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Die Kollekte reicht nicht. Dagegen bringt die Kirchensteuer der Evangelischen und der Katholischen Kirche jedes Jahr Milliarden.
© picture-alliance/ dpa

Kirchensteuer: Das ändert sich für Anleger

Viele Gemeindemitglieder zahlen keine Kirchensteuer auf ihre Kapitalerträge. Das soll sich künftig ändern. Ab 2015 führen die Kreditinstitute die Steuer automatisch ab. Steuersünder müssen jedoch nicht mit Verfahren rechnen.

Was könnte für ein Kirchenmitglied verbindlicher sein als das Buch der Bücher? Und die Bibel ist eindeutig: „Geben ist seliger denn nehmen“ heißt es in der Apostelgeschichte des Lukas. Paulus sagt das dort, beruft sich aber selbst auf eine höhere Instanz, nämlich Jesus höchstpersönlich.

NEUN PROZENT STEUER

Dass geben seliger ist als nehmen, soll auch für das Verhältnis der Gemeindemitglieder zu ihrer Kirche gelten. Denn um die Gemeindearbeit zu finanzieren, reicht das, was an den Gottesdiensten im Klingelbeutel gesammelt wird, bei Weitem nicht aus. Der Großteil der Einnahmen fließt den Kirchen automatisch zu – über die Kirchensteuer. Neun Prozent der Einkommensteuer beträgt sie in Berlin, eingezogen wird die Kirchensteuer vom Finanzamt, das dafür von der Kirche bezahlt wird.

Wer in der Kirche ist, arbeitet und Geld verdient, muss zahlen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht 2012 im Fall des Kirchensteuer-Kritikers Hartmut Zapp entschieden. Der Professor wollte keine Kirchensteuer mehr abführen, aber dennoch Mitglied der katholischen Kirche bleiben – vergeblich.

MILLIARDENBETRÄGE

Rund fünf Milliarden Euro hat die Evangelische Kirche im vergangenen Jahr über die Kirchensteuer eingenommen, schätzt Oberkirchenrat Thomas Begrich, bei der Katholischen Kirche waren es 2012 – neuere Zahlen hat die Deutsche Bischofskonferenz nicht – 5,2 Milliarden Euro. Eine Menge Geld, könnte man meinen. Seit 1994 sind allein bei der Evangelischen Kirche die Einnahmen aus der Kirchensteuer um zehn Prozent gestiegen. Von einem „erfreulichen Zuwachs“ spricht Begrich daher, dennoch warnt der Kirchenfinanzmann vor allzu großer Freude. Die staatlichen Steuern seien in dieser Zeit nämlich um satte 50 Prozent gestiegen. Steigerungsraten, von denen die Kirchen nur träumen können.

KAPITALERTRÄGE

Doch auch sie können nun auf eine bessere finanzielle Zukunft hoffen – mit Hilfe des Staates. Denn zwar führen die Finanzämter zuverlässig die Kirchensteuer vom Lohn oder Gehalt der Gläubigen ab, bei den Einnahmen, die die Kirchenmitglieder zusätzlich aus ihren Kapitalerträgen erzielen, ist das bislang jedoch keinesfalls sichergestellt. Zwar müssten auch hier die Kirchen an der Abgeltungsteuer von 25 Prozent beteiligt werden, doch oft wissen weder der Fiskus noch das Geldhaus davon. Kirchenmitglieder haben bislang nämlich die Wahl, wie sie die Kirchen an ihren Zinseinnahmen beteiligen: Teilt man der Bank mit, welcher Konfession man angehört, führt das Geldhaus die Beiträge gleich ab. Steuerzahler können den Ausgleich aber auch selbst vornehmen – in der Anlage KAP zur Steuererklärung.

KEINE KONTROLLE

Wer das vermeiden will, hatte bislang leichtes Spiel. Denn es reicht, der Bank die Religionszugehörigkeit zu verschweigen und die Anlage KAP zu ignorieren. Doch das ändert sich jetzt. Seit einigen Tagen bekommen Bankkunden Briefe von ihren Kreditinstituten, in denen sie auf eine wichtige Neuerung hingewiesen werden: Künftig sollen die Banken von den Kapitalerträgen nicht nur die staatliche Abgeltungsteuer, sondern auch die Kirchensteuer automatisch abführen.

AUTOMATISCHE ABFRAGE

Und das geht so: Zwischen dem 1. September und dem 31. Oktober fragen die Banken beim Bundeszentralamt für Steuern nach der Konfession des Kunden, erstmals in diesem Jahr, ab dann jährlich. Werden sie fündig, zwacken sie künftig – ab 2015 – von den Kapitalerträgen die Kirchensteuer gleich ab. Wer das nicht will, kann bei der Behörde bis zum 30. Juni Widerspruch einlegen und muss dann die Kirchensteuer über die Anlage KAP nachentrichten. Allerdings informiert das Bundeszentralamt bei einem Widerspruch das zuständige Finanzamt – mit Nennung des Namens und der Anschrift. Mit der Anonymität ist es dann vorbei. Was das neue Verfahren den Kirchen finanziell bringt, will Oberkirchenrat Begrich nicht schätzen. Er glaubt an das Gute im Menschen. „Gemeindeglieder betrügen nicht.“ Dass Begrich von Gliedern spricht und nicht von Mitgliedern, ist gewollt. Dahinter steckt Philosophie. „Die Gemeindeglieder sind die Gemeinschaft der Gläubigen“, sagt Begrich – sie machen die Kirche aus. Das verpflichtet: Warum sollte man Geld vor sich selbst verstecken?

WENIG ABGABEN

Vielleicht, weil es geht? Gerade einmal 75 bis 100 Millionen Euro führen Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften bislang im Jahr von den Kapitalerträgen der Kirchenmitglieder an die Evangelische Kirche ab, berichtet Begrich. Was die Steuerzahler über ihre Steuererklärung angeben, geht in das normale Kirchensteueraufkommen ein. 2014 dürfte sich an den Summen wohl nur wenig ändern, 2015, wenn der automatische Abzug kommt, aber schon.

SPÄTE STRAFEN?

Schwarze Schafe, die jahrelang Kapitalerträge geerntet haben, ohne die Kirchen daran zu beteiligen, müssen zwar ein schlechtes Gewissen befürchten, aber keine Sanktionen. „Weltliche Folgen hat das nicht“, heißt es im Bundesfinanzministerium. „Es gibt keinen Straftatbestand der Kirchensteuerhinterziehung.“ Die Kirchensteuer sei ja keine klassische Steuer, sondern eher ein Mitgliedsbeitrag, den der Fiskus für die Kirchen einzieht. Hinzu kommen ganz praktische Probleme für die Finanzämter: „Wenn die Banken die Abgeltung- und Kirchensteuer einbehalten und weiterleiten, fließt alles in einen großen Topf“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen dem Tagesspiegel. „Die Beiträge haben kein Namensschild“.

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