Rotkäppchen-Chef im Interview: „Das erste Glas nimmt jeder“
Rotkäppchen-Chef Christof Queisser spricht im Tagesspiegel-Interview über das Geschäft mit Sekt - und warum jeder Gastgeber auch Alkoholfreies anbieten sollte.
Herr Queisser, trinken Sie mehr als vier Liter Sekt im Jahr?
Auf jeden Fall, ohne es je nachgerechnet zu haben. Ich habe viele Frauen in der Familie. Da darf ich oft anstoßen.
Ist Sekt eher ein Frauengetränk?
Das erste Glas nimmt jeder. Aber nach dem zweiten greifen tatsächlich eher die Frauen. Grundsätzlich ist die Verteilung so 60 zu 40.
Der deutsche Markt ist gesättigt, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt relativ konstant bei 3,9 Litern im Jahr.
Tatsächlich wird die Luft dünn in Deutschland. Jeder Zweite greift hierzulande zu unseren Marken. Das zu toppen, ist kaum möglich. Sagen wir so: Im Bereich klassischer Sekt ist jedes weitere Wachstum schwierig. Bei Wein wachsen wir dagegen stark.
Es gibt eine eigene Rotkäppchen-Weinlinie und seit 2009 auch die Marke Blanchet aus Ihrem Haus.
Wein macht heute fast zehn Prozent des Umsatzes aus, das wollen wir ausbauen.
Bei Schnaps lief es zuletzt nicht so toll, der Marktanteil der Rotkäppchen-Mumm Spirituosen ging 2012 von 8,4 Prozent auf acht Prozent zurück.
2013 ging es wieder besser, so viel kann ich schon sagen, auch wenn wir unsere Jahreszahlen erst am Mittwoch veröffentlichen. Das letzte Jahr war insgesamt zufriedenstellend, und wir haben insbesondere im Bereich Spirituosen einige neue Produkte erfolgreich eingeführt.
Mariacron, Eckes Edelkirsch oder Chantré sind doch ziemlich in die Jahre gekommen.
Das stimmt so nur bedingt. Es sind traditionsreiche und auch erfolgreiche Marken. Aber manche Produkte kann und sollte man auch nicht abwandeln. Beim Sekt haben wir dagegen mit Rotkäppchen und Jules Mumm sehr junge Marken im Angebot. Was Rotkäppchen betrifft, denkt man das vielleicht nicht, aber den Sekt wählen junge Frauen, deren Mütter und Großmütter gleichermaßen. Jetzt im April starten wir mit drei neuen Produkten, die sich vor allem an eine junge, moderne Zielgruppe richten: Rotkäppchen Fruchtsecco Erdbeer, Holunder und Granatapfel. Das ist ein prickelndes Weinmischgetränk mit Fruchtsaft verfeinert, ideal für den lockeren Sommerabend.
"Die Menschen konsumieren anlassbezogen"
Ist da der „normale“ Sekt nicht gefragt?
Die Menschen konsumieren anlassbezogen. Tatsächlich machen wir zum Saisonhöhepunkt Weihnachten und Silvester 20 Prozent unseres Umsatzes. Ansonsten ist es einigermaßen gleichmäßig verteilt, weil die Menschen ja das ganze Jahr über Geburtstag feiern.
Wie groß sind die regionalen Unterschiede noch?
Rotkäppchen war in den neuen Bundesländern populärer als in den alten, aber inzwischen verkaufen wir mehr Flaschen im Westen. Die Gesellschafter haben nach der Wende einen sehr mutigen Schritt gemacht, als sie die Marke und das Traditionshaus nach dem Mauerfall im Zuge eines Management-Buy-outs aus der Treuhandanstalt kauften. Sie haben daran geglaubt und auch viel investiert: Die Werbung mit der Frau in dem roten Kleid kennt heute fast jeder. Aber entscheidend ist auch, dass das Produkt stimmt. Die erste Flasche verkaufen Werbung und Neugierde, jede weitere der Geschmack und die Qualität.
Stimmt es, dass Ossis lieber süß trinken?
In ganz Deutschland gibt es eine klare Tendenz zu halbtrocken. Rotkäppchen halbtrocken ist mit Abstand unser Bestseller. Auch der vergleichsweise milde Rosé wird immer stärker nachgefragt.
Und im Ausland?
Wir haben erste Erfolge. In Österreich und der Schweiz, aber auch in Übersee. In Kanada zum Beispiel läuft es ganz gut für uns.
Stört da nicht der Name Rotkäppchen?
Im Gegenteil, das ist von Vorteil. Das gibt dem Produkt eine gewisse Authentizität. Rotkäppchen hat eine lange tolle Tradition, und genau das sagen Name und Aufmachung. Dass er vielleicht nicht ganz einfach auszusprechen ist, ist kein Hindernis.
Was ist mit dem Rest Europas?
In den großen Nachbarländern ist es schwierig. In Frankreich gibt es eine ausgeprägte Champagner-Kultur, in Spanien ist Cava das Produkt der Wahl. Italiener lieben Prosecco. Da wartet man sicher nicht auf deutschen Sekt.
Sie haben für Tengelmann, die Batteriefirma Varta und den Wurstkonzern Zimbo gearbeitet. Was verstehen Sie von Sekt?
Für die Supermärkte des Hauses Tengelmann habe ich über mehrere Jahre die Vermarktung und den Einkauf für den Bereich Getränke und Genussmittel verantwortet. Ich kenne die Branche und die Konsumenten.
"Ein guter Gastgeber hat auch Alkoholfreies vorrätig
Die Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien haben über 100 Artikel im Portfolio. Jedes Jahr kommen viele neue Getränke auf den Markt. Wie vermeidet man Flops?
Unsere Neueinführungen haben sich bisher immer im Markt durchgesetzt. Wir entwickeln aber auch vieles, das es nicht bis zur Marktreife schafft. Seit wenigen Wochen gibt es analog zu Rotkäppchen Fruchtsecco auch bei Jules Mumm drei neue fruchtige Sorten. Für jedes neue Produkt machen wir Verkostungen in Supermärkten oder Einkaufscentern, die fast eine Million Verbraucher erreichen. Ohne Werbung geht es nicht.
Was ist mit alkoholfreien Sorten?
Ein großer Trend, übrigens auch in Übersee. Wir haben mit Rotkäppchen Alkoholfrei Weiß und Rosé bereits zwei alkoholfreie Produkte und können uns gut vorstellen, das auszuweiten. Ein guter Gastgeber hat beide Varianten vorrätig: mit und ohne Alkohol.
Die Matheus-Müller Sektkellereien sind in Hessen, Geldermann in Baden-Württemberg, Rotkäppchen in Freyburg, die Spirituosen stammen aus Nordhausen in Thüringen. Als erster Geschäftsführer des Unternehmens lenken Sie die Geschäfte von Eltville aus, dem Sitz der Kellerei MM. Müssen Sie nicht nach Freyburg?
Die Geschäftsführung war immer schon verteilt, der Bereich Produktion und Technik sowie der Finanzgeschäftsführer haben ihre Büros in Freyburg. Ich finde es eher positiv, dass wir nicht alle an einem Ort sitzen, das weitet den Blick. In Zeiten von modernen Kommunikationsmitteln ist das ja auch kein Problem mehr. Und man fährt maximal drei Stunden von Standort zu Standort.
Gunter Heise war 23 Jahre der Chef – wie groß sind seine Schuhe?
Gunter Heise hinterlässt ein großes Erbe. Aber ich bin im Unternehmen sehr gut aufgenommen worden und schnell angekommen. Ziel ist ja nicht, das Haus auf den Kopf zu stellen, sondern die Erfolgsgeschichte im besten Sinne fortzuführen.
DER CHEF
Christof Queisser (44) ist seit August 2013 Vorsitzender der Geschäftsführung der Rotkäppchen-Mumm Sektkellerei GmbH. Der Betriebswirt ist seit 1991 in der nationalen und internationalen Markenindustrie tätig. Queisser arbeitete schon für Unilever und Tengelmann. Zuletzt war er Chef des Fleischkonzerns Zimbo.
DIE FIRMA
Rotkäppchen wurde 1856 von den Brüdern Moritz und Julius Kloss gegründet. Der Hauptsitz ist in Freyburg (Sachsen-Anhalt), die bekanntesten Marken sind Mumm, Jules Mumm, Rotkäppchen, Nordhäuser und Blanchet. Der Umsatz lag 2012 bei 855,6 Millionen Euro. Rotkäppchen hat bei Sekt in Deutschland einen Marktanteil von 50 Prozent.
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