen Euro in eine Stiftung gesteckt, sie tritt für eine menschlichere Arbeitswelt ein. Doch das genügt ihm nicht, er will noch mehr Geld loswerden. „Der Staat muss uns Vermögende stärker zur Kasse bitten“, verlangt der Berliner. „Statt bei den Armen zu kürzen, sollte die Regierung lieber die Steuern für die Reichen erhöhen.“
Vollmer ist nicht allein. 48 Gleichgesinnte hat er bereits gefunden, die dem Staat unter die Arme greifen wollen – Psychotherapeuten, Pädagogen, Ärzte. „Intellektuelle mit Gewissen“, wie Vollmer sagt. Mitmachen dürfen sie nur, wenn sie ein Vermögen von wenigstens 500 000 Euro besitzen. Nun haben sie einen Aufruf an die Politik verfasst, endlich die Steuern zu erhöhen. „Der Ruf nach einer höheren Besteuerung der Reichen, aus den Reihen der Privilegierten selbst, wird immer lauter angesichts der schwelenden Finanz- und Schuldenkrise, deren Ende nicht absehbar ist“, heißt es darin. Und weiter: „Die Ausgabenseite hat nur wenig, die Einnahmeseite hingegen immensen Spielraum zur Bewältigung der Krise.“
Linke Aktivisten und einzelne vermögende Gutmenschen waren bislang die Einzigen, die Millionäre und Milliardäre stärker zur Kasse bitten wollten. Doch plötzlich machen die Reichen Front – nicht nur in Deutschland: 16 französische Topmanager verlangten vergangene Woche in einem Appell mehr Solidarität von den oberen Zehntausend. L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, reichste Frau Europas mit einem Vermögen von rund 16 Milliarden Euro, unterzeichnete ebenso wie die Vorstandschefs des Öl-Konzerns Total, der Großbank Société Générale, des Flugzeugbauers Airbus oder des Autoherstellers Peugeot-Citroën. Ihre Forderung: eine einmalige Abgabe zur Gesundung von Frankreichs Finanzen. Die Politik reagierte prompt und einigte sich auf eine dreiprozentige Reichensteuer für Vermögen ab 500 000 Euro – allerdings befristet.
Auch in Amerika drängen Reiche die Politik zum Handeln. „Meine Freunde und ich sind lange genug von einem Milliardär-freundlichen Kongress verhätschelt worden“, schrieb Investorenlegende Warren Buffett jüngst in der „New York Times“. Während die Amerikaner der Mittelklasse immer schlechter mit ihrem Geld zurechtkämen, würden sich die Superreichen nach wie vor außerordentlicher Steuererleichterungen erfreuen, mäkelte der 80-Jährige. Sein Vermögen schätzt „Forbes“ auf insgesamt 50 Milliarden Dollar – damit ist Buffett der drittreichste Mensch der Welt. Er hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr nur knapp sieben Millionen Dollar Steuern gezahlt, 17,4 Prozent seines Einkommens. Von seinen Angestellten fordere der Fiskus einen Steuersatz von im Schnitt 36 Prozent.
Nachdem die Weltfinanzkrise erst Banken und Anleger und dann Staaten um Milliarden erleichtert hat, ist die Not groß. Sparprogramme aufzulegen, um die Schäden der waghalsigen Spekulationsgeschäfte zu begleichen, bringt die Wähler in Wut. Sie fragen sich, warum der Staat nicht den Reichen ans Portemonnaie geht – schließlich sind deren Konten und Depots durch Aufschwung und Aktienboom längst wieder gut gefüllt. Und womöglich stehen etwa der Bundesrepublik die wirklich schlimmen Jahre noch bevor – wenn etwa Bürgschaften für Griechenland fällig werden sollten.
Lesen Sie, wie Deutschland seine Finanzprobleme mit angemessener Besteuerung lösen kann auf Seite 2.
Der Staat könnte auf das Angebot der Vermögenden zurückgreifen. Geld genug wäre da: Etwa 90 000 Menschen hierzulande besitzen ein Vermögen von mehr als fünf Millionen Euro. Zudem nimmt die Ungleichheit zu: Während die Armen ärmer werden, wächst der Besitz der Reichen ungebremst. Auch, weil Deutschland schüchtern ist bei der Besteuerung von Vermögen: Alle Steuern auf Besitz – also Erbschaft-, Grund- und Schenkungsteuer – bringen nur etwa 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein. In Frankreich ist es mehr als dreimal, in Großbritannien sogar viermal so viel.
Seit Jahrzehnten üben sich Bundesregierungen in Zurückhaltung. Kanzler Helmut Kohl schaffte die Vermögensteuer ab, Gerhard Schröder drückte den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent, Angela Merkel führte die Abgeltungsteuer ein, bei der Kapitaleinkommen nur noch pauschal mit 25 Prozent belastet werden. Die Steueränderungen seit 1998 bescheren dem Staat allein im Jahr 2011 Einnahmeausfälle in Höhe von 51 Milliarden Euro, sagt Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts für Konjunkturforschung. Mit anderen Worten: Hätten Bund und Länder dieses Geld, müssten sie in diesem Jahr überhaupt keine neuen Kredite mehr aufnehmen.
An Ideen für eine höhere Belastung Reicher mangelt es nicht. Etwa von Peter Krämer, 60. Er ist Reeder in Hamburg und dirigiert eine Flotte von Gas-, Öl- und Chemietankern. „Erbschaft-, Schenkung-, Grund- und Vermögensteuer müssen steigen, wenigstens auf europäischen Durchschnitt“, schlägt er vor. „Dann würden 20 Milliarden Euro mehr in die öffentlichen Kassen fließen – damit könnte man viel Gutes tun.“
Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nachgerechnet. „Bei einer Vermögensteuer von einem Prozent auf Vermögen über einer Million Euro und einem hohen Freibetrag für Unternehmer könnte der Staat zwischen zehn und 18 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen“, glaubt der Wissenschaftler. Ein solches Konstrukt würde tatsächlich nur die oberste Oberschicht treffen – gut 330 000 Bürger müssten zahlen. Die Gefahr einer Kapitalflucht hält er für gering. „Die Verlagerung von Vermögen ins Ausland ist schwieriger geworden – die Schweiz und Liechtenstein bekämpfen ja mittlerweile die Steuerflucht. Auch Betriebe lassen sich nicht so ohne Weiteres verlagern“, sagt Bach. Wer partout nicht zahlen will, müsste schon mit Sack und Pack ins Ausland ziehen.
Womöglich könnte eine höhere Belastung also nicht nur den Sparzwang des Staates bremsen. Sie könnte sogar die Wirtschaft stabilisieren – das hofft jedenfalls Peter Vollmer, der Mitinitiator des deutschen Reichen-Aufrufs. Die aktuelle Krise sei ja auch entstanden, weil zu viel Geld unterwegs war und die Reichen es in hoch riskante Anlagen stecken konnte. „Mit einer höheren Steuer wäre das nicht passiert“, ist er sich sicher.
Carsten Brönstrup
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