Digitalisierung der Wirtschaft: Das große Geschäft mit Big Data
Auf der Fachmesse Tools in Berlin zeigen Unternehmen, wie aus großen Datenmengen neue und profitable Produkte werden - und ein lukratives Geschäftsfeld entsteht.
Nick Sohnemann kann wachrütteln. „Wer von euch hat eine Smartwatch?“, ruft er von der Bühne. „Die müsst ihr mal kaufen.“ Jetzt brüllt er fast. „Ihr seid hier die Tech-Elite.“ Ganz unrecht hat der Innovationsberater wohl mit beiden Aussagen nicht. Vor ihm in Halle 19 der Berliner Messe sitzen Menschen, die tagtäglich mit der Digitalisierung der Wirtschaft zu tun haben. Auf der Tools zeigen rund 80 Firmen für zwei Tage, was man aus den riesigen Datenmengen machen kann, die heutzutage bei fast jedem Produktionsschritt, bei fast jedem Kaufvorgang entstehen.
Aus Big Data wird Smart Data – aus großen also intelligente Datenmengen – so wie bei Tableau. Das US-Unternehmen hat ein Tool – also Werkzeug – entwickelt, mit dem sich sämtliche Arten von Daten in Graphen, in Diagrammen, auf Landkarten darstellen lassen. Aus Zahlenwüsten, die bislang nur Spezialisten entwirren konnten, werden so übersichtliche Schaubilder, mit deren Hilfe sich Arbeitsprozesse beschleunigen lassen. „So schnell wie ich denke, kann ich auch analysieren“, beschreibt Timo Tautenhahn die Möglichkeiten. Deutsche Autohersteller beispielsweise setzten die Software zur Analyse ein. Läuft eine Prozesskette nicht einwandfrei, genüge eine Visualisierung der Maschinendaten – schon werde das kritische Glied in der Kette sichtbar. Eine Hamburger Reederei optimiert ihre Routen, ein Berliner Onlinespieleentwickler findet Programmierfehler, die sonst nicht aufgefallen wären.
Der Umsatz im Datengeschäft steigt
Das Geschäft brummt, nach eigenen Aussagen liegt das jährliche Umsatzwachstum von Tableau bei durchschnittlich 75 Prozent. Von 34 Millionen Dollar 2010 ist der Erlös auf zuletzt 412 Millionen Dollar im Jahr gestiegen. Von den 2000 Mitarbeitern sind rund 200 in Europa damit beschäftigt, den Großen der Branche – SAP, IBM und anderen – Kunden abzujagen.
Dass Computer noch nicht alles können, belegen hingegen Geschäftsmodelle wie das von Crowd Guru. Rund 30 000 Menschen erledigen für das Berliner Unternehmen täglich kleine Aufträge über das Internet. Sie überprüfen Inhalte von Immobilienanzeigen oder Datingprofile auf Fehler, legen fest, ob ein Sakko im Onlineshop grau-schwarz oder eher schwarz-grau gestreift ist, optimieren kurze Produkttexte, damit sie von Suchmaschinen besser gefunden werden. Häufig sei der Arbeitsschritt eines Gurus, wie Geschäftsführer Hans Speidel die Mitglieder seines kleinen Arbeitsheeres nennt, nur wenige Sekunden lang. „Dennoch sind es Aufgaben, bei denen der Mensch dem Computer überlegen ist – noch.“ Die Aufträge kommen von großen Unternehmen, ein Kernteam von rund 15 festen Mitarbeitern zerlegt die Arbeit in kleine Schritte. Die Gurus erhalten über eine Internetplattform Zugriff und entscheiden sich für eine Tätigkeit. Der durchschnittliche Verdienst im Monat liege um die 50 Euro – für die meisten ein Zubrot, was sie sich bei kurzen Crowdworking-Sessions zwischendurch verdienen.
Für Trendguru Sohnemann sind solche Dienste erst der Anfang. „Start-ups können ganze Industrien vernichten – und sie werden es tun.“ Daran müssten sie allerdings glauben, um glaubwürdig zu sein. Zum Beispiel, in dem sie die Smartwatches tragen, für die sie Dienste entwickeln. „Eat your own dogfood“, zitiert er eine alte Tech-Weisheit. „Probiert eure Produkte selbst aus.“