Tickets auf dem Schwarzmarkt: Das Geschäft mit den Fans
Viel zu oft sind Tickets des Lieblingskonzerts ausverkauft. Nicht ohne Grund: Denn professionelle Schwarzmarkthändler erzielen mit Weiterverkäufen das Vielfache der Preise. Und immer mehr wollen von dem Handel profitieren.
Tickets zu verkaufen! – Selbstbemalte Pappschilder mit dieser Aufschrift hat jeder schon einmal bei einem Konzert, einem Fußballspiel oder einem Festival gesehen. Man liest es im Vorbeigehen, auf dem Weg zum Eingang. Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wer die Leute sind, die diese Schilder in die Höhe halten. Einfache Fans sind es in den meisten Fällen nicht, denn in ihren Taschen stecken oft Dutzende von Tickets. Ein dickes Bündel Papier, das sie sich vergolden.
7000 Euro für ein einziges Ticket
Wim Bledon ist einer von ihnen. Aber eigentlich heißt er nicht Wim Bledon – so hieß das Sportereignis, mit dem er bei einem einzigen Ticketverkauf seinen persönlichen Rekordpreis erzielt hat: Eine Karte für ein Tennismatch verkaufte er über das Internet für 7000 Euro. Das Wortspiel gefällt ihm. Als er das erzählt, klingt seine Stimme wie die eines Lösegeld-Erpressers. Nur mit Stimmenverzerrer und unterdrückter Rufnummer war Bledon zu einem Telefoninterview bereit. Nach 13 Jahren als „Reseller“, wie sich die Schwarzmarkt-Verkäufer selbst nennen, habe er Angst, mit seinem illegalen Geschäft aufzufliegen. Vielleicht hört er bald auf – nach dem nächsten großen Coup. Heute, so sagt er, läge sein Gehalt auf einer Stufe mit dem der Bundeskanzlerin. Im Tagesgeschäft verkauft er Tickets für Fußballspiele und Popkonzerte. Ein wirklich großer Coup wäre wieder bei der nächsten Fußballweltmeisterschaft möglich. Bledon hat ein Buch über den illegalen Zweithandel geschrieben („Schwarzmarkt Tickethandel“), in dem er die gängigen Verkaufspraktiken beschreibt, aber auch ein System, das ihm zu Reichtum verholfen hat. Er beschreibt die Naivität der Kunden, die sich die Ausmaße des Geschäfts gar nicht vorstellen können. Und er schreibt über die Maßnahmen der Veranstalter, die versuchen den Schwarzmarkt einzudämmen.
"Geschäftemacherei mit Eintrittskarten wird immer attraktiver"
Immer mehr illegale Tickethändler strömen auf den Markt, denn viele wollen in das lukrative Geschäft einsteigen. Niemand weiß, wie viele es sind. „Leider ist es eine Tatsache, dass die Geschäftemacherei mit Eintrittskarten offenbar immer attraktiver wird“, sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft. Klar ist, dass das Internet den Einstieg vereinfacht. Auf Verkaufsplattformen wie Ebay oder Viagogo werden die Tickets angeboten, meist für ein Vielfaches des eigentlichen Preises. Das bringt die Veranstalter, Künstler und Sportvereine auf die Barrikaden. Anzeige gegen Schwarzhändler können sie aber nicht erstatten. Denn: „Strafrechtlich ist Ticketschwarzhandel nicht relevant. In England ist der Weiterverkauf von Tickets gesetzlich verboten, in Deutschland nicht“, erklärt Rechtsanwalt Ulf Haumann. Der Anwalt vertritt mit seiner Kanzlei Becker & Haumann unter anderem den 1. FC Köln im Kampf gegen die Schwarzhändler. Er mahnt die Ebay-Verkäufer auf Grundlage des Zivilrechts ab. Weil die meisten Veranstalter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ihrer Tickets den kommerziellen Weiterverkauf ausgeschlossen haben und er damit verboten ist, können bei einem Verstoß eine Vertragsstrafe und Schadensersatz fällig werden.
Erlaubt ist der private Weiterverkauf. Wenn also ein Fan vor einem Spiel krank wird, darf er sein Ticket einem anderen anbieten. Die Schwarzhändler tarnen sich, indem sie nur kleine Mengen an Tickets auf einmal im Internet anbieten. „Deshalb halten wir oft Dutzende Ebay-Accounts“, sagt Bledon.
Fairer Ticket-Zweit-Verkauf
Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat die Internet-Verkaufsplattformen genau im Auge. „Es erfolgt ein laufendes Screening der bei Ebay angebotenen Tickets. Die Wiederverkäufer werden bei schwerwiegenden Verstößen anwaltlich abgemahnt. Auch passt der DFB auf Basis von aktuellen Urteilen seine AGB ständig an, um möglichst viele Anbieter von Tickets auf dem Schwarzmarkt aufgreifen zu können“, sagt ein Sprecher des Fußballbundes.
Doch der Schwarzmarkt lockt mit höheren Preisen
Auch der Tickethändler CTS Eventim präsentiert sich als großer Gegner des Schwarzmarktes. Am Donnerstag legte das Unternehmen seine Halbjahreszahlen vor. Der Umsatz stieg um 23,6 Prozent auf 420 Millionen Euro. Insgesamt erwirtschaftete das Unternehmen einen Gewinn von 18,1 Millionen Euro. „Wir warnen nachdrücklich davor, Tickets anonym im Internet zu erwerben. Wer ein bereits gekauftes Ticket nicht nutzen kann, hat die Möglichkeit es über FanSale sicher und zu fairen Preisen zu verkaufen“, sagt ein Unternehmenssprecher. FanSale ist die Online-Ticketbörse, die Eventim selbst ins Leben gerufen hat. Hier sollen die Karten von Fans verkauft werden. Es gibt ein Prüfverfahren, das die Echtheit der Tickets garantiert. Ein Service, den Viagogo und Ebay nicht bieten. Aber das scheint dem illegalen Geschäft kaum zu schaden: „Die Ticketbörsen der Veranstalter nehme ich gar nicht ernst“, sagt Wim Bledon. Die Schwarzverkäufer würden ja doch auf Ebay versuchen, höhere Preise zu erzielen. Und Fans, die unbedingt noch zu einem ausverkauften Konzert wollen, kaufen die Karten dort. Deshalb werde es den Schwarzmarkt wohl immer geben, prophezeit Bledon. Die Veranstalter wollen nicht resignieren, auch wenn die Erfolge bescheiden sind. „Wenn man gar nichts unternimmt, wächst der Schwarzmarkt noch viel schneller. Um ein weiteres Ausufern dieses Geschwürs zu verringern, mahnen wir auch Privatpersonen ab, die offenbar meinen, sich mit dem Weiterverkauf von Tickets eine lukrative Einnahmequelle verschaffen zu können“, sagt Jens Michow, der mit seiner Anwaltskanzlei in den vergangenen Wochen 150 Privatpersonen abgemahnt hat.
Personalisierte Eintrittskarten
Da schwingt ein Ärger mit, der nicht nur mit finanziellen Einbußen zu erklären ist. Den Veranstaltern könnte es egal sein, schließlich sind ihre Events ausverkauft. Ihr einziges Problem sind die wütenden Fans. Da Konzerte im Zeitalter der Musik-Streaming-Dienste die Haupteinnahmequelle der Musiker geworden sind, ist dies eine große Sorge. Immer häufiger werden Eintrittskarten deshalb personalisiert. Nach dem Kauf werden Namen und Geburtsdatum des Käufers auf die Tickets gedruckt. Bei Festivals ist das schon länger gängige Praxis, bei Künstler-Tourneen ist das noch neu. So auch bei dem David-Gilmour-Konzert in Oberhausen im kommenden September. „Der Einlass wird nur dem auf dem Ticket namentlich genannten Käufer bei Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises gewährt“, schreibt Eventim auf seiner Homepage. Das Konzert ist ausverkauft. Auf Viagogo sind noch Karten erhältlich, im Preisrahmen von 749 bis 1100 Euro. Das System der Personalisierung ist auch eines mit Lücken, denn die Einlasskontrolle würde bei 20 000 Fans bereits mehrere Stunden dauern. So sind praktisch nur Stichproben möglich.
DFB-Manager und Eventim standen selbst im Verdacht
Karten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, die in Mengen auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden, waren auch personalisiert. Allerdings seien knapp zehn Prozent ohne Namensaufdruck gewesen, erzählt Bledon. Nämlich jene, die Sponsoren und Verbänden vorbehalten waren. Wie solche Tickets auf den Schwarzmarkt gelangen, ist aber eine Frage, die nicht abschließend geklärt wurde.
Der Vorstandsvorsitzende von CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, und der ehemalige DFB-Manager, Willi Behr, standen seit 2009 im Mittelpunkt von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München. Der Verdacht: Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Sie sollen in den Vorverkaufsphasen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 selbst etwa 52 000 Tickets auf den Schwarzmarkt gebracht haben. CTS Eventim war Ticketvermarkter der Weltmeisterschaft 2006 für den DFB. Dieser distanzierte sich 2010 nach Bekanntwerden der Ermittlungen von Behr. Auf Anfrage des Tagesspiegels teilte die Staatsanwaltschaft München mit, dass das Ermittlungsverfahren im Mai diesen Jahres gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde.
Wer am Ende in dem Wettlauf von Schwarzhändlern und deren Gegnern vorne liegen wird, kann letztlich nur der Fan entscheiden. Das System Schwarzhandel kann nur funktionieren, solange es Käufer gibt. Auf dem Markt bestimmt die Nachfrage das Angebot.
Ronja Ringelstein
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