Deutscher Aktienindex: Commerzbank steigt ab in die zweite Liga
Am Mittwoch sortiert die Deutsche Börse ihren Leitindex Dax neu. Der erwartete Rauswurf der Commerzbank nach 30 Jahren zeichnet sich schon lange ab.
Schön sei es nicht, räumt Commerzbank-Chef Martin Zielke zumindest ein. Um immer gleich hinzufügen, dass es am Geschäft des Instituts auch für die Kunden nichts ändere. Man bleibe die führende Mittelstandsbank in Deutschland. Viele glauben freilich, dass der Banker den bevorstehenden Abstieg der Commerzbank aus dem Kreis der 30 größten im Deutschen Aktienindex Dax gelisteten deutschen Konzerne unterschätzt. Nicht nur für das Renommee des Geldhauses ist der Rauswurf nach 30 Jahren nicht gut, auch Investoren dürften sich erst einmal abwenden. Und dem Bund dürfte es nicht gefallen: Mit 15,6 Prozent ist er immer noch größter Aktionär der Commerzbank.
Am Mittwoch entscheidet die Deutsche Börse über die neue Zusammensetzung des Dax. Die Commerzbank - Börsenwert aktuell nur noch rund 10,2 Milliarden Euro - wird dem wesentlich kleineren, aber gemessen am Börsenwert doppelt so großen Zahlungsanbieter Wirecard weichen müssen.
Zum Vergleich: Die Deutsche Bank bringt es aktuell auf einen Börsenwert von (nur noch) rund 20 Milliarden Euro. Und laut der Nachrichtenagentur Reuters von Dienstagmorgen laufen im Emirat Abu Dhabi Gespräche über einen Zusammenschluss von drei Banken zu einem Geldhaus, das nach Thomson-Reuters-Daten auf eine Bilanzsumme von 113 Milliarden Dollar (97,6 Milliarden Euro) kommen könnte: Die Abu Dhabi Commercial Bank (ADCB) befände sich nach eigenen Angaben "in frühen Diskussionen" mit der Union National Bank und der Al-Hilal-Bank.
Es ist der Tiefpunkt einer Entwicklung, die vor zehn Jahren ihren Anfang nahm. Damals am 1. September 2008 sitzen Martin Blessing, Zielkes Vorgänger, Herbert Walter und Michael Diekmann im Auditorium des Commerzbank-Turms im Frankfurter Bankenviertel. Walter ist Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Diekmann Chef der Allianz. Die hatte gerade die Dresdner Bank an die Commerzbank verkauft. Viel zu lange hatte das „grüne“, 136 Jahre alte Institut dem Versicherungskonzern herbe Verluste beschert. Die Fusion der Dresdner mit der Deutschen Bank war im Jahr 2000 schon besiegelt und dann nach vier Wochen doch geplatzt. Es war vor allem für die Dresdner ein Desaster.
Fusion mit Dresdner nur zwei Wochen vor der Lehman-Pleite
Blessing kann an diesem Tag die Freude über den vermeintlichen Coup kaum verbergen, der sein Haus zur klaren Nummer zwei in Deutschland machen soll. Er und viele andere ahnen nicht, dass die Pleite der US-Investmentbank Lehman und die Finanzkrise auch die Commerzbank (verursacht auch durch die Dresdner Bank) nur zwei Woche später schwer treffen würde. Manche hielten die Übernahme gleichwohl für ein beträchtliches Risiko, schließlich war die Finanzwelt seit gut einem Jahr durch die Pleite der Mittelstandsbank IKB in erheblicher Unruhe.
Neun Milliarden Euro legt die Commerzbank für das größere Institut auf den Tisch. Dabei war klar, dass die Probleme der Dresdner Bank und Risiken in den Büchern beträchtlich waren. Später wird der Preis auf sechs Milliarden gedrückt. Trotzdem gerät die Commerzbank in Schieflage. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück verhindert das Aus mit einer insgesamt 18 Milliarden Euro dicken Kapitalspritze und schließlich mit der Beteiligung von 25 Prozent am Aktienkapital. Heute sind es immer noch 15,6 Prozent. Und der Bund sitzt auf einem erheblichen Verlust.
Zehn Kapitalerhöhungen in zehn Jahren
Seit der Übernahme der Dresdner Bank ist die Commerzbank auf Talfahrt. 2006 kostete die Aktie noch mehr als 100 Euro, heute sind es nur noch gut 8 Euro. Dabei gab es seit 2008 insgesamt zehn Kapitalerhöhungen, die Zahl der Aktien hat sich verzwanzigfacht. Damit wird der Wertverlust für die Aktionäre noch dramatischer. Nur einmal seit 2008 hat die Commerzbank eine Dividende ausgeschüttet. Immerhin soll es für 2018 wieder eine Zahlung geben.
Blessing, der damals die Übernahme feierte, hat die Commerzbank 2016 vorzeitig verlassen und zählt heute zum Top-Management der schweizerschen UBS. Zielke versucht die Bank seitdem auf Vordermann zu bringen, was ihm nur allmählich gelingt. Er hat das Investmentbanking stark beschnitten, baut unter dem Strich mehr als 7.000 Stellen ab, setzt auf den Mittelstand und das Privatkundengeschäft. Und hält weiter an Filialen fest. Verglichen zum Oktober 2016 sollen bis 2020 zwei Millionen neue Privatkunden gewonnen werden. 800.000 sind es bislang. Allein der Ableger Comdirect bewährt sich und macht gute Gewinne.
An der Börse überwiegt die Skepsis. Die Commerzbank ist so wenig wert wie selten zuvor. Sie gilt als Übernahmekandidat. Immer wieder, jüngst in der vergangenen Woche, machen Spekulationen über eine Fusion von Deutscher und Commerzbank die Runde. Eine fragwürdige Option, schließlich stecken beide Institute mitten in der Sanierung.
Erst einmal steht die Commerzbank in diese Woche vor einem weiteren Abstieg. Vier Mal im Jahr, jeweils am dritten Handelstag im März, Juni, September und Dezember, berät der Arbeitskreis Aktienindizes der Deutschen Börse über die Zusammensetzung von Dax und den drei anderen wichtigen Indizes TecDax, MDax und SDax. Änderungen werden dann zum Ende des jeweiligen Monats wirksam.
Bedeutsam ist die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Indizes vor allem für die Anlagestrategie von Großanlegern wie Versicherungen, Pensionskassen oder Fonds und für viele Produkte wie etwa börsengehandelte Indexfonds. Der Umsatz mit der Aktie und die Marktkapitalisierung des Unternehmens, also der Wert zu dem es an der Börse gehandelt wird, sind die wichtigsten Kriterien für die Zugehörigkeit zum Dax und damit zu den 30 wichtigsten in Deutschland an der Börse notierten Konzernen. Da gehört die Commerzbank schon lange nicht mehr dazu.
Lesen Sie hier unter Interview mit dem langjährigen Vorstandschef Martin Blessing aus dem Jahr 2015. Und eines mit dem aktuellen Privatkundenvorstand Michael Mandel von 2017.